„Der Streik bei Panrico war unsere wichtigste Schule“
// Interview mit der sozialistischen Frauengruppe Pan y Rosas im Spanischen Staat über ihre Arbeit und ihre Erfahrungen. Das Interview fand statt im Rahmen eines internationalen Treffens von revolutionären Frauen aus dem Spanischen Staat, Frankreich und Deutschland in Barcelona. // Von Lilly Freytag, Resa Luxemburg und Tabea Winter //
Wie habt ihr angefangen mit Pan y Rosas?
Pan y Rosas wurde ursprünglich 2003 in Argentinien gegründet. Später formten sich Gruppen in Chile, Brasilien und Mexiko. Mit uns hat Pan y Rosas einen Sprung auf einen anderen Kontinent gemacht. Am Anfang stand unsere gemeinsame ideologische Ausbildung. Wir haben das Buch „Pan y Rosas“ von Andrea D’Atri gelesen und haben Workshops und Vorträge an der Uni organisiert. Auch die Lektüre eines Buchs von Wendy Goldman zur Frauenpolitik in der Sowjetunion nach der Revolution war wichtig für uns. Wir haben eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen gemacht und sind für das Recht auf Abtreibung auf die Straße gegangen. Pan y Rosas wurde von der Gruppe Clase contra Clase angestoßen, sollte aber ein breites Angebot für Frauen sein, die revolutionäre Frauenpolitik mit uns machen wollten.
Und wie ging es dann weiter?
Im zweiten Jahr ging dann der Streik bei Panrico los und damit hat die Gruppe einen riesigen Sprung gemacht. Als die ArbeiterInnen bei Panrico in den Streik traten, war klar, dass wir sie unterstützen mussten. Der Streik bei Panrico war unsere wichtigste Schule. Wir waren jeden Tag bei den Streikposten und haben unser Leben um den Kampf herum organisiert – unsere Unikurse, wann wir essen und schlafen, alles.
Dadurch, dass wir jeden Tag da waren, haben wir uns das Vertrauen der ArbeiterInnen gewonnen. Wir waren einfach sehr viel da und haben den Frauen anfangs vor allem Fragen gestellt. Irgendwann haben wir dann auch angefangen, die Antworten in Form von Interviews festzuhalten. Wir haben mit ihnen nicht nur zu Fragen des Streiks selbst geredet, sondern auch über ihren Alltag als Arbeiterinnen zu Hause – über die Hausarbeit, die Rollenverteilung in ihren Familien und ihre ökonomischen und sozialen Probleme.
Gleichzeitig mit dem Streik wollte die Regierung die Abtreibung verbieten. Sie haben uns dann geschildert, wie das Verbot von Abtreibung Frauen der ArbeiterInnenklasse besonders trifft. Wir haben viel voneinander gelernt und es war faszinierend zu sehen, welche Entwicklung die Frauen im Streik durchmachten.
Was habt ihr getan, um die ArbeiterInnen konkret zu unterstützen?
Wir haben sie ganz viel mit an die Uni genommen, sind dort mit ihnen durch die Kurse gegangen, haben Veranstaltungen mit ihnen an der Uni organisiert und haben so Geld für die Streikkasse gesammelt. Gleichzeitig sollten an der Uni die Studiengebühren erhöht werden und wir haben immer wieder betont, wie wichtig es ist, die Kämpfe zusammenzuführen. Denn es sind vor allem die Studierenden aus der ArbeiterInnenklasse, denen die Studiengebühren das Leben schwer machen.
Wir als Pan y Rosas haben außerdem versucht, den Streik bei Panrico bekannter zu machen und zu stärken, indem wir immer wieder auf die Rolle und Bedeutung der Frauen im Streik hingewiesen waren – wir waren die einzigen, die das gemacht haben.
Hattet ihr damit Erfolg?
Die Frauen von Panrico waren von zentraler Bedeutung für den Kampf. Anfangs haben sie sich noch zurückgehalten, aber sie sind immer mutiger geworden und standen am Ende in der ersten Reihe gegen die Polizei. Wir sind mit ihnen nach Madrid gereist und haben dort ein Treffen von kämpferischen Arbeiterinnen organisiert – die streikenden Arbeiterinnen von Panrico und Coca Cola haben sich dort getroffen und diese Verbindung war sehr wichtig. Sie haben sich als Teil eines gemeinsamen Kampfes begriffen. Es war sehr bewegend und emotional.
Was habt ihr mit den Arbeiterinnen politisch diskutiert?
Wir haben mit ihnen darüber diskutiert, wie der Streik zu führen und zu gewinnen ist. Aber eben auch über ihre Rolle als Frauen der ArbeiterInnenklasse und als Frauen im Streik. Auch im Streik selbst war die Rollenverteilung wie gesagt anfangs noch sehr reaktionär. Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Sie sind auch zu unseren Veranstaltungen an der Uni gekommen und waren zum Beispiel bei der Buchvorstellung von dem Buch „Pan y Rosas“. Da haben wir mit ihnen über Unterdrückung und Ausbeutung diskutiert.
Es kam zu der Zeit auch ein Buch von Silvia Federici raus, in dem sie Lohn für Hausarbeit fordert. Das Kommentar der Arbeiterinnen dazu war, dass es nicht ausreichen würde, Lohn für Hausarbeit zu erhalten. Sie sagten, dass die Hausarbeit sozialisiert werden muss, damit die Frauen befreit werden. Und sie haben das sehr stark auch auf ihren eigenen Alltag bezogen.
Die Arbeiterinnen von Panrico waren auch mit Euch bei der Demo zum Frauenkampftag. Was war das für eine Erfahrung?
Unser Ziel ist es, die ArbeiterInnenbewegung und die feministische Bewegung wieder zusammenzuführen, weil beide miteinander kämpfen müssen, um den Kapitalismus und die Frauenunterdrückung zu beenden. Viele Probleme der Frauen betreffen Frauen der ArbeiterInnenklasse ganz besonders stark. Unser Ziel war es, dass die Frauen der ArbeiterInnenklasse beim 8. März, dem Frauenkampftag, mit ihren eigenen Forderungen sichtbar werden – als Frauen und als Arbeiterinnen gleichzeitig. Wir wurden dafür kritisiert, Workeristinnen zu sein. Dabei ist das hier total absurd. Wir wollen ja gerade dazu beizutragen, dass der Streik sich nicht auf die engsten Grenzen der Forderungen des Streiks beschränkt, sondern darüber hinaus gehende politische Forderungen aufgestellt werden und mit dem Streik verbunden werden.
Die Arbeiterinnen und Arbeiter von Panrico haben den Konflikt auf eine andere Ebene gehoben, indem sie zum 8. März gekommen sind. Es waren 60 bis 70 von ihnen und sie waren laut und kämpferisch. Sie wurden von den OrganisatorInnen der Demo in die erste Reihe geholt, weil sie so laut und sichtbar waren. Und uns von Pan y Rosas haben die ArbeiterInnen mit nach vorne geholt. Dieser Auftritt hat nicht nur uns sehr beeindruckt. Sie waren überall in den Medien und wir wurden gemeinsam mit den Arbeiterinnen unter anderem zu einer sehr akademischen Veranstaltung an der Uni eingeladen, um dort zu reden.
Und nicht nur beim Frauenkampftag waren die ArbeiterInnen von Panrico präsent. Auch bei einer Demo gegen Gewalt an Frauen, bei den Mobilisierungen gegen das Abtreibungsverbot und einer Kundgebung gegen transphobe Gewalt, die wir organisiert haben.
Was habt ihr aus eurer Arbeit in dem Streik bei Panrico gelernt?
Die Interviews waren ein sehr wichtiges Mittel, um miteinander in Gespräch zu kommen, Denkprozesse anzustoßen und selbst viel über das Leben und die Realitäten der Frauen zu lernen. Außerdem war es sehr wichtig für uns, die Streikenden an die Uni zu bringen, um ihren Kampf bekannt zu machen und Solidarität konkret werden zu lassen. Dass wir als ganze Gruppe fast immer präsent waren und Kampagnen wie „Ein Student, ein Euro für Panrico“ gemacht haben, um die Streikkasse zu unterstützen, war auch sehr wichtig, weil wir gezeigt haben, dass wir es ernst meinen mit unserer Solidarität.
Was macht ihr jetzt, wo der Streik vorbei ist?
Wir unterstützen den Kampf der ArbeiterInnen bei Movistar – und haben dabei nochmal gemerkt, wie viel wir bei Panrico gelernt haben. Außerdem machen wir Veranstaltungen, Lesekreise und Plakataktionen an der Uni, diskutieren mit anderen feministischen Gruppen und gehen zu Demos, wie zu Beispiel zur LGBT Pride Parade in Barcelona.