Der Staat hat kein Problem mit Terror, solange er rechts ist
In Zeiten der inneren Aufrüstung und „Bekämpfung des islamistischen Terrorismus“ breitet sich rechter Terror ganz ungestraft aus. Er ist tief verankert in den Institutionen des bürgerlichen Staates.
Seit dem 1. Januar 2015 gab es 5026 Angriffe auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte in Deutschland. Davon waren 256 Brandanschläge auf Unterkünfte. Die Anzahl sonstiger Angriffe auf Unterkünfte, wie zum Beispiel Schmierereien, ist deutlich höher. All das zusammen ist ein Bild des alltäglichen rechten Terrors gegen Geflüchtete.
Von dem NSU zur AfD
Besonders viele Anschläge gab es im letzten Quartal 2015 und im ersten Quartal 2016. Ansporn für die rechten Anschläge ist auch die rechte Hetze auf allen Kanälen. In diesem Zeitraum konnte sich die nach dem Essener Parteitag 2015 angeschlagene und weiter nach rechts gerückte AfD wieder stabilisieren und erlebte einen steilen Aufstieg. In diesem Zeitraum machte Höcke mit rassistischen Aussagen von sich hören. Frauke Petry quatschte was von einem Schießbefehl. Pegida hatte in Dresden die letzte große Demo.
Die Akzeptanz und Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit fördert auch das Ausüben von bewusstem und unbewusstem Rassismus.
Aufgeklärt werden rassistische Anschläge kaum, Verurteilungen sind noch seltener. Angriffe auf Unterkünfte, die darüber hinaus auch noch oft abgelegen eingerichtet werden, erfolgen meist nachts. Von den Nachbar*innen haben manche ausgerechnet in diesem Moment die Augen zugekniffen. Einige (versuchte) Anschläge werden der Öffentlichkeit erst nach parlamentarischen Anfragen bekannt.
Schwierigkeiten bei der Aufklärung rechter Anschläge hat allerdings Tradition in Deutschland. Nach jahrelangem Morden flog der NSU Ende 2011 auf. Bis dahin waren die Ermittlungen katastrophal verlaufen. Was danach aufgedeckt wurde, ist erschreckend. Bis heute kommen neue Skandale aus Verfassungsschutz, Polizei und Justiz ans Licht, welche gemeinsam die Aufklärung behindern.
Nazis mit neuem Selbstbewusstsein
Im Gegensatz zu jener Zeit, in der der NSU aktiv war, gibt es seit einigen Jahren eine deutlich breitere, in der Öffentlichkeit auftretende Rechte. In dem Klima, das sie schuf, entstanden weitere rechte Terrororganisationen. Die bekanntesten Fälle sind die „Old School Society“ und die „Bürgerwehr Freital“. Letzterer gelang es, Anschläge durchzuführen.
Terror besteht aber nicht nur aus Anschlägen auf einzelne Punkte. Er bedeutet Angst sowie Angriffe auf ganze Gebiete. Auch der Angriff auf den linken Leipziger Stadtteil Connewitz steht in der Tradition des rechten Terrors. Es ist kein Zufall, dass der Angriff Anfang 2016 erfolgte. Die Nazis sind stark genug geworden, einen linken Stadtteil anzugreifen.
Politiker*innen werden bedroht oder angegriffen, wie etwa die damalige Kandidatin zur Kölner Oberbürgermeister*innenwahl, Henriette Reker. Es gibt Anschläge auf Büros linker Parteien und Gruppen. Auch engagierte Menschen aus karitativen und bürgerlicheren Kreisen werden zunehmend bedroht. Besonders deutlich spielte sich dieses Phänomen in Berlin-Neukölln ab, wo seit Monaten Gewerkschafter*innen, linke Läden, Antifaschist*innen und linke Politiker*innen rechten Attacken ausgesetzt sind.
Kein Einzelfall, sondern das System
Den jüngsten Höhepunkt fand diese Entwicklung jedoch im Falle des rechtsextremen Bundeswehr-Soldaten „Franco A.“, der am Wiener Flughafen mit einer Schusswaffe festgenommen wurde. Er hatte sich 2015 als syrischer Geflüchteter ausgegeben – sein Asylantrag wurde angenommen und er bezog sogar Hilfeleistungen vom Staat und erhielt einen Platz in einem Erstaufnahmelager. Seine den Behörden bekannten fremdenfeindlichen Ansichten legen nahe, dass er einen Anschlag begehen wollte, der daraufhin einem Geflüchteten untergejubelt werden würde.
Auch bei dem Anschlag auf einen Mannschaftsbus von Borussia Dortmund vor wenigen Wochen wurde zuerst überall von einem „islamistischen Terroranschlag“ gesprochen, obwohl die Tat aktuellen Ermittlungen zufolge begangen wurde, um Börsengewinne zu machen.
Die öffentliche Debatte nach der Festnahme des Bundeswehr-Offiziers offenbart den ganzen Zynismus der reaktionären politischen Elite. Ständig wird vom Staat mit den „Kosten“ und einer angeblichen „Überlastung“ der Staatskassen infolge der angestiegenen Migrationsbewegungen eine fremdenfeindliche Politik der Abschottung an den Grenzen, Einschneidung von Rechten im Inneren und Abschiebungen selbst nach Afghanistan gerechtfertigt. Doch als klar wurde, dass ein rechtsextremer Soldat für seine perfiden Ziele das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) überlisten konnte und sogar Bezüge erhielt, wurde zuerst gefordert, die Kontrollen von Geflüchteten zu verschärfen und sogar alte Asylanträge erneut durchzugehen. So sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, man „werden jetzt jeden Stein umdrehen“ – er will also alle Geflüchteten überprüfen. Statt den versuchten rechten Terroranschlag zu thematisieren, wird dieser genutzt, um Geflüchtete noch mehr zu kriminalisieren.
Neben dem Verfassungsschutz und der Justiz ist offensichtlich auch die Bundeswehr „auf dem rechten Auge blind“. Dass ähnliches auch für die Polizei gilt, zeigen nicht zuletzt die zahlreichen Fälle von rechtsextremen „Reichsbürger*innen“, die im ganzen Bundesgebiet bei der Polizei arbeiten. Es handelt sich bei rechten Angriffen nicht um vereinzelte Fälle, sondern um ein strukturelles Problem der Institutionen des bürgerlichen Staates – und besonders der Repressionsorgane –, in denen fremdenfeindliches, nationalistisches und rassistisches Gedankengut toleriert wird und gut gedeiht.
Deshalb kann die aktuelle Welle rechten Terrors nicht mit der Unterstützung des bürgerlichen Staates aufgehalten werden. Es braucht eine kämpferische antirassistische, antifaschistische und internationalistische Bewegung, die gegen die AfD, Pegida und Co. und die Abschiebungs- und Abschottungspolitik der Bundesregierung auf die Straßen mobilisiert.