Der Kampf von trans Menschen und Arbeiter:innen kann nur gemeinsam erfolgreich sein

12.03.2023, Lesezeit 8 Min.
1
Foto: Ayrin Giorgia / Klasse gegen Klasse

Immer wieder wird auch von vermeintlich linken und sogar feministischen Einzelpersonen gegen trans Menschen gehetzt. Zuletzt in einem reaktionären Shitstorm gegen Elisa Nowak. Wir solidarisieren uns mit Elisa und wollen anhand eines Beispiels aufzeigen, wie der Kampf von Arbeiter:innen und trans Menschen gemeinsam geführt werden kann.

Dass ein Teil der feministischen Szene zusammen mit Neu-Rechten und Konservativen einen transfeindlichen Shitstorm organisiert, scheint absurd. Nichtsdestotrotz ist die Absurdität im Zuge des feministischen Kampftags zur Realität geworden. Getroffen hat es dieses Mal Elisa Nowak, Philosophie-Studierende aus Konstanz und Autor:in für den Freitag und Klasse gegen Klasse. They hat in einem Tweet geschrieben, dass sogenannte TERFs (Trans-Exclusionary Radical Feminists; dt. „Trans-ausschließende radikale Feministinnen) nichts beim feministischen Kampftag, dem 8. März, verloren haben. Daraufhin kamen nicht nur Radikalfeminist:innen aus ihren Löchern gekrochen, um eine unfassbar reaktionäre Mobbingkampagne loszutreten, sondern sie haben darüber hinaus auch ihre neu-rechten und konservativen Mitstreiter:innen auf den Plan gerufen. Elisa wurde abgesprochen, nicht-binär zu sein, they wurde aufs Übelste beschimpft, Lügen und haltlose Unterstellungen wurden verbreitet und nicht zuletzt führten die Meldungen auf Twitter dazu, dass der Tweet mit dem Hinweis auf Volksverhetzung (§ 130 StGB) gesperrt wurde. Das Ziel solcher hinterhältigen Mobbingattacken ist es, Einzelpersonen zu isolieren, zu erniedrigen und sie durch Einschüchterung in die Inaktivität zu treiben. Wir solidarisieren uns dagegen ausdrücklich mit Elisa und rufen alle ernsthaft feministischen und linken Gruppen auf, es uns gleich zu tun.

Vom Kampf für trans Toiletten bis zur Fabrikbesetzung!

Für uns geht der Kampf gegen behindertenfeindliche, sexistische, rassistische oder auch transfeindliche Unterdrückung und der Kampf der Arbeiter:innen Hand in Hand. Sie stehen für uns nicht im Widerspruch, sondern sind nur umso stärker, wenn sie sich vereinen. Ein Beispiel einer Fabrik in Argentinien zeigt uns, dass die Arbeiter:innen, wenn sie für gleiche Rechte für alle eintreten, auch für ihre eigenen Interessen kämpfen. Die Donnelley-Fabrik nördlich von Buenos Aires wurde im August 2014 unter Arbeiter:innenkontrolle verstaatlicht. Das US-amerikanische Unternehmen Donnelley wurde enteignet und die Fabrik in eine Genossenschaft namens Madygraf umgewandelt, nachdem die Arbeiter:innen einen erfolgreichen Kampf gegen die Entlassung eines knappen Drittels der Belegschaft führten. Dies war jedoch nur durch den langen Prozess der Selbstorganisierung innerhalb der Belegschaft möglich. In einem Artikel für unsere US-amerikanische Schwester-Zeitung Left Voice (Linke Stimme) schreibt Nathaniel Flakin darüber:

Ein wichtiger Schritt in diesem Prozess war der Kampf für die Rechte einer transgender Kollegin. Die Chefs verfolgten eine sexistische Politik, indem sie nur Männer für die Arbeit an den Druckpressen einstellten. Eine Mitarbeiterin war eine trans Frau und hatte die Stelle nur bekommen, weil sie Männerkleidung trug – ein Zeichen für die wirtschaftliche Verzweiflung, die trans Menschen dazu zwingt, zwischen einem Einkommen, das zum Überleben reicht, und der Möglichkeit, ihre Identität auszudrücken, zu wählen. Als sie zum ersten Mal in normaler Kleidung zur Arbeit kam, hatten die Chefs etwas dagegen. Sie versuchten, sie daran zu hindern, die Damentoilette zu benutzen (die den Angestellten vorbehalten war), und zwangen sie, sich mit den Männern umzuziehen.

Der Betriebsrat trat in Aktion und argumentierte gegen Queerfeindlichkeit in einer Versammlung, die dafür stimmte, das Recht ihrer Kollegin zu unterstützen, ihre Geschlechtsidentität auszudrücken. Da es bei Donnelley keine Umkleideräume oder Toiletten für Frauen gab, forderte der Betriebsrat, dass diese eingerichtet werden. Außerdem forderten sie, dass die transgender Mitarbeiterin die Damentoilette benutzen darf.

Wie war es also möglich, dass eine männliche Belegschaft, unter der Mackertum keine Seltenheit war, sich für die Rechte von trans Personen einsetzte? Unsere argentinische Schwesterpartei, die Partei der sozialistischen Arbeiter:innen (PTS), ist seit vielen Jahren bei Donnelley aktiv. Unsere Genoss:innen bauten eine antibürokratische, klassenkämpferische Tendenz in der Belegschaft auf, die eine Mehrheit im Betriebsrat gewann. Sie vertreten dabei nicht nur die Prinzipien der Unabhängigkeit der Arbeiter:innen vom Staat und den Bossen, sowie das der Arbeiter:innendemokratie, sondern auch die des sozialistischen Feminismus, der sich auch auf die Seite von trans Personen stellt. Jahrelange Diskussionen zwischen Trotzkist:innen und Arbeiter:innen machten es möglich, dass die Kolleg:innen verstanden, dass sie gegen jede Art von Unterdrückung kämpfen mussten. Mit dem Sieg gegen ihre Chefs in der Frage der trans Rechte gewannen die Arbeiter:innen Vertrauen in ihre eigene Stärke und verstanden die Notwendigkeit, gemeinsam zu kämpfen. Dabei war es auch nicht so, dass der Kampf der Arbeiter:innen für trans Rechte sie von ihrem „eigenen“ Kampf abgelenkt hat, wie es oft von selbsternannten Kritiker:innen „skurriler“ Minderheiten behauptet wird. Die Unterdrückung spaltet die Arbeiter:innenklasse, der Kampf gegen die Unterdrückung eint sie. Die Arbeiter:innen konnten im Kampf für die Rechte ihrer transgender Kollegin ihren Zusammenhalt und ihr Selbstvertrauen so stärken, dass sie auch den Kampf gegen die Entlassungen und die Bosse mehr als erfolgreich führten.

Radikalfeminist:innen, Konservative und Rechte

Wir sehen, dass die Verbindung von Selbstorganisation mit politischen Fragen die Arbeiter:innenbewegung nur stärken kann. Weder ist die Arbeiter:innenbewegung per se transfeindlich noch hilft es, Fragen der Unterdrückung zu überspringen, um die Bewegung dadurch vermeintlich breiter zu machen. Ganz im Gegenteil muss uns dieses Beispiel der Kolleg:innen bei Madygraf motivieren, die Thematik der Unterdrückung noch stärker in Streiks und Arbeitskämpfe einzubringen und sie damit zu politisieren.

Die Radikalfeminist:innen sehen das anders. Auch wenn es sicherlich viele Nuancen im Radikalfeminismus gibt, bestehen einige grundlegende Differenzen zum sozialistischen Feminismus. Für sie ist der Kampf der Arbeiter:innen, Frauen und Queers kein gemeinsamer, sondern sie sehen den Hauptwiderspruch zwischen Männern und Frauen. Dabei legen sie eine starre Vorstellung von Geschlecht an den Tag, die eng an körperliche Merkmale gebunden ist. Wider wissenschaftlicher Forschung und Erkenntnis leugnen sie das gesamte Spektrum zwischen den Polen von Mann und Frau. Wenn nur Frauen das Subjekt ihrer Politik sind, dann müssen sie die Existenz queerer Identitäten in letzter Konsequenz ausschließen und leugnen, um ihren Hauptwiderspruch zu verteidigen. Daraus ergibt sich eine mehr oder weniger verdeckte Transfeindlichkeit, die von der Aberkennung der eigenen Identität bis zu physischer Gewalt reicht.

Eine solche Transfeindlichkeit legen auch der bürgerliche Staat und die Kapitalist:innen an den Tag, wenn sie durch das reaktionäre Konzept der Kleinfamilie letztendlich auch keine Identität beziehungsweise kein Geschlecht zwischen Mann und Frau anerkennen und sogar noch von der Diskriminierung von trans Menschen profitieren. Beispielsweise werden trans Personen durch die Nichtumsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes und dem Festhalten am reaktionären „Transsexuellengesetz“ auch im Jahre 2023 schikaniert und von dem Recht auf Selbstbestimmung ausgenommen. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz wäre es für transgeschlechtliche, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen einfacher und unbürokratischer, Namen und Geschlechtseintrag ändern zu lassen. Doch auch hier zeigt sich die Verbindung von TERFs und bürgerlicher Ideologie:

Was harmlos klingt, würde das Leben vieler trans Personen bereits erheblich erleichtern und wird dennoch zu einer scheinbar unüberwindbaren Hürde stilisiert. Mit abwegigsten Behauptungen wie dem Erschleichen von Vorteilen, der permanenten Hin- und Her-Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen sowie dem vermeintlichen Verlust von Schutzräumen für Cis-Frauen, also Frauen denen ihr Geschlecht bei der Geburt richtig zugewiesen wurde, wird dagegengehalten; und das nicht nur von Vertreter:innen eines „Trans-Exclusionary Radical Feminism“ (TERF), sondern auch im Familien- und Justizministerium.So erklärt Justizminister Marco Buschmann (FDP)allen Ernstes, dass das Gesetz zwischen den beiden Ministerien aufgrund von Detailfragen festhänge.

Eine Ähnlichkeit besteht auch zu rechten Positionen, die die bürgerliche Kleinfamilie bis zum Äußersten verteidigen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass TERFs sich Strategien und Methoden der Rechten zu eigen gemacht haben. Die hinterhältige Mobbingattacke gegen Elisa von TERFs hat offensichtlich so gut zu der Vorgehensweise der Neuen Rechten und Konservativen gepasst, dass sie sich sogleich angeschlossen haben. TERFs und Rechte eint, dass sie bereits unterdrückte Minderheiten von oben herab behandeln, um ihren Standpunkt so zu sichern. Wir als revolutionäre Sozialist:innen vertreten das fundamentale Gegenteil davon. Wir buckeln weder nach oben noch treten wir nach unten. Unser Kampf schließt die Rechte und Würde aller Unterdrückten ein. Wir sehen nicht stillschweigend zu, wenn Teile der Klasse oder unserer Genoss:innen fertig gemacht werden. Gegen die Isolierung, die TERFs und Rechte mit ihren Shitstorms zu erreichen versuchen, setzen wir unsere Solidarität und den gemeinsamen Kampf aller Arbeiter:innen und Unterdrückten. Nieder mit der transfeindlichen Hetze, egal ob von Pseudofeminist:innen, Bürgerlichen oder Rechten! Volle Solidarität mit Elisa!

Mehr zum Thema