Der Geist des Dritten Reiches in der Bundeswehr: Von Beginn an, bis heute
Nachdem die Pläne des mutmaßlichen Rechtsterroristen Franco A. aufgeflogen waren, diskutiert Deutschland über rechte Umtriebe in der Bundeswehr. Doch ein Blick in die Geschichte lohnt sich, denn eine „saubere“ Bundeswehr hat es nie gegeben.
Die Verstrickungen von Personen aus dem Umfeld der Bundeswehr in rechte und zudem teils terroristische Strukturen reißen nicht ab. So wurde vor wenigen Tagen ein weiteres Kapitel um den rechtsradikalen Bundeswehrsoldaten Franco A. bekannt, der im April 2017 wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verhaftet wurde. Demnach soll ein Mitarbeiter des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) Verdächtige, die Franco A. nahe standen, vor möglichen Ermittlungsverfahren gegen sie gewarnt haben. Diese Verdächtigen sollen nicht nur über Waffendepots und Treibstofflager verfügt haben, sondern wollten verhasste Politiker*innen, vor allem der Grünen und Linken, „an einen Ort mit Tötungsabsicht bringen“.
Dass es immer wieder die Bundeswehr und ihr nahe stehende Organisationen sind, die mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht werden, ist jedoch keineswegs ungewöhnlich. Schließlich war es der Geist des Dritten Reiches, der von Beginn an die Strukturen der Bundeswehr bestimmte – und sie bis heute bestimmt.
Wiederbewaffnung in der Ära-Adenauer
Möchte man die Gemeinsamkeit zwischen Bundeswehr und rechter Tradition begreifen, so kommt man nicht umher, zuerst einen Blick auf die Ära-Adenauer zu werfen. Denn unter Konrad Adenauer, der von 1949 bis 1963 erster Bundeskanzler der BRD war, sollte die Wiederbewaffnung Deutschlands, und damit der Aufbau einer militärischen Streitkraft, maßgeblich organisiert werden. So gab es bereits 1950, also nur fünf Jahre nach Ende der nationalsozialistischen Diktatur und nach Ende des von Deutschland verursachten Zweiten Weltkriegs, Verhandlungen zwischen Adenauer und der amerikanischen Regierung unter Harry Truman, die eine westdeutsche Militarisierung vorsahen. Dabei sprach sich der Bundestag in der ersten außenpolitischen Debatte im November 1949 noch gegen eine nationale Wiederbewaffnung aus.
Adenauer aber verfolgte seine Pläne bezüglich der Bindung der BRD an die westlichen Staaten und damit der Wiederbewaffnung sehr konsequent und teils im Alleingang. Als es zwischen 1949 und 1955 immer wieder zu Protesten und großen Demonstrationen gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands kam, startete er Kampagnen, um seine Gegner*innen zu diskreditieren. Ganz im ideologischen Sprech des Kalten Krieges bezeichnete er diese als Gehilf*innen Moskaus. Der Widerstand gegen die Wiederbewaffnung forderte sogar Tote. So wurde der Arbeiter und Kommunist Philipp Müller am 11. Mai 1952 auf einer Demonstration gegen Militarismus durch die Polizei getötet.
Hilfe durch die alte Garde
Adenauer setzte bei der Wiederbewaffnung Westdeutschlands aber nicht nur auf die Mithilfe der Alliierten, sondern wandte sich außerdem einem Kreis ehemaliger verdienter Wehrmachtssoldaten zu, die im Oktober 1956 die sogenannte Himmeroder Denkschrift verfassten, eine Art Blaupause für ein kommendes deutsches Wehrkontingent. Unter ihnen acht Generale, zwei Admirale und fünf Stabsoffiziere, Personalien also, die nur wenige Jahre zuvor noch höchste Positionen im NS-Staat einnahmen. Parallel dazu formierten sich erste Ansätze eines Verteidigungsministeriums. Dazu erhielt Adenauer von Mai bis Oktober 1950 zunächst beratende Unterstützung von Gerhard Graf von Schwerin, der zuvor General der Panzertruppe der Wehrmacht war. Ab Oktober 1950, als Graf zu Schwerin wegen Weitergabe sensibler Informationen an die Presse entlassen wurde, bis zur Gründung des Verteidigungsministeriums 1955, nahm sich schließlich das „Amt Blank“, die umgangssprachlich nach Theodor Blank benannte Vorgängerorganisation des Verteidigungsministeriums, dieser Aufgabe an. Im Amt arbeiteten ehemalige Wehrmachtsgenerale wie Adolf Heusinger, Hans Speidel oder Heinz Trettner.
Schließlich sollten ehemalige Soldaten, die für den NS-Staat kämpften, aber nicht nur beim Wiederaufbau der militärischen Institutionen dienen, sondern auch für die zukünftigen Streitkräfte selbst gewonnen werden. Möglich war dies durch die sogenannte Ehrenerklärung für die Soldaten der Wehrmacht im Januar 1951. Ehemalige Wehrmachtsangehörige konnten somit in die neuen Streitkräfte eingebunden werden. 1952 wurde die Ehrenerklärung sogar für ehemalige Soldaten der Waffen-SS erweitert. Die Vergangenheit der Soldaten wurde somit kurzerhand als unwesentlich erklärt.
Am 5. Mai 1955 wurde dann offiziell die Bundeswehr gegründet und damit die Wiederbewaffnung der BRD vollzogen. Die Idee, die neuen Streitkräfte „Bundeswehr“ zu nennen, geht auf Hasso von Manteuffel zurück, der selbst General der Panzertruppe bei der Wehrmacht war und seit 1949 der FDP angehörte.
Gebirgstruppe: Kriegsverbrecher zurück in Ehre und Würde
Besonders deutlich werden die Kontinuitäten des Dritten Reiches auch bei der 1956 gegründeten Gebirgstruppe der Bundeswehr. Denn ehemalige Kommandeure der Gebirgstruppe der Wehrmacht sollten auch hier ihre Positionen und ihre Arbeit unbehelligt fortsetzen dürfen. Man war nämlich auch auf die „Erfahrungen“ dieser Kommandeure beim Wiederaufbau angewiesen.
Dies wiegt angesichts der unzähligen Kriegsverbrechen, welche die Gebirgstruppen der Wehrmacht in ganz Europa verübten, besonders schwer. Denn unter den alten Wehrmachts-Kommandeuren, die man nun um Hilfe bat, waren neben Reinhold Klebe, der das Massaker von Kommeno (Griechenland) zu verantworten hat, bei dem 317 Menschen im August 1943 ermordet wurden, und Michael Pössinger, der ebenfalls in Massaker wie in Kefalovrisa (Griechenland) verwickelt war, auch Karl Wilhelm Thilo, ehemals Generalstabsoffizier der Wehrmacht, der es für „Ehrenabschneiderei“ hielt, dass die besonderen Leistungen der Gebirgsjäger der Wehrmacht nicht anerkannt werden.
Rechte Traditionen bis heute
Die positiven Bezüge auf sowie der laxe Umgang mit der Vergangenheit der Bundeswehr zeigen ihre Auswirkungen bis in die heutige Zeit. So gab es in Mittenwald bis 2012 noch eine General-Konrad-Kaserne, benannt nach Rudolf Konrad, strammer Antisemit und ehemaliger General der Gebirgstruppe der Wehrmacht. Bis heute zeigt die Außenwand der Kaserne in Mittenwald außerdem einen Reichsadler und ein Fresko von vier Wehrmachtssoldaten. In Augustdorf steht bis heute eine Kaserne, die nach Erwin Rommel, Generalfeldmarschall im Dritten Reich, benannt wurden. In vielen Kasernen werden immer noch Militaria, wie Helme, Waffen und Orden, ausgestellt und manche Soldat*innen sind in Vetaran*innen- und Krieger*innenvereinigungen organisiert, die jährlich Gedenkfeiern „für die gefallenen Kameraden“ der beiden Weltkriege abhalten. Auch hier wird sich mitunter positiv auf das Vergangene bezogen und Verstrickungen in Kriegsverbrechen totgeschwiegen – wie jedes Jahr bei der Brendtenfeier in Mittenwald oder dem Kretagedenken in Bad Reichenhall, um nur die bekanntesten zu nennen. Selbst der MAD berichtet, dass im Jahre 2017 rund 400 Bundeswehrsoldat*innen ausgemacht wurden, die als rechtsextrem einzustufen sind.
An dieser Situation wird auch der seit Anfang dieses Jahres neu verfasste Traditionserlass der Bundeswehr nichts ändern, der als Reaktion auf die rechten Terrorpläne des Bundeswehroffiziers Franco A. eingeführt wurde und sich noch deutlicher als der Traditionserlass von 1982 von der Wehrmacht abgrenzen soll. Als es im Zuge dessen, aber bereits wenige Jahre zuvor, eine Reihe von Namensänderungen von Bundeswehrkasernen gab und Bilder der Wehrmacht in den Kasernen abgehängt wurde, gab es teils heftige Proteste von Soldat*innen, die sich die Tradition nicht nehmen lassen wollen. Der Fall rund um Franco A. stellt daher nur den aktuellen Höhepunkt dar. Das es angesichts der Normalisierung positiver Äußerungen über die Wehrmacht und die Zeit des Nationalsozialismus im Allgemeinen aus den Reihen der AfD und die stetigen Verstrickungen von Personen aus dem Umfeld der Bundeswehr mit rechten Organisationen und Formierungen noch weitere Vorfälle geben wird, steht eigentlich jetzt schon fest.