Der deutsche Staat ist Komplize in der Unterdrückung der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung! Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Spätestens mit der Verhaftung von Carles Puigdemont am Sonntag mittag wurde die Komplizenschaft des deutschen Staates im Versuch der Zerschlagung der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung deutlich. Internationale Solidarität heißt deshalb, große Mobilisierungen zur Unterstützung der Bewegung in Katalonien zu organisieren – und die Justiz und die Regierung hier in Deutschland zur Freilassung Puigdemonts zu zwingen.
Am Sonntagvormittag wurde Carles Puigdemont, ehemaliger Regionalpräsident Kataloniens, von der schleswig-holsteinischen Polizei festgenommen. Am Montag wurde er dem Amtsrichter in Neumünster vorgeführt, der seine Untersuchungshaft wegen „Fluchtgefahr“ bis zum Urteil über seine Auslieferung an den Spanischen Staat verlängerte. Laut Gesetz gibt es nun 60 Tage Zeit, bis das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht über die Auslieferung entscheiden muss. Doch auch wenn aufgrund der politischen Brisanz des Falls ein schnelleres Urteil angestrebt werden sollte, wird es wohl frühestens nach Ostern soweit sein. Mindestens bis dahin muss Puigdemont in der JVA Neumünster bleiben.
Puigdemont wurde – mit Hilfe des spanischen Geheimdienstes, der ihn verfolgte – auf der Grundlage eines internationalen Haftbefehls festgenommen, der von der spanischen Regierung mit dem Vorwurf der „Rebellion“ und der „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ erlassen wurde. Schon seit Oktober befindet sich Puigdemont im Exil, da ihm bei einer erneuten Einreise in den Spanischen Staat eine Gefängnisstrafe von bis zu 30 Jahren droht. Im Dezember hatte das Oberste Gericht im Spanischen Staat den Haftbefehl zurückgezogen, ihn dann aber am vergangenen Freitag neu ausgestellt.
Puigdemont ist jedoch nicht der einzige, der erneut in den Fokus der spanischen Justiz geriet: Fünf weitere Mitglieder des Regionalparlaments wurden am Freitag unter ähnlichen Vorwürfen ohne Möglichkeit einer Kaution verhaftet, eine weitere – Marta Rovira – flüchtete ins Ausland.
Klima der Repression
Diese neuen Haftbefehle wurden gestellt, um eine mögliche Regierungsbildung im katalanischen Parlament zu unterbinden, die am Samstag stattfinden sollte. Die spanische Krone, die PP-Regierung und die Justiz wollen also mit allen Mitteln eine erneute Pro-Unabhängigkeits-Regierung in Katalonien verhindern.
Und das, obwohl die katalanische Bevölkerung in einem Referendum am 1. Oktober ihren Willen zur Unabhängigkeit erklärt und dies mit Generalstreiks am 3. Oktober und am 8. November unterstrichen hat, und obwohl die vom spanischen Zentralstaat aufgezwungenen Neuwahlen am 21. Dezember erneut eine Mehrheit für das Pro-Unabhängigkeits-Lager ergeben haben – trotz der gewalttägigen Repression der Vormonate.
Die erneuten Haftbefehle sind ein weiterer Schritt der Eskalation der Repression gegen die demokratische Bewegung in Katalonien, welche zu einer seit Jahrzehnten beispiellosen Bonapartisierung des spanischen Regimes geführt hat. Die Repression trifft aber nicht nur Politiker*innen: Selbst Musiker*innen, Twitter-Benutzer*innen oder Schauspieler*innen bekommen hohe Geld- und sogar Haftstrafen für ihre Meinungsäußerung. Bei Protesten gegen die Verhaftung der Politiker*innen in Barcelona und an anderen Orten Kataloniens wurden dutzende Menschen durch harte Polizeirepression verletzt.
Deutsche Komplizenschaft
Der deutsche Staat agiert als schamloser Komplize in dieser empörenden Unterdrückung elementarer demokratischer Rechte. Schon mit der Befolgung des Haftbefehls legitimiert der deutsche Staat diesen antidemokratischen Vorgang. Sollte Puigdemont ausgeliefert werden, wäre dies eine unverhohlene Unterstützung von Seiten des wichtigsten Landes der EU für den unsäglichen Repressionskurs des zentralspanischen Regimes. Tatsächlich ist diese Haltung der deutschen Regierung nur allzu bekannt. Schon im Herbst hatte sie sich hinter die Repression von Seiten des Spanischen Staats gestellt.
Besonders zynisch ist, wie sich die Bundesregierung von jeglicher Verantwortung reinzuwaschen versucht, indem sie den Spanischen Staat einfach als „demokratischen Rechtsstaat“ definiert, wie Regierungssprecher Seibert am Montag erklärte . Eine Lösung der Krise müsse „innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung gelöst werden“. Als wenn diese verklausulierte Art der Schuldverschiebung nicht eindeutig genug wäre, legte Seibert direkt nach: „Und aus diesem Grund haben wir in den vergangenen Monaten die klare Haltung der spanischen Regierung zur Gewährleistung dieser Rechts- und Verfassungsordnung auch unterstützt.“ Mit anderen Worten: Die spanische Regierung hält sich mit ihrer Repression nur an geltende Gesetze, und mit 30 Jahren Haft für Puigdemont hätte die Bundesregierung kein Problem.
Dieser Rückzug auf eine rein „juristische“ Argumentation findet sich auch in den Argumenten rund um den Europäischen Haftbefehl, der gegen Puigdemont ausgestellt wurde. In den Kommentarspalten vieler Zeitungen findet sich die Frage, ob der Vorwurf der „Rebellion“ mit dem deutschen Straftatbestand des „Hochverrats“ vergleichbar sei – als ob es in Deutschland politisch völlig gerechtfertigt sei, Leute wegen „Hochverrat“ einzusperren.
Fakt ist, dass die Strafverfolgung von Puigdemont nur ein Glied in der Kette der Unterdrückung der katalanischen Bevölkerung ist. Die deutsche Regierung und die deutsche Justiz stellen sich politisch hinter diese Unterdrückung durch das reaktionäre monarchistische Regime im Spanischen Staat – und werden zu ausführenden Komplizen, wenn sie Puigdemont an Madrid ausliefern.
Nein zur Auslieferung Puigdemonts!
Gerade deshalb müssen alle linke Kräfte in Deutschland vor Ort für die Freilassung von Puigdemont und allen politischen Gefangenen im Spanischen Staat demonstrieren. Die Linksfraktion hat am Sonntag bereits einen ersten Schritt in diese Richtung unternommen und die Inhaftierung politisch verurteilt. In diesem Sinne sollten auch Gewerkschaften und Sozialdemokrat*innen, die sich gegen die Politik der Bundesregierung stellen, die Inhaftierung verurteilen und gemeinsam auf die Straßen mobilisieren. Nur so können die Auslieferung Puigdemonts und weitere Repressionen gegen die katalanischen Unabhängigkeitsbewegung verhindert werden.
Zu guter Letzt ist noch der Vorstellung entgegenzutreten, dass Puigdemont der „erste politische Gefangene“ der BRD sei, wie unter anderem die Süddeutsche Zeitung kommentierte. Nein, es gibt viele politische Gefangene in Deutschland – allein in letzter Zeit lassen sich Anti-G20-Aktivist*innen und kurdische Aktivist*innen aufzählen. Es ist pure Heuchelei, so zu tun, als wenn die Justiz in Deutschland nicht politisch wäre.
Hier wird noch einmal deutlich, dass die katalanische Unabhängigkeitsbewegung und ihre Unterstützer*innen hier in Deutschland kein Vertrauen in die „rechtsstaatlichen“ Institutionen oder in die Vermittlung von Seiten deutscher oder europäischer Institutionen haben dürfen. Der einzige Weg, wie die Freiheit der politischen Gefangenen, die Rücknahme des antidemokratischen Verfassungsartikels 155 und die Unabhängigkeit Kataloniens erkämpft werden kann, ist mit Hilfe von massiven Mobilisierungen.
Wie weiter mit der Bewegung?
Zugleich zeigt sich auch, dass die bisherigen Versuche der Führung des Unabhängigkeitsprozesses, durch Verhandlungen mit dem Zentralstaat doch noch zu einer Einigung zu kommen, gescheitert sind. Wie unsere Genoss*innen der „Strömung Revolutionärer Arbeiter*innen“ schreiben, muss die katalanische Bewegung sich deshalb „für einen Weg entscheiden, der auf der Ausdehnung der Mobilisierung und der Selbstorganisation basiert, mit der Arbeiter*innenklasse an der Spitze und im Bündnis mit den Bewegungen im Rest des Spanischen Staates.“
Unsere internationale Solidarität mit der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung für ihr Recht auf Selbstbestimmung bedeutet hierzulande, uns gegen die Unterstützung der Bundesregierung und der deutschen Justiz für die antidemokratische und repressive Politik von Rajoy und der spanischen Justiz zu stellen. Sie bedeutet, selbst Beispiel und Motivation für die Ausdehnung der Mobilisierung und für einen Generalstreik in Katalonien zu sein.
Für die sofortige Freilassung von Carles Puigdemont! Gegen die Auslieferung an den Spanischen Staat!
Freiheit für alle politischen Gefangenen im Spanischen Staat und hierzulande!
Nein zu jeder Einmischung der deutschen Regierung und der deutschen Justiz!
Hoch die internationale Solidarität!
Kundgebung: Freiheit den katalanischen Politikern!
Wann? Sonntag, 1.4.2018, 12 Uhr
Wo? Brandenburger Tor, Berlin
organisiert von CDR Berlín, Comitè de solidaritat amb Catalunya, CUP, ANC Deutschland
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