Der deutsche Imperialismus auf dem Vormarsch

14.11.2023, Lesezeit 6 Min.
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Bundeskanzler Scholz mit dem australischen Ministerpräsidenten Albanese bei einem Staatsempfang im vergangenen Juli. Foto: Juergen Nowak / Shutterstock.com

Die von der Regierung angekündigte „Zeitenwende“ zeigt sich aktuell in einer krassen Militarisierung, der Unterstützung des israelischen Genozids und der rassistischen Hetze gegen Palästinenser:innen durch deutsche Politiker:innen.

Seit Wochen verbreiten bürgerliche Medien und Politiker:innen antimuslimische und antipalästinensische Hetze. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stimmte in diesen Chor ein und teilte am Samstag auf X (ehemals Twitter) ein Video, in dem extrem rassistische und holocaustverharmlosende Aussagen verbreitet wurden. Es handelt sich um ein Interview des britischen Senders TalkTV mit dem rechten, auf rassistische „Islamkritik“ spezialisierten Publizisten Douglas Murray. Dieser relativierte den Holocaust, als er sagte, dass die Taten der Hamas mindestens so barbarisch wie die Taten der Nazis seien. Vielmehr sei die Hamas auch noch stolz auf ihre brutalen Morde, im Gegensatz zu den Nazis, die sich abends betrinken mussten, um mit ihrem Gewissen umzugehen.

Dass Lauterbach das Video mit der Einschränkung teilte, die Verharmlosung der Nazis gegenüber der Hamas sei falsch und man solle und könne solche Verbrechen nicht vergleichen, ist keine Ausrede und kein Freifahrtschein für das Teilen rassistischer Hetze gegen eine Bevölkerung, die gerade einen Genozid erfährt. Mehr noch pries Lauterbach das Video als „extrem sehenswert“ an und lobte, dass darin viel ausgesprochen, was sonst nur gedacht würde. Der Gesundheitsminister unterstützt damit die extrem rassistischen Bilder von gewaltbereiten Palästinenser:innen, die Murray zeichnet, um damit den Genozid in Gaza zu legitimieren.

Doch Lauterbachs Aktion blieb nicht ohne Konsequenzen. Aus der Bevölkerung kam starke Kritik und sogar Rücktrittsforderungen wurden laut, sodass er sich letztendlich gezwungen sah, den Tweet wieder zu löschen. Dieser Druck aus der Bevölkerung macht deutlich, dass viele von uns die Politik der Bundesregierung nicht unterstützen. Wie auch die riesigen Demonstrationen in Solidarität mit den Palästinenser:innen gezeigt haben, sind es die Massen, die den Krieg in Gaza und den Genozid an den Palästinenser:innen verurteilen und dagegen kämpfen wollen.

Ampel unterstützt israelisches Massaker…

Während Lauterbach gegen Palästinenser:innen hetzte, sprach sich Bundeskanzler Olaf Scholz gegen einen Waffenstillstand in Gaza aus. Er argumentierte, in der Zwischenzeit könne sich die Hamas erholen, neue Waffen anschaffen und Israel attackieren. Außerdem ginge er davon aus, dass Israel das Völkerrecht einhalte. Was die israelischen Angriffe und die humanitären Blockaden für die Menschen in Gaza bedeuten, findet dabei keine Erwähnung. Mehr als 10.000 Palästinenser:innen wurden bereits von Israel ermordet, die humanitäre Lage ist katastrophal. Neue Berichte der Weltgesundheitsorganisation (WHO) klagen über „entsetzliche Zustände“ im Schifa-Krankenhaus. Dort halten sich aktuell mehr als 2.000 Menschen auf, 600 davon Patient:innen und 1.500 Vertriebene. Aufgrund von Treibstoffmangel und Kämpfen in unmittelbarer Nähe sei die medizinische Versorgung dort kaum noch möglich. Und das in einer Situation, in der laut Angaben der Vereinten Nationen (UN) 20 von 36 Krankenhäusern „nicht mehr funktionsfähig“ seien. Vor etwa vier Wochen bombardierte Israel ein Krankenhaus und tötete dabei mehr als 500 Palästinenser:innen.

Die deutsche Regierung geht mit massiver Gewalt und Verboten gegen pro-palästinensische Demonstrationen vor, verharmlost die Situation in Gaza und dämonisiert die Palästinenser:innen als moralische Rechtfertigung für ihre Unterstützung des Genozids. Politiker:innen verwenden rassistische und anti-muslimische Argumente, um ihre eigenen imperialistischen und kapitalistischen Interessen in der Region zu verteidigen. Dabei wird das Leid der Palästinenser:innen, von denen fast die Hälfte Kinder sind, in Kauf genommen.

…und treibt die Militarisierung voran

Die krasse Kriegsrhetorik der Bundesregierung wird nicht nur in der Unterstützung des israelischen Genozids deutlich, sondern zeigt sich auch in der extremen Militarisierung nach außen und innen. Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigte an, Deutschland wieder „kriegstüchtig“ machen zu wollen. Dazu legte er mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, neue verteidigungspolitische Leitlinien vor. Nach diesen müsse die Bundeswehr „in allen Bereichen kriegstüchtig sein“, das bedeutet „jederzeit die Bereitschaft zum Kampf mit dem Anspruch auf Erfolg im hochintensiven Gefecht“. Nur so werde „Abschreckung glaubwürdig und Frieden gewahrt“.

Die Normalisierung der deutschen Militarisierung zeigt sich außerdem darin, dass im Bundestag nun die Einführung eines „Veteranentags“ zur Feier der Bundeswehr am 12. November diskutiert wird. Dass der deutsche und europäische Imperialismus kein Friedensprojekt ist, sollte jedoch spätestens im 20. Jahrhundert klar geworden sein, wo er zu zwei Weltkriegen und der kolonialen Unterdrückung großer Teile der Welt führte.

Die Aufrüstung der Bundeswehr findet im Kontext eines extremen Rechtsrucks der Ampelregierung und des Erstarkens rechter Parteien statt. Die Kosten für die Militarisierung werden auf dem Rücken der Arbeiter:innen ausgetragen. Die jährlichen Militärinvestitionen von mindestens 2 Prozent des BIP gehen einher mit krassen Kürzungen im Sozialen, in Bildung und im Klimaschutz. Gleichzeitig betreibt die Ampel eine menschenfeindliche Abschottungspolitik, die unter anderem mehr Grenzschutz, schnellere Abschiebeverfahren, die Einordnung von mehr Ländern als sogenannte „sichere Herkunftsländer“ und verlängerte Abschiebehaft umfasst. Die sogenannte „Fortschrittskoalition“ setzt heute die Politik durch, die die AfD vor Jahren gefordert hat. Die rassistische Hetze und starke Repression gegen migrantische Menschen, die in Solidarität mit den Palästinenser:innen, gegen die Bombardierungen und Blockaden auf die Straße gehen, stehen auch im Kontext dieses Rechtsrucks.

Wie die Krisen und Kriege verbunden sind, müssen wir auch unsere Kämpfe verbinden. Der Kampf gegen den Genozid in Gaza ist ein Kampf gegen die deutsche Regierung, ihre rechte Politik, die sozialen Angriffe und Repressionen, die uns alle treffen. Er ist ein Kampf gegen die Konzerne, die an den Waffendeals mit Israel und der Aufrüstung Milliarden verdienen und letztlich ist er ein Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus, den wir, gemeinsam als Ausgebeutete und Unterdrückte dieses Systems, gewinnen können. Dafür können wir uns ein Beispiel nehmen an den Hafenarbeiter:innen in Genua (Italien) und Sydney (Australien) oder den Flughafenarbeiter:innen in Belgien, die Waffenlieferungen an Israel durch Streiks und Selbstorganisierung verhindern. Wir, die Arbeiter:innen und Studierenden halten dieses System am Laufen, und wir sind es, die es in seinem Kern angreifen und überwinden können.

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