Der Bock als Gärtner? Warum die EU Teil der Klimakrise ist
Wer soll die Verheerungen des menschengemachten Klimawandels bezahlen? Über den Plan für eine Gesellschaft, in der wir leben können.
Nachdem Greta Thunberg am 30. März beim Schulstreik in Berlin ihre Rede hielt, entrollten Schüler*innen neben ihr zwei EU-Fahnen. Greta schaute etwas verdutzt. Was sie davon hielt, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass sie Politiker*innen der EU bei vielen verschiedenen Anlässen kritisierte: „Wir werden sicherstellen, dass sie damit nicht mehr davon kommen“, sagte sie zum Beispiel in Hinblick darauf, dass die Mächtigen nichts gegen die Klimakrise unternehmen.
Sollte also einfach die EU die Zügel in die Hand nehmen und der Wirtschaft bessere Vorschriften machen, um die Umweltverschmutzung zu stoppen? In Zeiten des Brexit, in denen die europäischen Staaten oftmals gegeneinander statt miteinander arbeiten, scheint die EU für manche eine Möglichkeit zu bieten, Wirtschaft und Politik überstaatlich zu koordinieren.
Warum die EU keine Perspektive bietet
Diese liberale Vision eines geeinten Europas, das vernünftige Umweltstandards setzt, hat aber einen entscheidenden Haken. Die EU ist ein Bündnis von (noch) 28 europäischen Staaten, hauptsächlich unter Führung von Deutschland und Frankreich, das die Interessen der Konzerne umsetzt. Die Sitze der europäischen Gremien in Brüssel und Straßburg sind Zentren der Lobbyarbeit von Großunternehmen.
Was auf der Ebene der nationalen Regierungen geschieht, setzt sich in der EU-Bürokratie fort: Im Interesse des Kapitals betreibt sie neoliberale Politik, mit der die Rechte von Arbeiter*innen ausgehöhlt werden. Während die Profite der Banken und Konzerne ins unermessliche gestiegen sind, ist ein gewaltiger Niedriglohnsektor entstanden. In fast allen europäischen Staaten stagnieren die Löhne.
Um die wachsende Unzufriedenheit abzufedern, setzen Politik und Medien auf rassistische Spaltung und Militarisierung. Die EU-Außengrenzen werden gewaltsam abgeriegelt, zehntausende sterben im Mittelmeer. Die Polizeiapparate bekommen immer weitere Befugnisse und setzen diese auch ein wie zum Beispiel in Frankreich gegen die Gelben Westen.
Die EU ist eine Staatengemeinschaft, die keinerlei positive Vision anzubieten hat – auch nicht in der Klimafrage. In ihrer „Umweltpolitik“ setzt die EU auf den Emissionshandel. Das bedeutet, dass sich Konzerne Lizenzen kaufen können, mit denen sie CO2 ausstoßen dürfen. Die Theorie dahinter: Wenn die Zertifikate teuer genug sind, werden die Firmen lieber in umweltschonende Technik investieren. Der Markt wird es schon regeln.
Das Problem: Es ist eigener Handel mit Zertifikaten entstanden, dadurch haben sich Monopole gebildet. So kauft der deutsche Energiekonzern RWE günstige CO2-Zertifikate aus abhängigen Ländern. Die dortige Wirtschaft dürfte dann dort gar keine Emissionen mehr austauschen. Daher wird auch immer wieder behauptet, die Schwellenländer seien das Problem. Dabei sichern sich die imperialistischen Zentren mit ihrer ökonomischen Macht lediglich das Recht weiter die Umwelt zu zerstören.
Als Antwort auf die Klimafrage und die Zukunft der Industrie wollen insbesondere die Grünen den Emissionshandel durch weitere Maßnahmen ergänzen. Sie setzen darauf, dass Verbraucher*innen bewusster individuell konsumieren und fordern Maßnahmen wie Dieselfahrverbote und Subventionen für Unternehmen, wenn sie in erneuerbare Energien investieren.
Natürlich braucht es nachhaltige Energien und eine Abkehr vom Auto. Aber die Art und Weise, wie die Grünen dies umsetzen wollen, ist zum einen vollkommen unzureichend, weil die private Wachstumsökonomie dadurch nicht angetastet wird. Zum anderen werden mit diesen Vorschlägen die Kosten für die verfehlte Wirtschaftsweise auf die Jugendlichen und Beschäftigten abgeladen, während die Konzerne weiter ihre Profite machen können.
Für ein Notfallprogramm der Arbeiter*innen
Der Klimawandel findet bereits jetzt statt. Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, Überschwemmungen, extreme Stürme und ähnliches gehören schon heute zu unserem Leben. Mit der Erderwärmung werden in einigen Jahren Kettenreaktionen in Gang gesetzt, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Die Folgen auf die Umwelt werden in den kommenden Jahrzehnten ein Ausmaß erreichen, das die menschliche Zivilisation gefährden wird. Die Frage ist nicht, ob der Klimawandel kommt, sondern wie heftig er ausfällt und wer darunter am meisten zu leiden hat.
Vorschläge, die auf moderate Veränderungen innerhalb des Kapitalismus setzen, werden uns nicht retten. Wir brauchen ein Notfallprogramm, das zu Lasten der Konzerne geht – nicht auf Kosten der Arbeiter*innenklasse. Es ist völlig utopisch, den Konsum in einer Welt zu regulieren, die vollkommen plan- und rücksichtslos produziert. Ein erster notwendiger Schritt wäre eine massive Besteuerung von großen Vermögen, Banken und Konzernen, um die dringendsten Folgen des Klimawandels zu bekämpfen: Für Schutzmaßnahmen gegen Umwelt- und Wetterkatastrophen und für die Bereinigung der gewaltigen Schäden, die die Wirtschaft unserer Umwelt zugefügt hat.
Darüber hinausgehend müssen die zentralen Sektoren der Wirtschaft in gesellschaftliche Hand übergehen und dadurch dem Profitstreben der Eigentümer*innen entzogen werden. Nur so ist es möglich, demokratisch eine Wirtschaft zu planen, die auf sozialen und ökologischen Grundlagen beruht.
Zu den entscheidenden Wirtschaftszweigen zählt unter anderem der Transportsektor. Es braucht einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr, damit die Menschen nicht mehr auf das Auto angewiesen sind. Um ein ausreichendes Angebot des öffentlichen Nahverkehrs sicherzustellen, braucht es massive Investitionen in die Erneuerung und den Ausbau von Schienennetzen, Fahrzeugen und Bahnstationen, insbesondere auch im ländlichen Raum.
Die Konzerne werden das heute nicht freiwillig machen, da sich mit Autos viel mehr Geld verdienen lässt. Deswegen muss der ganze Transportsektor verstaatlicht und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, die die Produktionsweise auf den öffentlichen Nahverkehr umstrukturieren können. Und ebenso können wir den Automobilsektor, der seine Unfähigkeit zum Strukturwandel mit den Dieselskandalen mehrfach unter Beweis gestellt hat, nicht in den Händen Einzelner lassen. Der scheiternde Strukturwandel in der Energie- und Automobilindustrie ist schließlich auch die materielle Grundlage der Proteste, da sich dieser Prozess zu langsam und widerspruchsreich vollzieht.
Um künftig würdig leben zu können, müssen wir nicht nur Transport und Produktion verändern, sondern auch die Frage stellen: Wie wollen wir leben, wie wollen wir wohnen? Eine Antwort bieten die Enteignung von Wohnungsunternehmen und ein staatlicher sozialer Wohnungsbau, der unter Kontrolle der Mieter*innen und Beschäftigten organisiert wird. In Berlin wird diese Frage mit „Deutsche Wohnen Enteignen“ bereits aufgeworfen und Fridays For Future sollte sich mit diesem Projekt verbinden. Dadurch können die Mieten gesenkt werden und die Menschen in der Nähe ihrer Arbeitsplätze wohnen, was den Nahverkehr entlastet.
Weiter muss auch der Energiesektor in staatliche Hand unter Kontrolle der Beschäftigten übergehen. Denn die Profitinteressen von Konzernen wie RWE nehmen keine Rücksicht auf den Schutz unserer Umwelt, wie der Hambacher Forst zeigt. Wir müssen wegkommen von fossilen Brennstoffen wie Kohle und Öl. Eine vollständige Umstrukturierung des Energiesektors auf erneuerbare Energien bei gleichzeitiger Beschäftigungssicherheit für alle Angestellten kann nur in einem staatlichen Betrieb stattfinden.
Dies wären radikale Umstellungen der Wirtschaftsweise, die wirklich in der Lage sind, eine lebenswerte Perspektive angesichts der bereits stattfindenden Klimakatastrophe zu gewährleisten. Die EU wird solchen Maßnahmen feindlich gegenüberstehen, egal ob Grüne oder Konservative dort Mehrheiten besitzen. Denn die EU ist in ihrer Grundstruktur darauf angelegt, die Profite der Konzerne zu sichern – und sie bricht zur Zeit auseinander, zunächst in Großbritannien. Doch an allen Ecken und Enden brennt es und das Projekt der „europäischen Einigung“ stößt angesichts der veränderten Weltordnung an seine eigenen Grenzen. Es wird mehr und mehr ein Hauen und Stechen „aller gegen alle“.
Wer soll das umsetzen?
Die Ausbeutung von Mensch und Natur findet im weltweiten Maßstab statt. Ausgehend von den kapitalistischen Zentren werden die Ressourcen geplündert, die Meere zugemüllt und leergefischt und die unterdrückten Länder in wirtschaftlicher und politischer Abhängigkeit gehalten oder gar militärisch besetzt. Während der Klimawandel nach und nach einige Regionen der Welt unbewohnbar macht, schotten sich die kapitalistischen Zentren gegen diejenigen ab, die vor den Folgen fliehen.
Der nach wie vor existierende Imperialismus ist ein globales System, das nicht von der Umweltfrage zu trennen ist. Unterdrückte Länder in Schulden zu halten, die Festung Europa, Abschiebungen und Militärinterventionen sind Mittel, die es der EU erlauben, ihre Zerstörung für die Profite in globalen Maßstab auszudehnen. Eine Antwort darauf kann nur international sein: Für die Streichung der Auslandsschulden und gegen Abschottung und Militarismus.
Die Schüler*innen von Fridays For Future können diese Aufgaben alleine nicht bewältigen. Aber sie können sich mit denjenigen verbinden, die vom Klimawandel am meisten betroffen sind: Die Geflüchteten, die vor der Zerstörung ihrer Heimat nach Europa kommen mussten. Ebenso muss sich die Umweltbewegung mit den feministischen Kämpfen verbinden, die in den letzten Jahren einen globalen Aufschwung erlebt haben. Rassismus und Frauenfeindlichkeit sind Instrumente der Herrschenden, um die Ausgebeuteten und Unterdrückten zu spalten. Wie Greta Thunberg schrieb: „Wir können nicht in einer nachhaltigen Welt leben, ohne dass alle Geschlechter und Menschen völlig gleich behandelt werden.“
Die Klimafrage ist eine soziale Frage. Wir brauchen ein Programm, bei dem die Kapitalist*innen selbst für den Klimawandel zahlen, den sie angerichtet haben. Dies ist Aufgabe der Arbeiter*innenbewegung. Indem die Beschäftigten ihre Kämpfe um bessere Arbeitsbedingungen mit der Frage der Produktionsweise verbinden, kann eine mächtige Bewegung entstehen: Für Arbeitszeitverkürzungen mit vollem Lohnausgleich und einer demokratisch geplanten Wirtschaft.
Letztlich ist die Umstellung der Weltwirtschaft eine Aufgabe, die nur im internationalen Maßstab im Sozialismus zu bewältigen ist. Nur im Sozialismus können die nötigen Maßnahmen getroffen werden, um den Großteil der Bevölkerung vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Nur im Sozialismus können die Produktivkräfte rational eingesetzt werden, um daran zu gehen, eine Welt aufzubauen, die für alle lebenswert ist.