Der Arabische Frühling

06.03.2011, Lesezeit 5 Min.
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// Welche Rolle spielen Frauen bei den Protesten in der arabischen Welt? //

„Wo sind die Männer? Wir Frauen sind schon hier!“ hallte es 2006 durch die ägyptische Textilmetropole Mahalla al-Kufr. Und schließlich ließen sich auch die männlichen Textilarbeiter blicken und eingereiht bei ihren weiblichen Kolleginnen traten sie eine Streikwelle los, die das Ägypten von Mubarak in Aufruhr brachte.

Dieses Bild passt so gar nicht zu dem Frauenbild, das hierzulande auf die arabische Kultur projiziert wird, mit den Klischees von Verschleierung und Zwangsehe. Dem Bild der arabischen Frau als stillem Opfer steht das nicht weniger falsche Bild der aufgeklärten und emanzipierten Frau des Westens gegenüber.

Die Probleme der Massen

Die Probleme von Frauen in der arabischen Welt sind vielfältig. Nur für die Frauen der besitzenden Klassen und der Eliten stellt sich die „Frauenfrage“ als rein juristisches Problem dar. Die Frauen der ArbeiterInnenklasse und anderen verarmten Klassen haben weitaus mehr Probleme zu erleiden.

Natürlich haben gerade sie besonders mit sexueller und physischer Gewalt, mangelnder Bildung und dem Fehlen von politischen Rechten zu kämpfen. Vor allem sinkende Löhne und steigende Preise zwingen die Frauen in eine immer größere Misere, da sie den größten Teil der Last für die Ernährung ihrer Familien tragen müssen. So verschärfen die Folgen der weltweiten Krise des Kapitalismus die Frauenunterdrückung. Es ist kein Wunder, dass die Massenproteste ausgerechnet jetzt ausbrechen und vielerorts von Frauen getragen werden.

Aber die Frauen aus den armen und ausgebeuteten Klassen in Nordafrika und dem Nahen Osten sind nicht erst heute TrägerInnen von Protesten. In den antiimperialistischen Kämpfen gegen Kolonialmächte vor und de facto-Kolonialmächte nach der Entkolonialisierung, haben sich Frauen stark beteiligt. In Algerien zur Zeit der Besatzung kleideten sich die Frauen in ein traditionelles algerisches Gewand, das den ganzen Körper bedeckte. Dies war sowohl ein politischer Ausdruck gegen die Besatzung, als auch sinnvoll im praktischen Kampf gegen die Besatzungsmacht, konnte man unter dieser Kleidung doch unbemerkt Waffen und Flugblätter tragen.

Die Arbeiterinnenbewegung

Eine besondere Rolle spielen die Arbeiterinnen. Die kapitalistische Entwicklung hat auch in den halbkolonialen Ländern der arabischen Welt immer mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt gedrängt – auch in die industrielle Produktion, denn die besonders niedrigen Löhne für Frauen interessieren die KapitalistInnen mehr als traditionelle Rollenbilder.

Doch die Lohnarbeit reißt die Frauen auch aus ihrer Vereinzelung, fasst sie zusammen als Gleiche, die sich gemeinsam wehren können und dies auch tun. Frauen, die am meisten ausgebeuteten Angehörigen der ArbeiterInnenklasse, haben am wenigsten Grund gehabt, die Verhältnisse zu ertragen. So gingen 2006 die Frauen von Mahalla zu ihren Kollegen und zogen sie mit in den Kampf. Dieser brachte eine Verbesserung der Löhne und Rechte, und zeigte zugleich den Männern, dass das „schwache Geschlecht“ mindestens so kämpferisch, mutig und entschlossen ist wie sie. So sind die Arbeiterinnen von Mahalla zur Avantgarde einer Streikbewegung geworden, die den Boden für die breite Revolte gegen Mubarak bereitete.

Die Frauen in Bewegung

In Ägypten gibt es auf dem Papier gleiche Rechte für Frauen. Die Politologin Hoda Salah schreibt, es gäbe in Ägypten wahrscheinlich sogar mehr Frauen in Führungspositionen als in einigen westeuropäischen Ländern. Das hilft in der Realität der armen Frauen aber nicht viel. Dass Frauen die Hälfte der Protestierenden stellten, die dem Mubarak-Regime auf dem Midan at-Tahrir die Stirn boten, war sicher ein größerer Schritt zu ihrer Emanzipation als irgendwelche Alibi-Frauen in politischen Posten.

Die ägyptische Filmerin Nadia Kamel sagte über die Frauen der Revolte: „Sie haben durch ihr Agieren eine Atmosphäre geprägt, die bisherigen Protestbewegungen gefehlt hat, eine offene und lebenslustige Atmosphäre, die dazu beitrug, aus der Revolution ein Laboratorium der sozialen Transformation zu machen, in dem sich Bevölkerungsgruppen mischen konnten, die ansonsten durch die Tradition der getrennten Sphären voneinander geschieden sind. (…) Die Haltungen verändern sich und Tabus brechen auf (…) Die Männer waren sehr selten aggressiv gegenüber Frauen und zeigten auch nicht diese krankhafte Haltung des Anmachens, die normalerweise auf den Straßen herrscht. Männer und Frauen sind in den Demonstrationszügen Seite an Seite gelaufen.“

Das heißt gerade die Proteste haben viel dazu beitragen, traditionelle Frauenbilder aufzubrechen. Es waren Frauen mit und ohne Schleier, die gemeinsam mit den Männern ihre Zukunft selbst in die Hand genommen haben und für ein Ende der krassen politischen und vor allem ökonomischen Unterdrückung kämpfen.

Imperialistischer „Feminismus“

Dabei helfen ideologische Feldzüge gegen Burka und Niqab gar nicht. Wenn „Deutschlands Vorzeige-Feministin“ Alice Schwarzer gegen die angebliche islamistische Gefahr hetzt, hat das mit Frauenemanzipation nichts mehr zu tun. Gerade Frauen in und aus der arabischen Welt werden durch einen solchen „Feminismus“ attackiert. Er lässt rassistische, nationalistische Stimmungen hochkommen und erschwert damit den gemeinsamen Kampf von MigrantInnen und NichtmigrantInnen in den Betrieben und auf der Straße gegen gesellschaftliche Probleme. Ein solcher Feminismus ließ sich von den Herrschenden der großen imperialistischen Mächte sogar für die Bombardierung und Besatzung Afghanistans dienstbar machen, die die Lage besonders der Frauen massiv verschlechtert haben.

In Ägypten gibt es einen Spruch, der den Kampf der proletarischen Frauen symbolisiert: „Achtung: Mahalla!“ Die kämpfenden Arbeiterinnen der arabischen Welt sind eine Macht – eine Macht, die zusammen mit den männlichen Arbeitern die Welt verändern kann.

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