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Den Schulstreik in die Uni tragen

06.11.2019, Lesezeit 8 Min.
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Wer heute studiert, kennt die Uni kaum als einen Ort politischer Auseinandersetzung – das muss aber nicht so bleiben. Die von Schüler*innen getragene Fridays-for-Future-Bewegung zieht immer größere Sektoren in den Kampf gegen den Klimawandel und könnte bald auch auf die Universitäten überschwappen. Aus der ersten Ausgabe der neuen Druckzeitung KlasseGegenKlasse.

Foto: Symbolische Umbenennung der Goethe-Universität. Frankfurt 1968.

Seit fast einem Jahr streiken wöchentlich tausende Schüler*innen im ganzen Land, um sich für eine klimagerechte Politik einzusetzen. Und wir Studis? Zwar beteiligen sich auch viele Studierende an den Demonstrationen von Fridays for Future, doch die Universitäten hat die Bewegung noch nicht erobert.

Zwar hat es schon im vergangenen Semester an verschiedenen Universitäten Vollversammlungen gegeben, in denen konkrete Maßnahmen von den Hochschulen gefordert wurden. Doch hatten diese keine weiteren Aktionen zur Folge. Auch in Teilen der Klimabewegung wie bei Ende Gelände und Extinction Rebellion sind Studierende maßgeblich beteiligt. Jedoch begriffen diese bisher ihren Aktionsschwerpunkt nicht an den Hochschulen und konnten deshalb auch nur einen kleinen Teil der Studierendenschaft mobilisieren.

Nach den riesigen Protesten vom 20. September, bei denen in ganz Deutschland 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gingen, trat vom 22. bis 23. September der Klimaratschlag zur Vernetzung und Koordination der Studierendenschaft in Jena zusammen. Dort beschlossen 120 Students for Future aus über 30 Hochschulen, vom 25. bis 29. November zu einer Klimastreikwoche an den Universitäten aufzurufen.

Dieser Aufruf kommt genau im richtigen Moment, in dem tausende ehemalige Schüler*innen, die von der Bewegung mitbekommen haben oder selbst aktiv waren und sind, als Erstis an die Hochschulen kommen. Historisch gesehen spielten Studierende immer eine vorantreibende Rolle bei sozialen Bewegungen – die 68er-Bewegung ist ein gutes Beispiel hierfür. Doch in den letzten Jahren war es sehr ruhig an den deutschen Hochschulen. Die Proteste gegen die Bologna-Reform und die Studiengebühren am Ende der 00er-Jahre endeten in Niederlagen, von denen sich die Studierenden seitdem nicht erholt haben.

Denn auch wenn sich viele Studierende weiterhin an gesellschaftlichen Mobilisierungen wie bei Unteilbar, NoPag oder der Mietenbewegung beteiligen, tun sie dies in der Regel vereinzelt, sodass sie keine eigenen Forderungen formulieren oder sich an der Universität organisieren. Dazu hat auch die konservative Politik der Studierendenvertretungen beigetragen, die sich auf Tätigkeiten in Hochschulgremien und Verwaltung beschränkt haben, statt die Selbstorganisierung der Studierenden voranzutreiben.

Die neoliberale Struktur der Hochschulen mit ihrem Druck zum Individualismus lastet also schwer auf den Studierenden und ein erster Streikaufruf ist noch keine Bewegung. Wie können wir es also schaffen, die von den Schüler*innen erzeugte Dynamik auf die Universität zu übertragen und eine kämpferische Studierendenbewegung auf die Beine zu stellen?

Die Systemfrage stellen

Dafür ist es nötig, dass die Studierenden an die radikalsten Elemente der globalen Klimabewegung anknüpfen, in der die Parole „System change, not climate change“ auf vielen Schildern zu lesen ist. Es sind die multinationalen Großkonzerne, darunter auch viele aus Deutschland wie Bayer-Monsanto, BASF oder BMW, die für die Zerstörung der Umwelt verantwortlich sind. Ein Wirtschaftssystem, das auf der Profitmaximierung für einige Kapitalist*innen basiert, kann nicht plötzlich seinen zerstörerischen Charakter ändern und wird nicht die ökologisch-soziale Umwandlung durchführen können, die zur Bewältigung der Klimakatastrophe nötig ist. Das Klimapaket der Bundesregierung ist das beste Beispiel dafür, dass nur unzureichende Notlösungen herauskommen werden, solange die Profite der Banken und Konzerne nicht angetastet werden.

Viele Studierende forderten im vergangenen Semester ihre Hochschulleitungen in Vollversammlungen dazu auf, die Universitäten klimaneutral umzugestalten. Dabei handelt es sich um eine berechtigte Forderung, die jedoch auf die gesamte Gesellschaft, und damit besonders die Wirtschaft, ausgeweitet werden muss.

Nur wenn die Studierendenbewegung – gemeinsam mit der Arbeiter*innenbewegung – die grundlegende Funktionsweise der Gesellschaft angreift, können wir tatsächlich die Herausforderungen der Klimakrise meistern. Diese Frage stellt sich auch ganz konkret an jeder Hochschule: Aktuell ist der Großteil der Lehre und Forschung von Staats- oder Konzerngeldern abhängig und betreibt Wissenschaft in deren Interesse. So wird in München an einer grünen Bombe geforscht, die zwar effizient töten kann, jedoch die Umwelt nicht zerstört. Und auch in den Gesellschaftswissenschaften wird Lehre und Forschung im Sinne des Kapitals betrieben, während Theorien zur Kritik und Veränderung der Gesellschaft immer weiter an den Rand gedrängt werden. Deshalb setzen wir uns auch dafür ein – wie wir es mit den Artikeln in dieser Zeitung zu tun versuchen, aber auch mit Seminaren, Lesekreisen und Teach-Ins –, dass die Universität wieder zu einem Ort der theoretischen Auseinandersetzung wird, die uns dabei hilft, die kaptalistische Gesellschaft zu analysieren – und sie umzuwälzen.

Solange die Interessen der Bundesregierung, der Banken und Konzerne in den Universitäten das Sagen haben, wird es keine Forschung im Dienste der Massen geben. Deshalb setzen wir uns für die vollständige Demokratisierung der Universität ein, damit sie von Studierenden und Beschäftigten selbst verwaltet wird und eine von den Kapitalist*innen unabhängige Forschung betreibt. Diese muss notwendigerweise antiimperialistisch und antirassistisch sein und sich gegen die Politik der Bndesregierung und den Militarismus stellen. Die tausenden Scientists for Future könnten wichtige Verbündete in diesem Kampf sein, wenn sie sich konsequent auf die Seite der Studierenden und Arbeiter*innen stellen.

Einheit von Arbeiter*innen und Studierenden

Das ist besonders wichtig, da es zur Zeit in der Klimabewegung Forderungen gibt, die dazu führen würden, dass die Arbeiter*innen für die Klimakrise bezahlen müssten und sich ihre Lebensbedingungen weiter verschlechterten. Ein Beispiel dafür ist die CO2-Steuer, die in abgeschwächter Form von der Bundesregierung eingeführt werden soll und mit noch höheren Sätzen von den Grünen gefordert wird. Eine solche Steuer richtet sich gegen die Massen und führt dazu, dass die Arbeiter*innen sich von der Klimabewegung abwenden und somit der wichtigste Verbündete im Kampf gegen die mächtigen Konzerne verloren geht. (Warum wir gegen eine CO2-Steuer sind, kannst du auf Seite 10 tiefer nachlesen.) Dabei liegt gerade in der Arbeiter*innenklasse eine riesige Macht, die in Verbindung mit einer kämpferischen Studierendenbewegung radikale Forderungen nach einer grundlegenden Umwandlung der Wirtschaft aufstellen könnte. Dazu könnte die Enteignung der Energie- und Automobilindustrie unter Arbeiter*innenkontrolle sowie der Ausbau eines kostenlosen Nahverkehrs gehören. In letzter Konsequenz müsste eine demokratisch und wissenschaftlich organisierte Planwirtschaft stehen, in der die Universitäten im Dienste der Arbeiter*innen und Massen eine zentrale Rolle spielen würde.

All diese gesellschaftlichen Probleme finden sich auch an der Universität wieder: Denn während wir unter der Neoliberalisierung durch überfüllte Hörsäle, gestiegenen Leistungsdruck und gestrichene Studiengänge leiden, hat sie auch die Hochschulbeschäftigten hart getroffen. Die Belegschaften an den Universitäten sind durch Auslagerung und unterschiedliche Tochterfirmen gespalten, wie die Mensa-Beschäftigten oder die Reinigung. An der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin, die den Ruf einer gesellschaftskritischen Hochschule genießt, sind die Reinigungskräfte nicht direkt an der Universität beschäftigt, sondern in einer externen Firma angestellt. Als sich zwei Reinigungskräfte gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen wehrten, wurden sie daraufhin mit Stundenkürzungen und Entlassungen schikaniert. Als antikapitalistische Hochschulgruppe organize:strike und als sozialistisch-feministische Gruppe Brot und Rosen haben wir daraufhin ein Solidaritätskomitee ins Leben gerufen. 70 Studierende und Beschäftigte der ASH haben zu Semesterbeginn die Hochschulleitung konfrontiert und gefordert, dass die Reinigung in die Hochschule zurückgeführt wird. In den kommenden Wochen und Monaten wollen wir den Druck weiter erhöhen.

Diese prekären Arbeitsbedingungen treffen besonders häufig Migrant*innen und Frauen, was sexistische und rassistische Strukturen reproduziert. Daher müssen wir nicht nur die Forschung und Lehre im Interesse der Massen umgestalten, sondern auch und besonders die Arbeitsbedingungen. Der Kampf gegen Outsourcing an den Hochschulen ist dabei ein wichtiger erster Schritt, um gegen Prekarisierung, Sexismus und Rassismus einzutreten und die Verbindung zwischen Studierenden und Beschäftigten herzustellen. Daraus kann die gemeinsame Organisierung mit den Beschäftigten entstehen, damit sie durch Streiks und Besetzungen die gesamte Universität lahmlegen können. Mit dieser Perspektive wollen wir uns organisieren.

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