Den Palästinenser:innen droht erneute Nakba

14.10.2023, Lesezeit 5 Min.
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Zersötrte Gebäude in Gaza nach israelischem Luftschlag am 13. Oktober 2023. Foto: Anas-Mohammed / Shutterstock.com

Nach den Luftangriffen des israelischen Militärs auf Gaza wurden 1,1 Millionen Palästinenser:innen zur Flucht aufgefordert. Erste Berichte über den Beginn der Bodenoffensive gehen bereits um die Welt. Das Projekt des israelischen Siedlerkolonialismus setzt die Palästinenser:innen vor die Wahl einer erneuten Zwangsvertreibung – oder Genozid.

Die letzten Tage der Militäroffensive seitens der israelischen Regierung gegen die Bewohner:innen Gazas unter dem Deckmantel des Kampfes gegen die Hamas waren geprägt von zahlreichen brutalen Maßnahmen: Luftangriffe, die mehr als Tausend ermordete Palestinenser:innen und mehrere Tausende Verletzte forderten, wobei in einigen Fällen sogar weißer Phosphor eingesetzt wurde, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärte. Die totale Blockade von Wasser, Strom und Lebensmittel in Gaza, die vom israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant mit rassistischen Kommentaren des „Kampfes gegen menschliche Tiere“ verkündet wurde. Zuletzt kündigte der „Kriegspremier“ Israels Netanjahu eine Bodenoffensive an, für die in kürzester Zeit 300.000 Reservisten eingezogen wurden.

Schließlich forderte das israelische Militär die Bewohner:innen Gazas dazu auf, ihre Häuser angesichts der geplanten Bodenoffensive zu verlassen. Über 1,1 Millionen Palästinenser:innen (die Hälfte der Bevölkerung in Gaza, mehrheitlich Minderjährige) sollten binnen 24 Stunden ihre Häuser im Norden verlassen, um vor einem bevorstehenden Genozid zu fliehen. „Die Vereinten Nationen halten es für unmöglich, dass eine solche Bewegung ohne verheerende humanitäre Folgen stattfinden kann“, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric. Dies liegt nicht nur daran, dass Gaza das größte Freiluftgefängnis der Welt darstellt. Zusätzlich dazu sind die Palästinenser:innen damit konfrontiert, dass der südliche Teil des Streifens beim einzigen Fußgängerweg zwischen Gaza und Ägypten – dem Erez-Übergang – geschlossen ist. Während dieser Artikel veröffentlicht wird, gehen erste Berichte über die beginnende Bodenoffensive und die Panik der Zivilbevölkerung in Gaza um die Welt.

Nakba 2.0

Die Palästinenser:innen stehen  vor einer weiteren Katastrophe, einer Nakba 2.0, die vor Augen der Weltgemeinschaft stattfindet.

Die erste Nakba fand im Mai 1948 mit der Staatsgründung Israels und dem Übergang des 30 Jahre andauernden britischen Kolonialismus zu einem siedlerkolonialistischen Regime statt. Der Zionismus bekam im Jahr 1947 durch den Teilungsplan der Vereinten Nationen 52 Prozent des Territoriums, was zur Folge hatte, dass die zionistischen Milizen Massaker verübten und über 700.000 Menschen zur Flucht ins Exil zwangen. Seitdem gelang es dem zionistischen Staat, sich territorial Stück für Stück auszudehnen, Siedlungen nach ethnischen Säuberungen aufzubauen.

Heute wiederholt sich die Geschichte. Der genozidale Krieg Israels in Palästina ist ein Mittel, um eine weitere territoriale Ausdehnung umzusetzen. Dabei stellen sich die EU und die USA hinter den zionistischen Siedlerkolonialismus. In Deutschland und Frankreich werden pro-palästinensische Demonstrationen und Organisationen verboten und die Bundesregierung vertritt die Position, dass sich Israel rechtmäßig verteidigen würde: “Israel hat jedes Recht, sich gegen diesen #Terror im Rahmen des int. Rechts zu verteidigen. Deutschland steht unverbrüchlich an Israels Seite“, wie Außenministerin Annalena Baerbock auf Twitter erklärte. Aus ihrer Aussage lässt sich entnehmen, dass die totale Blockade von Wasser, Lebensmitteln, Strom, Treibstoff und die Ermordung von Zivilist:innen oder ihre Zwangsvertreibung legitim sind. Dabei sind die israelischen Sicherheitsinteressen nur ein Deckmantel, um Massenvertreibung und territoriale Ausdehnung des Siedlerkolonialismus zu praktizieren. Palästinenser:innen wird gesagt, „entweder Flucht oder Genozid“.

Angesichts dieser Situation zeigen die zahlreichen Mobilisierungen der unterdrückten Völker im mittleren Osten, wie eine wahrhafte internationale Solidarität gegen die rollende Katastrophe ausschauen muss. In Bagdad gingen gestern Zehntausende auf die Straße, um sich mit dem Befreiungskampf der Palästinenser:innen zu solidarisieren.

Ebenfalls fanden Massendemonstrationen in Jemen, im Libanon und in Ägypten statt, die sich gegen die israelische Militäroffensive stellen. Diese Völker haben eins im kollektiven Gedächtnis gemeinsam, nämlich die miserablen Folgen der jahrelangen interventionistischen  Politik der Verbündeten Israels, namentlich der USA und der EU-Mächte.

Die jüdisch-israelische Arbeiter:innenklasse darf nicht passiv zuschauen, während ein Volk vernichtet wird. Sie muss mit dem Zionismus brechen und sich an die Seite des palästinensischen Volkes stellen. Obwohl jeder Mensch in Israel ganz genau weiß, wie korrupt die Netanjahu-Regierung ist und die Palästinenser:innen (inklusive derer mit israelischem Pass) als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, mangelt es an internationalistischen Kampfaktivitäten. Doch ein Volk, das andere unterdrückt, kann sich nicht emanzipieren. Sie stehen vor der Herausforderung, gegen Apartheid und Besatzung den palästinensischen Massen die Hand zu reichen und sich konsequent für die Niederlage der Netanjahu-Regierung einzusetzen.

Die Reaktion der gesellschaftlichen Linken hier in Deutschland, die sich im Druck der Stunde der nationalen Einheit bückt, wie im Falle der Linkspartei und dem Verbot palestinensischer Organisationen, ist nicht nur ein  Armutszeugnis, sondern trägt zusätzlich zur Einschränkung grundlegender Rechte bei, wie dem Versammlungsrecht oder der Meinungsfreiheit. Die akute Aufgabe heute kann nicht die Unterordnung unter die imperialistischen Interessen des deutschen Kapitals sein, das die Gunst der Stunde nutzt, um die innere Militarisierung und ihre Abschottungspolitik zu festigen, während sie einen anlaufenden Genozid legitimiert. Die Gewerkschaften und linke Organisationen haben heute die Aufgabe, sich sowohl gegen die Kriminalisierung der Palästina-Solidarität als auch gegen die Beschneidung demokratischer Rechte zu wehren.

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