Demokratie à la Deutschland: Polizei setzt Redeverbot gewaltsam durch
Münster: Am 19. Oktober 2024 versammelten sich etwa 250 Menschen in Münster zu einer Demonstration unter dem Motto „Israels Terror kennt keine Grenzen – unsere Solidarität auch nicht“. Im Vorfeld der Veranstaltung hatte die Polizei einem bekannten Aktivisten der Palästina-Bewegung ein Redeverbot erteilt. Dies sollte nicht die einzige autoritäre Maßnahme der Einsatzkräfte bleiben.
Redeverbot und Eskalation durch die Polizei
Nachdem der friedliche Protestzug vom Hauptbahnhof am Prinzipalmarkt angekommen war, entschied sich ein Aktivist bewusst, das Redeverbot zu ignorieren, um auf dieseunerhörte Einschränkung des Versammlungsrechts aufmerksam zu machen. Die Demonstrant:innen bildeten daraufhin einen Schutzkreis um den Redner, damit dieser seine Rede fortsetzen konnte. Anstatt, wie in solchen Fällen üblich, eine Anzeige zu erstatten und den Fortgang der Versammlung zu sichern, griff die Polizei gewaltsam ein. Sie versuchte, den Aktivisten gewaltsam aus der Menge zu zerren.
Dieser brutale Einsatz gipfelte darin, dass ein weiterer Aktivist von einem Polizeibeamten so heftig ins Gesicht geschlagen wurde, dass er auf zu Boden fiel und mit einer aufgeplatzten Lippe zurückblieb. Dies war jedoch nicht die einzige Form von Polizeigewalt, die an diesem Tag zu beobachten war.
Polizeigewalt und gezielte Falschaussagen
Nachdem die Polizei den Redner verhaftet und die Demonstration gewaltsam aufgelöst hatte, gab es von Seiten der Polizei eine gezielte Desinformationskampagne für die zahlreichen umstehenden Passant:innen. Ein Sprecher der Polizei stellte den Redner als vermeintlich gefährlich dar, um das brutale Vorgehen zu rechtfertigen. In einem besonders zynischen Akt wiederholte die Polizei diese Falschbehauptung in arabischer Sprache, um „alle Teilnehmenden“ zu erreichen. Dies war offensichtlich eine rassistisch gefärbte, hämische Geste und trug weiter zur Eskalation bei.
Im Nachgang organisierten etwa 50 Menschen eine spontane Mahnwache vor der Polizeiwache am Friesenring. Die Mahnwache endete um 19:15 Uhr, als der verhaftete Aktivist wieder freigelassen wurde. Auch während dieser Solidaritätskundgebung wurde die Versammlungsfreiheit dramatisch eingeschränkt. So wurde von der Polizei jegliche palästinasolidarische Parolen, das Nutzen von Lautsprechern und Fahnen verboten. Begründet wurde das damit, dass es keine „Ersatzveranstaltung“ geben darf, unter dessen „Deckmantel“ die davor aufgelöste Demonstration weitergeführt werden würde.
Westfälische Nachrichten schreibt Polizeibericht ab.
Zu den Ereignissen veröffentlichten die „Westfälischen Nachrichten“ eine Darstellung, die maßgeblich auf den falschen Behauptungen der Polizei basierte. So wurde berichtet, dass „verbotene Parolen“ skandiert worden seien, und dies den Grund für das Ende der Demonstration darstelle.
Ebenso wurde behauptet, dass die Versammlungsleitung ihren Pflichten nicht nachgekommen sei. In Wirklichkeit rief die sie mehrfach zur Deeskalation auf, besonders angesichts der gewaltsamen Taktiken der Polizei. Die Eskalation ging eindeutig von der Polizei aus, die bereitwillig Gewalt einsetzte, anstatt den rechtlichen Rahmen der Versammlungsfreiheit zu achten.
Auch die Darstellung, die Demonstrant:innen hätten „körperlichen Widerstand“ geleistet, stellt die Ereignisse falsch dar. Die Demonstrierenden verhielten sich friedlich und hakten sich ein, um den Redner zu schützen, als klar wurde, dass die Polizei ihm mit Gewalt das öffentliche Reden unmöglich machen wollte. Der Versuch der Polizei, diesen zivilen Widerstand als aggressiv darzustellen, diente allein der Rechtfertigung ihres brutalen Vorgehens.
Ein gefährlicher Präzedenzfall
Die Polizei Münster rechtfertigte ihren Einsatz damit, die öffentliche Sicherheit gewährleisten zu wollen. Diese Behauptung steht jedoch im krassen Widerspruch zu den vor Ort erlebten Ereignissen. Zahlreiche Zeug:innen berichteten von einem aggressiven Auftreten der Einsatzkräfte, die offenbar nur auf einen Vorwand warteten, um Gewalt anzuwenden. Insbesondere das Grinsen vieler Einsatzkräfte verdeutlicht, dass hier nicht nur Befehle befolgt, sondern gezielt eskaliert wurde.
Die Polizei stellte den Redner zudem als Wiederholungstäter dar, der bei früheren Versammlungen Straftaten begangen habe. Tatsächlich handelt es sich bei den gegen ihn vorliegenden Vorwürfen lediglich um unbewiesene Tatverdächtigungen und Ordnungswidrigkeiten, die im Rahmen des Versammlungsrechts erfolgten. Die bewusste Vermischung dieser Sachverhalte durch die Polizei stellt einen gefährlichen Versuch dar, kritische Stimmen zu kriminalisieren und legitimen Protest zu unterdrücken.
Ein Angriff auf die Meinungsfreiheit
Die gewaltsame Auflösung der Demonstration in Münster zeigt einmal mehr, wie systematisch staatliche Gewalt gegen linke und migrantische Bewegungen eingesetzt wird. Die Eskalation durch die Polizei und die anschließende Verbreitung von Falschaussagen sowohl durch die Behörden als auch dieMedien sind besorgniserregende Beispiele dafür, wie zunehmend repressive Maßnahmen gegen unliebsamen Protest eingesetzt werden.
Diese Ereignisse werfen die dringende Frage auf, inwieweit die Versammlungsfreiheit in Deutschland noch gewährleistet ist, wenn Aktivist:innen für den Bruch eines Redeverbots dermaßen brutal behandelt werden. Das Versammlungsrecht gilt offenbar nur noch dort uneingeschränkt, wo sich die Verteidiger:innen der Staatsräson treffen, um öffentlich palästinensischen Leben jegliche Existenzberechtigung abzusprechen.
Was hier geschehen ist, ist kein Einzelfall. Es ist Teil einer systematischen Strategie, die Menschen einschüchtern soll, die sich gegen Krieg, Aufrüstung, Rechtsruck und die dazugehörige Einschränkung der Meinungsfreiheit einsetzen.
Doch wir lassen uns nicht einschüchtern. Genau wie die Repression keine Grenzen zu kennen scheint. So kennt auch unsere Solidarität keine Grenzen.