Demo & Kundgebung: No War on Refugees!
No War on Refugees! Asyl für ALLE die aus dem Ukraine-Krieg fliehen! Ausreise- und Bewegungsfreiheit für Sinti*zze und Rom*nja, BPoC’s, Deserteure und Transpersonen! Stoppt das Sterben an den EU-Außengrenzen! Wir spiegeln den Aufruf der North East Antifa zur antirassistischen Kundgebung am 19.03 in Berlin, um 14:30 vor der Europäischen Kommision.
Putins Angriffskrieg hat in nur wenigen Tagen die Existenzgrundlagen der Menschen in der Ukraine dem Erdboden gleich gemacht und mehr als eine Millionen von ihnen zur Flucht gezwungen. Im Angesicht des Todes, der Zerstörung und der Zukunftsangst, die dieser Krieg für sie bedeutet und auch der Verunsicherung, die dieser Krieg hierzulande hervorruft, ist die starke Solidaritätswelle für Geflüchtete aus der Ukraine einer der wenigen Hoffnungsschimmer.
Diese Solidarität wird allerdings nicht allen Geflüchteten in gleichem Maß zuteil. Zahleiche Videos sowie Erlebnis- und Medienberichte zeichnen das Bild einer krassen Ungleichbehandlung der Geflüchteten. Wer nicht weiß ist und über keinen ukrainischen Pass verfügt, wer Transfrau oder Deserteur ist darf die Ukriane nicht verlassen. Diese geht vor allem von Seiten ukrainischer Behörden und der Grenzpolizei aus. Menschen werden so zu Menschen zweiter Klasse herabgewürdigt und dem Krieg gegen ihren Willen ausgeliefert. Es gibt einen sichtbaren quantitativen Unterschied zwischen der Geflüchtetensolidarität der #StandWithUkraine-Bewegung und der Bereitschaft zur Hilfe beispielsweise für Geflüchtete aus Syrien.
Wir fordern das gleiche Recht auf Bewegungsfreiheit, Asyl und Unversehrtheit, für alle die aus dem Ukraine-Krieg fliehen, sowie für alle Menschen auf der Flucht!
Darum rufen wir am 19. März zur Kundgebung und Demonstration auf. Unsere Aktion versteht sich als Teil linker und antimilitaristischer Proteste gegen den Ukrainekrieg. Verbreitet den Text und kommt am 19. März zur Demo!
Black lives matter
Bei dem Versuch, die Ukraine mit dem Zug zu verlassen wurden schwarze Menschen gezielt aus den Zügen gedrängt und am Mitfahren gehindert. »Zu erst unsere Frauen und Kinder« wurde ihnen entgegengebrüllt – sowohl von Beamten, als auch von Weißen, die aus der Ukraine flüchteten. An den Grenzübergängen zwischen Polen und der Ukraine mussten sich Geflüchtete in getrennten Warteschlangen für Weiße und Schwarze bzw. People of Color anstellen, unter dem Vorwand, dass letztere vermutlich keine ukrainischen Pässe besäßen. Erst wurden großzügig größere Schübe an Weißen über die Grenze gewunken, danach durften kleinere Gruppen an Schwarzen und Menschen of Color die Grenze passieren.
»Bevor man die Grenze überqueren kann, muss man drei Checkpoints passieren (…) Nur 30 Inder durften die Grenze überqueren, nach 500 Ukrainern«, beschreibt die 22-jährige indische Medizinstudentin Saakshi Ijantkar ihre Rassismuserfahrungen am Grenzübergang zwischen Medyka (Polen) und Shehyni (Ukraine). »Um an die Grenze zu kommen, muss man vom ersten zum zweiten Checkpoint vier, fünf Kilometer laufen.« »Dort warten Taxis und Busse auf die Ukrainer, aber alle anderen Nationalitäten müssen zu Fuß gehen“, sagt Saakshi Ijantkar. »Sie waren extrem rassistisch gegenüber Indern und einigen anderen Ausländern.«
Mittlerweile konnten zwar Vereinbarungen getroffen werden, welche die Aus- und Weiterreise von Studierenden aus afrikanischen Staaten erleichtern sollen, dennoch hängen immer noch rund 470.000 Nicht-Ukrainer*innen im Kriegsgebiet fest. Bei ihnen handelt es sich in der Regel um Studierende und auch viele Arbeitsmigrant*innen und Geflüchtete, die in der Ukraine Schutz gefunden hatten. Da diese Gruppen über keinen ukrainischen Pass verfügen, werden sie selbst in dieser dramatischen Lage wie Menschen zweiter Klasse behandelt.
Rom*nja lives matter
Die Behandlung von Geflüchteten ohne ukrainischen Pass wie Menschen zweiter Klasse trifft aktuell auch die Minderheit der Sinti*zze und Rom*nja besonders hart. Sie sind die größte undokumentierte Gruppe in der Ukraine. Die meisten von ihnen haben zwar gesetzlich den Anspruch auf die ukrainische Staatsbürgerschaft, können dieses Recht aber ohne Dokumente nicht einfordern. 20 Prozent der ukrainischen Rom*nja und Sinti*zze sind staatenlos. Diese Staatenlosigkiet vererben sie an ihre Kinder seit Jahrzehnten weiter, was zu einem generationsübergreifenden dauernden Ausschluß aus der Teilhabe an der Gesellschaft führt: kein Anrecht auf medizinische und soziale Grundversorgung, Probleme bei der Beschulung der Kinder und keine Reisepässe.
Da wehrfähige Männer nicht ausreisen dürfen, trennen sich Familien und so sind unter den Flüchtenden auch viele Sinti*zze und Rom*nja und ihre Kinder. Diese werden wegen nicht vorhandener Personaldokumente an den Grenzen wieder zur Umkehr gezwungen. Mitunter gibt es Berichte, dass ihnen auch Hilfsgüter (Nahrung, Kleidung) verweigert wurden, mit der Begründung sie seien ja nur zur Grenze gekommen, um sich die Taschen voll zu machen. Ein Reporter der tschechischen Tageszeitung Deník stieß in einem Feuerwehrhaus in Humenné in der Ostslowakei auf Roma-Flüchtlingsfamilien aus der Ukraine und schilderte ähnliche Erfahrungen mit Rassismus. Der Kommandant der Feuerwehrstation, Marián Pouchan, griff die geflüchteten Rom*nja auf beispiellose Weise verbal an: »Das sind keine Menschen, die direkt vom Krieg bedroht sind. Es sind Menschen aus der Nähe der Grenze, sie nutzen die Gelegenheit aus, dass hier warmes Essen gekocht und humanitäre Hilfe geleistet wird.«
Laut Berichten in den sozialen Medien sitzen/saßen rund 100 Rom*nja in Lviv fest und niemand sei bereit ihnen zu helfen. Die unmittelbare Verantwortung für diese Ungleichbehandlungen tragen die urkainischen Behörden. Dahinter steht nicht bloße Pass-Bürokratie, sondern ein in der urkainischen Gesellschaft tiefverwurzelter Nationalismus, dessen hässliche Fratze mit dem „Ukrainer zuerst“-Gebrülle an den Bahnhöfen in diesen Tagen einmal mehr zu Tage tritt. Dieser Rassismus findet in der Ukraine Ausdruck in Progromen oder in der regelmäßigen Relativierung des Völkermords. So gab es 2018 sechs rassistische Pogrome gegen Rom*nja in der Ukraine, die auch Todesopfer forderten. In nationalistischen Weltbildern werden Rom*nja als staatenlose Fremdkörper und Parasiten, die dem angestrebten enthnisch einheitlichen Staat im Wege stehen, angesehen. Dadurch waren sie auch schon vor dem Krieg konstant mit dem Tod bedroht.
Trans lives matter
Transfrauen berichten ebenfalls davon, dass sie von Grenzbeamten an der Ausreise gehindert wurden und die internen Kontrollpunkte nicht passieren können. Hintergrund dafür, ist die Anordnung, dass allen ukrainischen Männern die Ausreise untersagt wurde,denn sie sind potenzielle Rekruten – diese Regelung trifft fälschlicherweise Transfrauen mit Dokumenten und Ausweispapieren, die nicht ihrem eigentlichen Geschlecht entsprechen.Unter diesen Umständen kommt die Flucht kaum in Frage. Also sind die Frauen gezwungen in ihren Wohnungen und in Sammelunterkünften auszuharren.
Eine dieser Frauen ist die in der Ukraine bekannte, Musikerin Zi Faámelu:
»Ich habe Angst, mein Zuhause zu verlassen, nicht nur wegen des Krieges, sondern auch, weil ich um meine Sicherheit als Transfrau fürchte. Viele Menschen haben Waffen. Das ist eine sehr beängstigende Situation. (…) In der Ukraine ist Krieg ausgebrochen, aber der Kampf um die Akzeptanz von Transsexuellen ist sozusagen gerade der Krieg im Krieg. Dies ist kein sehr regenbogenfreundlicher Ort hier. Das Leben für trans-Menschen ist hier sehr düster! Trans-Frauen fühlen sich hoffnungslos und verzweifelt.«
Queere Menschen haben es in der Ukraine ohnehin schon nicht leicht, da das Ausbrechen aus Geschlechterrollen als Angriff auf die traditionellen Rollen und damit als Angriff auf das Konstruckt der Kernfamilie gesehen wird. Diese spielt in der ukranischen Geselschaft eine hervorgehobene Rolle. Der cis- heterosexuelle Teil der Gesellschaft hat eine diffuse Angst vor queeren und trans Menschen. Dieser wahnhafte Hass entläd sich auch auf offener Straße. Um sich vor den gewalttätigen Angriffen und Anfeindungen zu schützen findet queeres Leben vor allem im Privaten statt. Zu öffentlichen Veranstaltungen der queeren Szene, wie der Kiew Pride kamen nur um die 200 Menschen zusammen, aus Angst erkannt und somit geroutet oder angegriffen zu werden. 2015 beispielsweise attackierte ein maskierter Mob die Pride – bewaffnet mit Pfefferspray und Leuchtraketen, die sie mit Nägeln in Rohrbomben verwandelt hatten. Ein Polizist wurde an der Halsschlagader getroffen und musste ins Krankenhaus gebracht werden. Die Situation der LGBTIQ+ in Russland und Weißrussland ist ähnlich. In Tschetschenien werden queere Menschen verschleppt und gefoltert – mit staatlicher Duldung oder sogar mit aktiver Beteiligung staatlicher Organe. Der Einmarsch russischer Truppen und ihrer Verbündeten in die Ukraine erhöht damit akut das Risiko für queere Menschen nicht nur durch Bombenangriffe zu sterben, sondern auch Opfer gezielter Hinrichtungen durch die Besatzer zu werden.
Refusing war matters
Alle wehrfähigen Männer im Alter von 18 bis 60 Jahren werden in der Ukraine aktuell zum Wehrdienst eingezogen. Videos kursieren im Netz, die zeigen, wie junge Männer in ein Auto gezerrt werden, um an der ukrainischen Front gegen die russichen Truppen zu kämpfen. Junge Erwachsene werden nach drei Tagen Grundausbildung mit Waffen, Helmen und Knieschonern ausgestattet und an die Front geschickt. Auch auf russischer Seite kämpfen viele, die gerade einmal 19 Jahre alt sind. »Das ist halt im Krieg so« mögen mache sagen. Und ja, das ist so im Krieg. Dennoch darf sich damit nicht abgefunden werden. Für beide Seiten gilt, dass Desertieren eine legitime Entscheidung und eine Friedenstat ist.
Wie 2015, nur anders
Schwarze Geflüchtete, die es unter Mühen aus der Ukraine geschafft haben, wurden/werden auf der polnischen Seite der Grenze u.a. von Nazihools bedroht und angegriffen. Aus Zügen werden sie bei der Ausreise von polnischem Bahnpersonal und deutscher Bundespolizei rausgeholt und an der Weiterfahrt gehindert. Der Grund: Ihre nicht vorhandenen Pässe – und natürlich ihre Hautfarbe, auch wenn die Bundespolizei dies tunlichst nicht zugeben möchte. Diese sprach in einer Botschaft auf Twitter von »Trittbrettfahrern«, die man aus dem »Vertriebenenstrom« filtern wolle.
Auch an den Ankunftsbahöfen für Geflüchtete, wie zum Beispiel dem Berliner Hauptbahnhof, ist Rassismus zu beobachten. Schwarze und Menschen of Colour werden nicht annähernd so schnell von Menschen mitgenommen, die den Geflüchteten Schlafplätze anbieten. Um die neu ankommenden Geflüchteten schnellstmöglich unterzubringen, wurden kurzerhand bestehende Geflüchtetenunterkünfte in Berlin geräumt. Familien, die sich hier nach meheren Jahren gerade erst eingelebt, ein soziales Umfeld aufgebaut und auch eine Beschulung ihrer Kinder hatten, mussten nun schlagartig ihre Unterkünfe verlassen. Der Rassismus ist hier nicht so manifest wie an der ungarisch/polnischen Grenze. Aber es gibt ihn, auch mitten in der ganzen »stand with Ukraine«-Stimmung.
Die Hilfsbereitschaft für die Geflüchteten aus der Ukraine ist richtig und wichtig. Es ist genau das was zu tun ist – als Gesellschaft und als Individuum – wenn Menschen fliehen müssen. Dennoch: Für viele von uns, die ab 2014/2015 miterlebt haben, wie sich die Stimmung in der Gesellschaft an der Frage radikal polarisierte, ob überhaupt Geflüchtete aus Nordafrika oder Syrien aufgenommen werden können, erzeugt die aktuelle euphorische Willkommenskultur quer durch alle gesellschaftlichen Lager einen faden Beigeschmack. Als sich vor rund sieben Jahren Menschen mit »Refugees welcome«-Bannern an den Bahnhöfen sammelten, um Geflüchtete zu empfangen, wurden diese Menschen angeschnauzt: »Wenn ihr die Asylanten so mögt, dann nehmt sie doch mit nach Hause.« Das durfte sich so ziemlich jede*r auf der Straße oder im Netz anhören, der*die sich nur ansatzweise erdreistete einen halbwegs menschenwürdigen Umgang für Geflüchtete einforderte. Im Herbst 2014 gründeten sich die »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« (PEGIDA). Infolgedessen kam es in erschreckender Regelmäßigkeit zu Angriffen auf Geflüchtete und Zusammenrottungen von Nazis und »Bürgern« vor deren Unterkünften.
Und jetzt? Auf der »Stoppt den Krieg in der Ukraine!«-Kundgebung stehen nun Junge Union und die Jungliberalen Seite an Seite mit Jusos, Solid und Grüner Jugend und fordern die Aufnahme der Geflüchteten. Dieser gesellschaftliche Konsens erstreckt sich in Europa bis hin zum italienischen Faschistenführer Matteo Salvini von der Lega Nord bis in breite Teile der AfD hienein.
Auch wenn es im faschistischen Lager Ausnahmen gibt und Leitfiguren wie Martin Sellner (Identitäre Bewegung) auch gegenüber der Ukraine eine »No Imigration«-Linie propagieren, so wird es sehr, sehr wahrscheinlich keine Gründung der »Europäer gegen die Ukrainisierung des Abendlandes« geben. Selbst die Faschist*innen vom »Dritten Weg«, die Syrern regelmäßig vorwarfen, dass sie feige seien, weil sie nicht ihre Heimat verteidigen würden, nehmen nun patriotische Geflüchtete aus der Ukraine auf. »Nimm doch die Flüchtlinge mit nach Hause« ist in diesen Tagen keine Anfeindung, sondern das Gegenteil. Die Leute stehen am Bahnhof und nehmen Schutzsuchende tatsächlich mit nach Hause.
Zivilisiert, blond, blauäugig
Manchen, die sich jetzt für Geflüchtete einsetzen, aber während des »Summer of Migration« die Füße still gehalten haben, wird es nicht schmecken. Aber einige von euch müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass ihr diese Menschen retten wollt, weil sie Weiße sind und nicht irgendwelche »Barbaren«. Zur Illustartion des aktuell leider weit verbreitetetn Mindsets hierzuladen, ein paar Auszüge aus der Berichterstattung der letzten Wochen:
»Die scheinen uns so ähnlich. Das macht es so bestürzend« („The Telegraph“, UK)
»Dies ist eine relativ zivilisierte und relativ europäische Stadt … wo man so etwas nicht erwarten würde« (CBS, USA).
»Es ist sehr emotional für mich, weil ich sehe, wie europäische Menschen mit blauen Augen und blondem Haar getötet werden« (BBC, Großbritannien).
»Wir befinden uns im 21. Jahrhundert, wir befinden uns in einer europäischen Stadt, und wir werden von Marschflugkörpern beschossen, als ob wir im Irak oder in Afghanistan wären, können Sie sich das vorstellen?« (BFM TV, Frankreich).
»Das Beeindruckende ist, dass sie, so wie sie gekleidet sind … Das sind wohlhabende – ich verwende nur ungern den Ausdruck – Leute aus der Mittelschicht« (Al-Dschasira English).
Während der seit Kriegsbeginn rasant angestiegene anti-russische Rassismus in Deutschland auf alten Feindbildern fußt, gab es für die Ukrainer*innen länger keine Schablone. Allerspätestens nach den Euromaidan-Portesten werden die Ukrainer*innen nicht mehr irgendwelche Ostblockbewohner*innen gesehen, sondern gelten irgendwie als Europäer*innen. In Britannien hingegen tut sich die konservative britische Regierung auch in der aktuellen Situation schwer damit, Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen. Zu offensichtlich ist der Unterschied zwischen ihrer jahrelangen rassistischen Hetze gegen osteuropäische Migrant*innen und dem Status als Europäer*innen, welchen die Ukrainer*innen seit Kriegsausbuch durch die Verlautbarungen von Politik und Medien gewonnen haben.
Der Gund der höheren Identifikation mit der Ukraine ist nicht nur der, dass die Ukrainer*innen »uns so ähnlich« sehen und dass der Krieg sich auf Grund der räumlichen Nähe jetzt auf einmal sehr nah anfühlt. Es geht manchen auch darum, dass deutscher Wohlstand und deutsche Interessen durch den Ukrainekrieg in Gefahr gesehen werden.
Wir machen hier einen klaren Unterschied zwischen Menschen, die aus humanististischen Gründen mitfühlen und helfen und diesen, die Pappschilder hochhalten auf denen propagiert wird: »Deutschlands Interessen werden auch in der Ukraine verteidigt.« (gesehen auf der »Friedensdemo« am 27. Februar 2022 in Berlin). Letztere Fraktion ist die Schnittstelle zwischen Bevölkerung und den deutschen Staats- und Machtinteressen. Die klar pro-europäische Ausrichtung der ukrainischen Regierungen nach 2014 und der angestrebte NATO-Beitritt, der 2019 im Regierungsvertrag veranket wurde, macht die Ukrainer*innen zu welchen »von uns«.
Kriegstreiber und Menschrechtsverletzer wie Erdogan sehen »uns« laut dieser Erzählung zwar nicht ähnlich. Aber immerhin sei die Türkei NATO-Partner, halte »uns« Geflüchtete aus Syrien vom Leib – in dem sie in Sammellagern interniert werden – oder helfen die Durchfahrt russischer Kriegsschiffe zum Schwarzen Meer zu hindern.
Putin und Erdogan spielen auf dem selben Level der Menschenverachtung – Unterdrückung der Opposition im Inneren, Ausschaltung kritischer Presse, Folter politischer Gegner*innen, Unterstützung paramilitärischer Söldnertruppen. Dennoch schafft es Annalena Baerbock die Kriegsverbrechen Putins anzuprangern und sich im gleichen Rahmen mit Erdogan zu treffen, um sich der militärischen Unterstützung gegen Russland zu versichern – ohne auch nur ein Wort über die immer wiederkehrenden türkischen Angriffskriege gegen die kurdischen Gebiete zu verlieren.
Keine Aufnahmekapazitäten? Kein Wille!
Zwischen den Menschen, die sich in der Ukraine gegen das russische Militär zur Wehr setzen und dem Erdogan-Regime liegen einige Unterschiede. Gemein ist ihnen aber, dass sie für den deutschen Staat beide die Funktion erfüllen, den eigenen deutschen Wohlstand zu verteidigen. Wer dem deutschen Staat und der EU also in irgend einer Form als Garant für die Durchsetzung eigener Interessen und den Erhalt von Einflußspähren gilt, dem wird entsprechend entgegengekommen.
Für Geflüchtete aus anderen Weltregionen bleibt dabei der fade Beigeschmack, dass ihr Bedarf an Schutz offenbar weniger wert sei, und dass Schutzsuchende aus dem Ukraine-Krieg gegen sie ausgespielt werden – zumindest die mit »blauen Augen und blondem Haar«.
An der Grenze zwischen Belarus und Polen wurden im letzten Winter Menschen derart blockiert, dass viele erfroren. Auch jetzt, wo gerade keine*r auf die polnisch-belarussische Grenze schaut, sterben dort weiterhin Menschen in den Wäldern den Kältetod. Genauso geht das Sterben auf dem Mittelmeer weiter. Rettung haben diese Menschen von staatlichen Behörden fast gar nicht mehr zu erwarten. Illegale Pushbacks sind mittlerweile an der Tagesordnung. NGOs die sich um die Seenotrettung der Geflüchteten kümmern werden der Schlepperei bezichtigt und mit Anzeigen und Repression überzogen.
Diesmal lief es anders. Keine mediale Diskussion über Aufnahmeobergrenzen, vermeintliche Überfremdung oder überlastete Sozialsysteme. Nicht einmal mehr über eine europäische »Lastenverteilung« wurde gestritten, stattdessen wurden erstmals die alten Empfehlungen von Migrationsfachleuten beherzigt: Die Menschen sollten in das Land gehen, wo sie selbst glauben, am besten überleben zu können – weil sie Verwandte und Freunde dort haben, die helfen können, oder sich die besten Chancen ausrechnen, etwa auf Arbeit. Dies zeigt: Es fehlt nicht an Kapazitäten zur Aufnahme von Geflüchteten, sondern am politischen Willen.
Wir haben jedoch den Willen, diesem Sterben ein Ende zu bereiten!
Lasst uns die dafür nötigen Bündnisse und offenen antimilitaristischen Treffen aufbauen. Schaffen wir Fluchtmöglichkeiten und Unterstützung für russische und ukrainische Deserteure. Lasst uns den politischen Druck auf die verantwortlichen europäischen und ukrainischen Institutionen (Botschaften, Konsulate etc.) erhöhen, um die Ausreise marginalisierter Gruppen mit Passproblemen aus der Ukraine zu ermöglichen. Diese Forderung ist überlebensnotwendig und darf darum nicht zugunsten irgendeines Kriegspragmatismus als nachrangig hinten angestellt werden.
– Asyl, freie Ausreise und Bewegungsfreiheit für ALLE Geflüchteten!
– Organisiert Fluchthilfe und unterstützt Fluchthilfeinitiativen (No Nation-Truck, Solibus etc.)!
– Schafft praktische Unterstützung für ALLE die es hierher geschafft haben!
– Kämpft mit uns gegen innere und äußere Aufrüstung!
– Geld für Soziales statt fürs Militär!
– Nieder mit Putin, NATO- und EU-Imperialismus!
– Für das Leben. Gegen den Tod.
North-East Antifascists [NEA]