Dem Morgenrot entgegen? DIE LINKE nach dem Parteitag

27.10.2024, Lesezeit 15 Min.
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Foto: Martin Heinlein

Kann die Linkspartei ihren Zerfall doch nochmal abwenden, etwa mit Unterstützung der ausgetretenen Mitglieder der Grünen Jugend?

„Ich habe in den letzten Wochen und Monaten festgestellt, wie unglaublich lebendig diese Partei ist, egal was alle anderen sagen“: Mit dieser Beschwörung bestritt die neue LINKEN-Vorsitzende Ines Schwerdtner ihre Kandidatur. Auch ihr frisch gewählter Co-Vorsitzender Jan van Aken bemühte sich, Optimismus und Geschlossenheit zu vermitteln: „Wir sprechen mit einer Stimme und dann können wir auch wieder gewinnen“. 

Neben der Wahl des neuen Vorstands diskutierten die 500 Delegierten auf dem Parteitag in Halle (Saale), der unter dem Motto „Bereit für ein gerechtes Morgen“ stand, wie DIE LINKE nach einer Reihe von desaströsen Wahlergebnissen und der Abspaltung des BSW ihre Dauerkrise überwinden könne. Überschattet werden die Ergebnisse des Parteitags mittlerweile von öffentlichen Austritten prominenter Vertreter:innen des äußerst rechten Parteiflügels, darunter die ehemaligen Berliner Senator:innen Elke Breitenbach und Klaus Lederer. Den Schritt begründen sie mit der – aus ihrer Sicht – unzureichenden Unterstützung für den israelischen Staat und mangelnden Abgrenzung von palästinasolidarischen Positionen und Aktivist:innen. Doch auch die mit den kontinuierlichen Wahlschlappen schwindenden Aussichten auf lukrative Regierungsposten dürfte einen Anteil an ihrer Entscheidung haben. Ergibt sich mit den Austritten die Chance auf eine linke Kurskorrektur? 

Zumindest personell läutete der Parteitag eine weitreichende Erneuerung ein. Mit der Journalistin Schwerdtner, die erst seit einem Jahr Parteimitglied ist und dem ehemaligen Bundestagsabgeordneten van Aken, der bis vor kurzem als Referent für internationale Konflikte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung tätig war, beerben nun zwei relative Außenseiter das erfolglose Führungsduo aus Janine Wissler und Martin Schirdewan. Sie selbst inszenierten sich als „frischer Wind“, um die Partei wieder nach vorne zu bringen, vor allem aber als Vermittler:innen, die durch Befriedung nach innen dazu beitragen wollen, Geschlossenheit nach außen auszustrahlen. Van Aken kündigte an, er sei „auch ein Vorsitzender, der mal sagt: Jetzt ist Schluss mit Zoff!“ Er ist eher im bewegungslinken Flügel verankert, während Schwerdtner in der Vergangenheit als Befürworterin von Rot-Rot-Grün auffiel. Beide lassen sich jedoch nicht eindeutig einem Flügel zuordnen und verknüpften ihre Kandidaturen mit einer breiten Ansprache. Dementsprechend waren ihre Reden voll von gefälligen Phrasen und befreit von inhaltlicher Schärfe, die bei einem der verschiedenen Flügel anecken könnte. 

An die guten Ergebnisse von 79,7 (Schwerdnter) beziehungsweise 88 (Van Aken) Prozent, konnten zahlreiche Mitglieder des erweiterten Parteivorstandes, der sich ebenfalls personell stark veränderte, nicht heranreichen – viele seiner Mitglieder zogen mit unter 50 Prozent nach Stichwahl ein. 

Der Blick nach Österreich

Die vom Parteitag ausgehende Orientierung beläuft sich darauf, im kommenden Bundestagswahlkampf einige wenige soziale Forderungen in den Mittelpunkt zu rücken. In einem vor wenigen Wochen in der parteinahen Zeitung Neues Deutschland (ND) veröffentlichen Strategiepapier werben die neuen Vorsitzenden für „eine Fokussierung auf wenige Kernforderungen, die wir unablässig betonen, wie wir es zur Gründung der Partei bereits getan haben. Dieser Fokus wird auf einer der drängenden Fragen unserer Zeit liegen. Dazu werden wir eine oder maximal zwei sehr konkrete Kampagnen zur sozialen Frage entwickeln, die die Regierungspolitik vor sich hertreiben und der Linken einen Gebrauchswert und eine Praxis geben. […] Eine der drängendsten Fragen unserer Zeit ist die Wohnungsfrage. Wir beantworten sie ganz konkret mit einem bundesweiten Mietendeckel, der sofort den Druck für Millionen Mieterinnen und Mieter nehmen würde.“ 

Also ein Ansatz der „Brot und Butter“-Politik, der sich auf konkrete ökonomische Probleme der Menschen konzentriert und leicht verständliche Lösungen anbietet. Als Vorbild dürften dabei die Kommunistische Partei Österreich (KPÖ), aber auch die Wahlkampagne des Leipziger Landtagsabgeordneten Nam Duy Nguyen dienen. Die KPÖ behandelte die Wohnungsfrage bei ihren Wahlkämpfen in der Steiermark und Salzburg nahezu als einziges Thema und konnte so beachtliche Stimmerfolge erzielen. 

Neben dem engen Fokus auf Mietenpolitik zeichnet sich die KPÖ durch das umfangreiche Angebot von Sprechstunden, Miet- und Sozialberatungen aus. Ihre Wahlkämpfe sind geprägt durch zahlreiche Haustürgespräche und eine hohe Präsenz in den Stadtteilen. In dieselbe Kerbe schlagen die neuen LINKEN-Vorsitzenden, wenn sie von einem „Gebrauchswert“ der Partei sprechen. Ähnlich wie die KPÖ kündigten Schwerdtner und van Aken an, auf einen Teil ihres Gehalts zu verzichten, um dieses in soziale und parteiische Projekte zu stecken; dies ist jedoch vollkommen freiwillig, für weitere Mandate der Partei etwa im Bundestag gilt das nicht. In ihrer Rede lobte Schwerdtner überschwänglich die Bundesarbeitsgemeinschaft „DIE LINKE hilft“ und versprach, ihr Amt zu nutzen, um diese auszubauen. Dabei handelt es sich um ein Projekt, welches bundesweit rund 120 kostenlose Sozial- und Hartz IV-Sprechstunden, Angebote zu Asylberatung, Mieten- und Familienhilfe anbietet. Massenhafte Haustürgespräche, wie sie schon von Nguyen zur Sächsischen Landtagswahl betrieben wurde, sollen die Grundlage für den erhofften Wiedereinzug in den Bundestag im kommenden Jahr bilden. 

Eine ähnliche Orientierung deutete der Vorstand der Grünen Jugend (GJ) an, als er vor einigen Wochen geschlossen aus der Mutterpartei austrat und die Kampagne Zeit für was Neues ins Leben rief. Ihr Ziel ist die Gründung eines neuen linken Jugendverbandes, der „auch diejenigen begeistert, die schon lange nicht mehr das Gefühl haben, dass auch für sie Politik gemacht wird. Die sich um die großen und kleinen Sorgen der Menschen kümmert und der Vereinzelung ein Miteinander entgegenstellt.“ Viel wurde seit dem Bruch über eine mögliche Fusion mit der Linkspartei spekuliert. Auch hier könnte der Blick nach Österreich Aufschluss geben. 2017 spaltete sich der Jugendverband der österreichischen Grünen ab und fusionierte mit der KPÖ-Jugend zur Jungen Linken, einer formal unabhängigen, aber de facto an die KPÖ angegliederte Jugendorganisation.

Auf dem Weg zur „Kümmererpartei“ mit der Abspaltung der Grünen Jugend?

Ein deutliches Signal sendete die ehemalige GJ-Sprecherin Sahra-Lee Heinrich mit ihrer Rede auf dem LINKE-Parteitag. Sie verkündete zwar noch nicht den Eintritt in die Partei, eröffnete diese Möglichkeit aber für die Zukunft und betonte den Willen nach Zusammenarbeit: „wir haben gerade eine Beziehung beendet. Wir sortieren uns jetzt erst mal. Aber wer weiß, vielleicht kann man sich danach ja mal kennenlernen. Ich glaube, wir werden danach voneinander hören.“ Laut ND plant der neue Jugendverband, bei der kommenden Bundestagswahl, den Wahlkampf der LINKEN zu unterstützen und es Mitgliedern freizustellen, der Partei beizutreten und auf ihren Listen zu kandidieren. Ines Schwerdtner begrüßte den Vorstoß mit offenen Armen und wird wohl offensiv um die Mitglieder von Zeit für was Neues werben. 

In welche Richtung sich Zeit für was Neues orientiert, machten die ehemaligen GJ-Sprecherinnen Apun, Heinrich und Stolla in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung klar:

„Wir wurden politisiert in einer Zeit voller Debatten um den CO-Fußabdruck und korrekte Sprache. Alles Mögliche war „problematisch“. Wir haben aber auch gemerkt, dass dieser Weg in die Sackgasse führt. Für uns gehört die soziale Frage in den Mittelpunkt. Wir wollen mit allen Politik machen, für die es so nicht weitergehen kann. Diese Kritik kennt man sonst vielleicht von Sahra Wagenknecht. Wir finden, damit hatte sie auch einen Punkt. Leider hat sie sich auch entschieden, nach unten zu treten. Und den Kulturkampf, den sie einst kritisiert hat, führt sie jetzt von der anderen Seite selbst.“

Die Worte Palästina oder Ukraine kommen im Interview nicht vor. Ebenso wie die Linkspartei will man das weltpolitische Geschehen ausklammern, sich auf Brot-und-Butter-Themen beschränken und Stadtteilarbeit machen. Entsprechend egal ist es, dass sich in persönlichen Aussagen der Mitglieder von Zeit für was Neues harte pro-zionistische Positionen finden. Ein offener Diskussionsprozess über die Entwicklung dieses neuen Projektes scheint ohnehin nicht geplant; es ist bezeichnend, dass Heinrich und Co. das Interview in der FAZ suchen, dem Leitmedium des Konservatismus.

Die Linkspartei dürfte Richtung Bundestagswahlen darauf abzielen, in Verbindung oder zumindest mit Unterstützung von Zeit für was Neues ihr Image als „Kümmererpartei“ wiederzubeleben, mit einer gewissen Rückkehr zur Politik der alten PDS, auch mit einem Image als Partei des Ostens. Auf dem Parteitag fiel zwar häufiger das Wort „Klassenpolitik“, aber nicht im Sinne davon, die Entwicklung einer klassenkämpferischen Arbeiter:innenbewegung zu fördern, sondern als politische Stellvertretung sich um die Armen zu kümmern und Klientelpolitik zu betreiben. Die Basis wird ähnlich der KPÖ als Betroffene adressiert, nicht als eigenständige politische Akteur:innen.

Passenderweise reduziert Schwerdtner den Kampf gegen Rechts vor allem auf soziale Fragen. In einem Beitrag im Jacobin behauptete sie 2023 „Antifa heißt Wohlfahrtsstaat“. Doch der Aufstieg der AfD und die Übernahme ihrer Forderungen durch die Parteien der Mitte liegt nicht einfach daran, dass es plötzlich verarmte und verzweifelte Massen gäbe, die bei der Suche nach einem Ausweg dem Populismus auf den Leim gehen. Eine solche Analyse ignoriert die tiefgehenden Umwälzungen im Weltgeschehen mit der Rückkehr von Protektionismus und Militarisierung. Rassismus und Nationalismus sind eine Antwort auf diese weltpolitische Lage, letztlich eine Forderung nach der stärkeren Durchsetzung deutscher Interessen und einer Disziplinierung der Arbeiter:innenklasse.

Für ein bisschen Frieden ohne Kritik an der NATO

Besonders in der Außenpolitik fielen die Leerstellen am Parteitag der LINKEN auf. Zu Palästina einigte sich die Partei auf einen Formelkompromiss. Darin heißt es man unterstütze „Demonstrationen für den Frieden, gegen Antisemitismus und Rassismus und für eine gerechte Zweistaatenlösung“. Jede klare Positionierung in Solidarität mit Palästina wird darin vermieden, Hamas und die israelische Regierung gleichermaßen verurteilt. Die Hoffnung wird auf das Völkerrecht und die längst ad absurdum geführte Zweistaatenlösung gelegt, während Israel aktiv darauf hinarbeitet, jegliche Perspektive einer völkerrechtlich ausgehandelten Ordnung zu zerstören. Mit ihrer Kritik an Waffenlieferungen versucht sich DIE LINKE von der Bundesregierung abzugrenzen und einen humanitären Dialog zu wahren. Eine klare antiimperialistische Perspektive fehlte hingegen. Entsprechend geräuschlos schaffte der Kompromissvorschlag, die Kluft in der Partei zu überbrücken. 

Am Wochenende zuvor beim Berliner Landesparteitag hatte dies noch anders ausgesehen: Führende Mitglieder um Klaus Lederer hatten dort einen Antrag für die bedingungslose Unterstützung Israels eingebracht, womit sie jedoch nicht durchkamen und im Tumult den Saal verließen. Folglich verließen mehrere Mitglieder die Partei. Einer von ihnen, Sebastian Schlüsselburg, forderte in einer persönlichen Stellungnahme „Unvereinbarkeitsbeschlüsse mit ‚Palästina spricht‘, ‚Sozialismus von unten‘ und ja auch ‚Marx 21′“. Während diese Erpressungstaktik, die darauf abzielt, die Partei von restlichen linken Positionen zu reinigen, nicht aufging, soll der Formelkompromiss die Linken nun auf subtilere Weise ruhigstellen: Ein humanitärer Dialog ohne jede Befreiungsperspektive.

Ähnlich unscharf sehen die Positionen zur Ukraine aus. Zwar gab es relative Einigkeit bei der Ablehnung des Bundeswehr-Sondervermögens und der Stationierung von US-Waffen, doch größere Differenzen bei der Frage von Waffenlieferungen an die Ukraine und Sanktionen gegen Russland. Auch hier wurde ein vom Parteivorstand verwässerter Kompromissantrag angenommen: „Als Friedenspartei vertritt Die Linke das Primat ziviler, nichtmilitärischer Lösungen. Verhandlungen, Deeskalation und zielgerichtete Sanktionen, die auf die ökonomische und politische Machtbasis und die militärischen Fähigkeiten eines Aggressors zielen, sind für uns die Mittel der Wahl, um die Waffen zum Schweigen zu bringen und das Töten zu beenden.“

Mit dem Versuch, sich als „Partei des Völkerrechts“ zu positionieren, will die Führung der LINKEN eine einheitliche, möglichst unkonkrete Grundlage schaffen, auf die sich alle einigen können. Sie beziehen sich auf eine „regelbasierte“ Weltordnung, die spätestens mit dem Ukrainekrieg in Frage gestellt ist. Gegen einen Putin, der diese Ordnung zerstören will, bleibt entsprechend ein Verteidiger: Die NATO. Ein Antrag, welcher deren Osterweiterung kritisierte und Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnte, fand keine Mehrheit. Diese uneindeutige Position passt ganz gut zur Haltung des neuen Vorsitzenden Van Aken, der sich selbst als einen der „bekanntesten Friedensaktivisten“ Deutschlands bezeichnet. Er stellt sich gegen Waffenlieferungen, aber nur, wenn dies durch diplomatische Initiativen begleitet ist. „Einfach nur Waffenlieferungen einstellen, das geht nicht.“ Eine halbgare Position, die letztlich jegliches diplomatische Scheitern auf Putin schieben und so der NATO eine Legitimation geben kann. 

Zeit für was Neues oder alles beim Alten?

Bei dem Parteitag zeigte DIE LINKE den Versuch, ihre Einheit in den Vordergrund zu stellen. Inhaltliche Differenzen sollen erst nach der Bundestagswahl geklärt werden. Der letztjährige Austritt von Wagenknecht mit ihren zu Russland vermittelnden Positionen dürfte jedoch noch kaum ausreichen, die verschiedenen Flügel zu einigen. Der Fokus auf Sozialpolitik kann nur notdürftig verdecken, dass DIE LINKE zu den zentralen Themen der Weltpolitik weiter keine Antwort findet. Vielmehr bedeutet die angestrebte Ausklammerung von Fragen der Migration, des steigenden Rassismus und des Genozids in Gaza eine Kapitulation vor dem rechten Zeitgeist, trotz der auf dem Parteitag vielfach beschworenen Parole, DIE LINKE sei die einzige Partei, die den Rechtsruck nicht mitmache. Sie schreckt davor zurück, offensiv ein antirassistisches Programm zu verteidigen, während der Rassismus im Zentrum der bürgerlichen und rechten Agitation steht und sich rassistische Gesetzesverschärfungen häufen. Sollte sich die Abspaltung der Grünen Jugend der LINKEN anschließen, könnte dies zwar zu einem vorübergehenden Aufschwung in der medialen Wahrnehmung führen und auch enttäuschte linksliberale Grünen-Wähler:innen ansprechen. Doch angesichts der stark pro-zionistischen Positionen dieses Projekts dürften sich neue Schwierigkeiten ergeben.

Letztlich bleibt die Kernfrage für die Partei weiter ungelöst: Worin besteht ihre Daseinsberechtigung? Spätestens mit dem Ukraine-Krieg zeigte sich ihre Ratlosigkeit. Ihre Politik der kapitalistischen Mitverwaltung in Regierungsverantwortung wurde über die letzten Jahre brutal abgestraft. Zuletzt flog die Partei beinahe aus dem sächsischen Landtag. In Thüringen, wo sie zwei Wahlperioden mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellte, kam sie nur noch auf 13 Prozent. Hauptprofiteur der Enttäuschung des „linken Regierens“ war die AfD – was in beißendem Widerspruch steht zum Selbstverständnis der Partei als wichtigster antifaschistischer Kraft. Eine Abrechnung mit diesem katastrophalen Kurs suchte man bei dem Parteitag vergebens. Ganz im Gegenteil – mit der von Gregor Gysi angekündigten „Aktion Silberlocke“ könnten die Politiker, die am meisten für den Regierungs- und Anpassungskurs stehen, welche die Partei an den Abgrund gebracht hat, im kommenden Wahlkampf eine prominente Rolle spielen. Gysi, der als Berliner Wirtschaftssenator die Privatisierung von hunderttausenden Sozialwohnungen mitverantwortete, Dietmar Bartsch, der die Regierung darum bat, Streiks zu verhindern und in Reaktion auf Black Lives Matter Proteste mehr Respekt für die Polizei forderte sowie Bodo Ramelow, der die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die Auslieferung von ukrainischen Männern an die Front befürwortet, würden sich in den nächsten Wochen treffen und diskutieren, ob es mit der Linken nach dem Parteitag von Halle wieder aufwärts geht. Falls das Ergebnis positiv ausfalle, würden die drei versuchen, Direktmandate zu erringen und sich mit voller Kraft in den Wahlkampf hängen. 

Es scheint nahezu grotesk, dass die Partei nicht im geringsten bereit ist, die eigene Rolle beim Aufstieg der AfD nachzuvollziehen. Erklären lässt sich dies nur damit, dass die Partei weiter auf Regierungsbeteiligungen schielt. Schwerdtner galt in den vergangenen Jahren als glühende Befürworterin eines rot-rot-grünen Projekts. Diese Perspektive ist schon rein rechnerisch, vor allem aber durch den politischen Niedergang des linken Liberalismus, in weite Ferne gerückt. Es bleibt offen, wie sich DIE LINKE eine künftige Rolle im bundesdeutschen Parteiensystem vorstellt, insbesondere für den Fall, dass das BSW in der kommenden Wahlperiode in den Bundestag einziehen sollte, was für DIE LINKE mehr als fraglich scheint.

Linke Ansprachen an der Basis wie durch Nam Duy Nguyen in Leipzig oder Ferat Koçak in Berlin-Neukölln können der Partei möglicherweise lokale Schwerpunkte verschaffen und die Illusion erzeugen, dass sie sich insgesamt nach links bewegen würde. Doch in ihrer gesamten strategischen Ausrichtung bleibt sie ein linkssozialdemokratisches Projekt, das bürokratisch von oben herab darauf ausgerichtet ist, ein soziales, aber staatstragendes Korrektiv zur herrschenden Politik darzustellen. Die Partei stellt damit auch eine Sackgasse dar für revolutionäre Kräfte, die weiter davon ausgehen, sie von innen verändern zu können. Dem gegenüber schlagen wir vor, dass Revolutionär:innen unabhängig von der LINKEN für Wahlen und den Klassenkampf zusammenarbeiten sollten.

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