[DEBATTE] Eine kämpferische politische Plattform als Zukunftsprojekt
Für die offene Debatte über die Notwendigkeit einer revolutionären Partei in Deutschland, die wir als RIO/KGK angestoßen hatten, gibt es einen ersten Diskussionsbeitrag. "Initiative der Mutigen" erörtert in ihrer Erklärung, was für eine kämpferische Kraft es braucht. Wir spiegeln solidarisch ihren Debattenbeitrag.
Offene Debatte über die Notwendigkeit einer revolutionären Partei in Deutschland
Als Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO), Herausgeberin von KlasseGegenKlasse haben wir am 1.Mai 2021 den Aufruf „Es rettet und kein Grün-Rot-Rot: Für eine unabhängige revolutionäre Partei!“ veröffentlicht. Darin schlugen wir angesichts der kapitalistischen Krise und der kommenden Bundes- und Landtagswahlen eine Kampagne gegen die reformistische Perspektive der Regierungsbeteiligungen und für eine Perspektive des Klassenkampfes vor. Anknüpfend an eine solche Kampagne haben wir Genoss:innen und Organisationen mit revolutionärem Anspruch vorgeschlagen, mit der reformistischen Strategie der Linkspartei politisch und organisatorisch zu brechen und in der Perspektive des Aufbaus einer vereinten revolutionären Kraft voranzuschreiten.
Es rettet uns kein Grün-Rot-Rot: Für eine unabhängige revolutionäre Partei!
In der Erklärung stellten wir fest, dass eine revolutionäre Partei nicht zum Zeitpunkt des Ausbruchs einer (vor-)revolutionären Situation improvisiert werden kann. Sie muss sich in den Kämpfen hier und jetzt entwickeln. Sie muss sich erproben und sich beweisen, im Kampf gegen die reformistischen und sozialdemokratischen Führungen. Sie muss das Vertrauen der Massen durch die Bildung einer wirkungsvollen Einheit gegen die Angriffe der Kapitalist:innen und Regierungen gewinnen. Schlussendlich muss sie ihren Einfluss in Sektoren der Arbeiter:innenklasse, der Jugend und in unterdrückten Sektoren erhöhen, denn nur so kann sie im entscheidenden Moment die Mehrheit der Arbeiter:innenklasse hinter sich versammeln und einen revolutionären Ausweg aus der Krise finden: den Sturz der Regierung und die Bildung einer Arbeiter:innenregierung mit der Perspektive der sozialistischen Umwälzung der Gesellschaft.
In diesem Sinne schlugen wir all jenen, die sich von diesem Aufruf angesprochen fühlen, auch vor, gemeinsame Erfahrungen in den kommenden Klassenkämpfen, unter anderem in der Mieter:innenbewegung, den Krankenhausbewegungen und anderen sozialen Bewegungen zu machen, um eine klassenkämpferische Perspektive gegen das sozialpartnerschaftliche Krisenmanagement zu vertreten, Übereinstimmungen und Differenzen auszutesten und auf der Basis gemeinsamer Schlussfolgerungen voranzuschreiten.
Am Ende der Erklärung luden wir alle Aktivist:innen und Organisationen, die sich von diesem Aufruf angesprochen fühlen, dazu auf, sich mit schriftlichen Beiträgen an der Debatte zu beteiligen. Wir stellen für diese Diskussion KlasseGegenKlasse als Plattform zur Verfügung.
Die Genoss:innen von der „Initiative der Mutigen“ haben uns einen ersten solchen Debattenbeitrag geschickt, en wir hier gerne veröffentlichen und auf den wir bald antworten wollen. Es ist ein Text zur Frage der Partei, den die „Initiative der Mutigen“ 2018 verfasst hat und nun erneut zur Diskussion stellt:
EINE KÄMPFERISCHE POLITISCHE PLATTFORM ALS ZUKUNFTSPROJEKT
In den meisten europäischen Ländern ist eine objektive Entwicklung zu beobachten: Die seit Jahrzehnten andauernde und durch die herrschenden Klassen und ihre politischen Vertreter/innen durchgesetzte kannibalische Politik führt nicht nur immer größere Massen der Arbeiterklasse und des Kleinbürgertums in den EU-Ländern und in Deutschland, dem in der EU wirtschaftlich, finanziell und politisch führendem Land, ins absolute Elend und in den Ruin, sondern auch zur immer stärker werdenden politischen Ausdifferenzierung und Polarisierung: neue aufkommende links-reformistisch orientierte politische Bewegungen und Parteien einerseits und aggressiv-reaktionäre und faschistische Bewegungen und Parteien auf der anderen Seite.
Die Auswüchse der Verelendung und des Ruins in allen europäischen Ländern haben solche Ausmaße angenommen, dass Millionen von Menschen trotz Arbeit an der Schwelle des Existenzminimums leben und die so genannte „Mittelschicht“ ständig kleiner wird oder die soziale Ungleichheit enorm zugenommen hat, so dass immer mehr Vertreter/innen der herrschenden Klassen zu einem „Paradigmenwechsel“ übergegangen sind. Während bis Mitte der Achtziger Jahre große soziale Ungleichheit höchstens als Überbleibsel des 19. Jahrhunderts angesehen wurde, welcher die soziale Marktwirtschaft angeblich den Kampf ansagt und die angeblich im Rahmen der „sozialen“ Marktwirtschaft beseitigt werden könnte und sollte, halten immer mehr Kreise der herrschenden Klasse die „soziale Ungleichheit“ für „natürlich“ und für ein „unveränderbares Gesetz der gesellschaftlichen Entwicklung.“ Sozialdarwinistische Gesellschaftskonzepte und rassistisches Menschenbild finden immer mehr AnhängerInnen in den etablierten Kreisen der herrschenden Politik. In diesem besonderen Klima der bürgerlichen Politik gedeihen auch die offen ultra-reaktionären und faschistischen Parteien und vergrößern von Wahlen zu Wahlen unaufhaltsam ihren Erfolg.
Dass es in Europa eine starke soziale Verelendung und dementsprechend eine politische Ausdifferenzierung gibt, wird von den meisten Linken in Deutschland nicht bezweifelt. Die Schwierigkeit bzw. die Ablehnung von vielen Linken wird an dem Punkt umgehend gemeldet, dass es auch in Deutschland eine politische Ausdifferenzierung in Richtung Links geben könnte.
Gegen die Bejahung dieser Frage würden erst mal viele objektive Fakten sprechen.
- a) in Deutschland gibt es bisher keine großen Massenprotestbewegungen gegen die Folgen der Politik des Großkapitals,
- b) viele Menschen, vor allem viele junge Menschen aus der Arbeiterklasse empfinden die Politik im Allgemeinen als ein Geschäft der Selbstbedienung und Selbstbereicherung einer unantastbaren Kaste und noch fataler ist,
- dass genauso viele Menschen auch dieses System als unveränderbar ansehen (aufgrund ihrer Machtlosigkeit gegenüber dem Herrschaftsapparat der herrschenden Klasse in Deutschland),
Allein diese Fakten stellen ganz klar dar, wie schwierig es wäre und mit welchen großen Hürden die Entwicklung einer linken politischen Bewegung in Deutschland konfrontiert wäre.
Trotzdem sprechen andere Fakten für eine positive Beantwortung derselben Frage:
Auch wenn das deutsche Großkapital hier und dort bereit ist, Zugeständnisse zu machen, wird seine Hauptpolitik darin bestehen, die bisherige brutale Ausbeutungspolitik noch zu verschärfen und damit die weitere Verarmung und Verelendung von immer größeren Teilen der Arbeiterklasse und weiteren arbeitenden Bevölkerung brutal und schonungslos durchzusetzen. Diese Politik wird gesetzmäßig die Wut gegenüber der Kapitalpolitik ständig stärken und die Bereitschaft, die Wut in politischen Bewegungen zum Ausdruck zu bringen, vergrößern.
Dieses Potential einer Protestbewegung ist aufgrund der Konzentration der Arbeiterklasse eher in Ballungsgebieten und Großstädten zu erwarten als in ländlich geprägten Regionen. Dazu kommen auch andere Faktoren wie z.B. die immer größer werdende Wohnungsnot und Gentrifizierung in den Ballungsgebieten, weitere massenhafte Rationalisierungen in Industrieregionen usw. usf.
Diese Protestbewegung wird auch in Deutschland kommen. In welcher Intensität, Stärke und Hartnäckigkeit sowie in welcher Risikobereitschaft, können wir nicht vorhersehen. Wichtig für das zukunftsorientierte politische Handeln ist, eine politische Plattform für eine solche politische Bewegung vorzubereiten und zur gegebenen Zeit anzubieten.
Ultra-reaktionäre Bewegungen und Parteien, die sich inzwischen in vielen europäischen Ländern etabliert und eine Massenbasis aufgebaut haben, nutzen sehr geschickt die soziale und politische Unzufriedenheit der „einheimischen“ Arbeiter und Angestellten sowie weiter Teile des immer stärker ruinierten Kleinbürgertums für ihre reaktionäre Politik. Die soziale Demagogie ist ein fester und systematischer Bestandteil der Politik der ultra-reaktionären und faschistischen Parteien und Bewegungen. Sie achten genau darauf, den Eindruck zu vermitteln, als ob sie die einzige „Wortführerin des kleinen Mannes“ seien. Auch die Terminologie wie z.B. „Revolution“ wird von solchen reaktionären und faschistischen Organisationen, Parteien und Bewegungen systematisch missbraucht, indem sie behaupten, dass sie „gegenüber dem Kartell der etablierten Politik“ eine „politische Revolution“ durchsetzen wollen!
Politische Erfolge von ultra-reaktionären und faschistischen Parteien werden nicht nur von den bisherigen etablierten Kapitalparteien, sondern auch von offen reformistischen Parteien wie der „Linkspartei“ dazu genutzt, „die Einheit der ‚demokratischen‘ Kräfte“ auf gar keinen Fall zu gefährden, sondern die bisherigen „angeblich demokratische Parteien“ stärker zu unterstützen und durch keine weiteren extremen politischen Experimente „den demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaft“ zu gefährden.
Auch in vielen linksradikalen Kreisen werden die „Erfolge der ultra-reaktionären und faschistischen Parteien“ als ein starkes „Indiz“ für die Unmöglichkeit des Aufbaus einer kämpferischen Partei verstanden, weil eben genau dafür ja keine Massenbasis existiere! Erst wenn eine Massenbewegung selber(!!!) den Aufbau einer politischen Partei auf die Tagesordnung setzen würde, würden bestimmte linksradikale Kräfte sich bereit erklären, diese Zielsetzung wahrzunehmen.
Auch gibt es viele grundsätzliche und in den Köpfen vieler Linken fest verankerte Vorurteile, wie z.B. dass der Aufbau einer Partei zwangsweise den Aufbau eine Hierarchie bedeute, was wiederum eine Unterordnung unter die Beschlüsse von anderen Organen und Menschen heißen würde. Diese Ideologie der strikten Ablehnung jedweder Hierarchie ist vor allem die Ideologie der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Intelligenz. Die bürgerliche und die kleinbürgerliche Intelligenz können ihre Erfolge und ihren gesellschaftlichen Stand durch ihre individuellen Fähigkeiten und Machtpositionen erreichen und durchsetzen. Ihre Ablehnung gegenüber jeglicher Kollektive ist klassenbedingt und bringt auch die objektiven Interessen ihrer sozialen Schicht zum Ausdruck. Die Bereitschaft der Anerkennung einer kollektiven Politik würde für die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Intellektuellen eher in Frage kommen, wenn diese von einer herrschenden Klasse des Kapitals aufgezwungen wird, da diese dann ja für sie Anerkennung und Karrieremöglichkeiten eröffnen würde.
Ein weiteres großes Hindernis für den Aufbau einer kämpferischen Partei ist die Linkspartei und zwar in zweierleier Hinsicht:
Erstens wird die Linkspartei versuchen, mit allen Mitteln jeglichen Versuch des Aufbaus einer wirklich kämpferischen, gegen die Macht des Kapitals gerichteten Partei zu verhindern, damit eine Partei links von ihr auf keinen Fall entstehen kann. Sonst würde diese Partei die große Gefahr in sich tragen, dass die offen reformistische und weitgehend in dem bürgerlichen Politikgeschäft etablierte und anerkannte bürgerliche Linkspartei einen großen Teil ihrer Wählerbasis verliert.
Zweitens wird die ekelhafte Anpassung der Linkspartei an den bürgerlichen Politikbetrieb von vielen Linksradikalen als Beweis dafür angesehen, dass jegliche parteipolitischen Experimente zum Scheitern verurteilt seien, da solche Experimente einer linksradikalen Partei den „demokratischen und egalitären Prinzipien“ der „Selbstermächtigung“ widersprechen würden usw. usf.
Wir können und müssen immer mit dem Hauptargument dagegen halten: Ohne ORGANISIERTEN und KOLLEKTIVEN sowie POLITISCH geführten WIDERSTAND kann weder den reaktionär-faschistischen Bewegungen und den Angriffen des Kapitals begegnet werden, noch kann eine politische und gesellschaftliche Alternative entwickelt werden.
Bestes überzeugendes Argument auf allen gesellschaftlichen Ebenen sind erzielte praktische Erfolge. Nur wenn in einer Stadt oder Bundesland ein solches Experiment des Aufbaus einer kämpferischen (Block)Partei bei einer Wahl teilzunehmen und Erfolge zu erzielen gelingt, wird allein diese Tatsache unzählige neue Menschen und Aktive überzeugen und sie für das Experiment in ungeahnter Weise mobilisieren. Hier ist der Erfolg die Zauberformel. Um aber wiederum diesen Erfolg erzielen zu können, muss zumindest in einer Stadt oder in einem Bundesland eine solche handlungsfähige und in einer Wahl politisch wirksame kämpferische Partei aufgebaut sein. Das ist ein mühsames und mit vielen Hindernissen bestelltes Feld.
POLITISCHE ZIELE
Die besondere Charakteristik von vielen reformistischen linken Parteien wie SYRIZA, LINKSPARTEI oder PODEMOS, ist erstens ihre NICHT klassenorientierte Politik. All die reformistischen Parteien erkennen zwar die Existenz von Klassen und in deformierter Form auch die Existenz der Arbeiterklasse an, wie dieses beispielsweise im Parteiprogramm der Linkspartei auch zu lesen ist:
„Deutschland- eine Klassengesellschaft
Deutschland ist eine Klassengesellschaft. Die Produktion von Waren und Dienstleistungen findet überwiegend in privaten Unternehmen mit dem Ziel statt, möglichst hohe Gewinne zu erzielen. Die große Mehrheit der Erwerbstätigen arbeitet als abhängig Beschäftigte……
Auch wenn die Arbeitsverhältnisse und Tätigkeiten sehr differenziert sind, so ergibt sich doch die gemeinsame Klassenlage aus dem allgemeinen Charakter der Lohnarbeit mit ihrer Abhängigkeit vom Kapital. Die Lohnabhängigen haben das gemeinsame Interesse, ihre Einkommen, Arbeitsbedingungen und ihre soziale Absicherung durch betriebliche, tarifliche und gesetzliche Regelungen zu verbessern und so die kapitalistische Herrschaft und Ausbeutung zu beschränken…“
Auch wenn hier heuchlerisch die Existenz der Arbeiterklasse und ihre Abhängigkeit vom Kapital anerkannt wird, wird daraus keine Schlussfolgerung bezüglich eines unvermeidlichen Klassenkampfes gezogen, sondern die Schlussfolgerung eines reinen Reformismus: die Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse im Kapitalismus durch die die kapitalistische Herrschaft und Ausbeutung beschränkenden (Reform)Schritte!!
Die Ablehnung des Klassenkampfes der Arbeiterklasse gegen die Bourgeoisie ist das erste wichtige Merkmal des offenen Reformismus.
Da der Klassenkampf bei solchen offenen reformistischen Parteien wie bei der Linkspartei weder programmatisch noch in der praktischen Tagespolitik (hier sind die Folgen noch krasser und offensichtlicher) keine Rolle spielt, wird daher auch mit allen Mitteln versucht, keine klassenkämpferische Politik zu realisieren. Im Gegenteil, es wird die „Verteidigung der (bürgerlichen) Demokratie“ zum wichtigsten Prinzip der Politik erklärt und die Frage der Überwindung des Kapitalismus als eine weit in die Zukunft übertragene hypothetische Option angesehen. Wenn der Klassenkampf nicht den Inhalt der Parteipolitik bestimmt, kann es auch dementsprechend für die reformistische Linkspartei nur eine Option geben: alleinige Konzentration der Politik auf den bürgerlichen Parlamentarismus und auf die Einflussnahme durch mögliche Regierungsbeteiligung auf die Landes- bzw. Bundesebene.
Auch wenn die Akzeptanz der etablierten Parteien der Konzerne in der BRD bezüglich der Linkspartei noch nicht ausreicht, sie als Koalitionspartnerin in einer Bundesregierung aufzunehmen, wurde in mehreren Ländern die „Regierungsfähigkeit“ und „Verantwortungsbereitschaft“ der Linkspartei exerziert.
In Mecklenburg-Vorpommern von 1998-2006 (gemeinsam mit SPD)
in Berlin 2001-2011 (gemeinsam mit SPD) und seit 2016 (gemeinsam mit SPD und Grünen)
In Brandenburg seit 2009 (gemeinsam mit SPD)
in Thüringen seit 2014 (gemeinsam mit SPD und Grünen, die Linkspartei stellt dort auch den Ministerpräsidenten!)
In all den „verantwortungsvollen“ Regierungsjahren konnten die Minister der Linkspartei ihre Glaubwürdigkeit und Verantwortungsfähigkeit für die Dienste des Kapitals unter Beweis stellen. Die Linkspartei entwickelte sich im Laufe der Zeit von einer bürgerlich-linken Oppositionspartei zu einer im Ausbeutungssystem voll integrierten etablierten bürgerlichen Partei, deren besondere Bedeutung in erster Linie darin besteht, weite Teile der enttäuschten Menschen in dem Ausbeutungssystem wieder voll einzubinden.
Je mehr sich die Linke an die „Spielregeln des Systems“ anpasst und je stärker sie beim „Mitregieren“ ihr wahres bürgerliches Gesicht offenbart, desto stärker wird auch die Enttäuschung der Wählerinnen und Wählern sein. So hat die Linkspartei in Thüringen z.B. gleich nach den Landtagswahlen 2014 all ihre Ziele und Forderungen über Bord geworfen, welche eine Bereitschaft der SPD und der Grünen für eine „Koalitionsregierung“ gefährden würden. SPD und Grüne nahmen die „Chance zur weiteren politischen Domestizierung“ der Linkspartei wohlwollend wahr und akzeptierten den „linken“ Bodo Ramelow als Ministerpräsidenten des Landes. Seitdem arbeitet die rot-rot-grüne Koalition im Dienste des Landes (spricht im Interesse des Kapitals!) sehr harmonisch und fast störungsfrei!
Die willfährige Unterwerfung der Linkspartei unter die Interessen der Großkonzerne dokumentierte das zwischen Landesregierung, DGB und Arbeitgeberdachverband am 20. September 2016 unterzeichnete „Thüringer Bündnis für Industrie“! U.a. wird in der „Gründungserklärung für das Thüringer Bündnis für Industrie“ die folgende Leitlinie auch für die Landesregierung festgehalten: „Die Thüringer Industrie (d.h., das Thüringer Großkapital!!!) hat sich als Wachstumsmotor etabliert. Sie steht für Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung im Freistaat. Sie bietet Unternehmen gute Geschäftsmöglichkeiten (d.h., Höchstprofite!!!) und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sichere und attraktive Arbeitsplätze (d. h., deutlich niedrigere Tariflöhne als in den alten Bundesländern und in der Regel prekäre Beschäftigung!!!). In der Thüringer Industrie gibt es eine funktionierende Tarifautonomie und Mitbestimmungsmodelle, erfolgreiches Unternehmertum und innovative Produkte. Damit sind die Voraussetzungen für gute Arbeit und faire Entlohnung gegeben (!!!???). Das muss gemeinsam gesichert, weiter gestärkt und noch mehr erfahrbar gemacht werden.“ (Anmerk. von uns)
So macht sich die Linkspartei bereitwillig zur Helfershelferin und Mitorganisatorin bei der politischen Durchsetzung der Interessen des Kapitals.
Die Wahlen 2017 haben einen gewaltigen Rechtsruck in Deutschland gezeigt.
Die AFD wurde aus dem Stand bundesweit drittstärkste Kraft, in den neuen Bundesländern ist sie sogar zweitstärkste Partei geworden.
Gerade im Osten, der einstigen Hochburg der Linkspartei, ist die Linkspartei auf Platz drei gerutscht und hat direkt Stimmen an die AFD verloren.
Und statt nun den erstarkenden Rassismus und das offene Auftreten von faschistischen Kräften zu bekämpfen und diesen eine linke antifaschistische Position entgegen zu setzen, versucht sich ein Teil der Linken, nicht nur Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine, bei den AFD Wählern anzubiedern, indem sie die Migrationsdebatte aufgreifen und eine Begrenzung der Zuwanderung fordern. Nur dies sei der breiten Bevölkerung vermittelbar und nötig, um eine erfolgreiche Politik zu machen (!!).
Ob in den nächsten Monaten eine Spaltung der Linkspartei erfolgt, wird sich zeigen. Mit einer immer stärkeren Bekennung zum bestehenden System und einer völligen Alternativlosigkeit dazu, verliert die Linkspartei nicht nur bei vielen möglichen Wähler/innen ihre Anziehungskraft, sie macht sich außerdem schlichtweg überflüssig.
AUF WELCHEN GRUNDLAGEN SOLLTE EINE KÄMPFERISCHE PARTEI AUFGEBAUT WERDEN?
Auch wenn sie von ihren Handlungs- und Wirkungsmöglichkeiten innerhalb der Arbeiter- und Jugendbewegung bis Mitte der 80er Jahren viel verloren haben, gibt es in der BRD immer noch viele zahlreiche sozialistisch-kommunistisch, anarchistisch oder antikapitalistisch orientierte „Parteien“, Organisationen und Bewegungen. Allein durch diese politischen Individuen, Deutschlandweit in zahlreichen und in der Regel vielen sozialistischen oder radikal antikapitalistischen Sekten zerstreute politischen Kräfte ist eine solche politische Plattform oder politische Partei nicht zu realisieren. Man muss auch von der Tatsache ausgehen, dass in Deutschland der Antikommunismus auch innerhalb der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend zutiefst verwurzelt ist und daher für sie eine offen kommunistische oder offen sozialistische bzw. antikapitalistische, antifaschistische politische Bewegung oder Partei keine ernsthafte Alternative darstellen würde.
Was möglich und richtig wäre, ist eine linke kämpferische Partei, die nicht nur für antifaschistische, antikapitalistische oder sozialistisch orientierte Gruppen und Initiativen, sondern möglichst allen konsequent antifaschistischen, antirassistischen, anarchistischen, radikal demokratischen sowie radikal antipatriarchalen und radikal ökologischen Organisationen, Initiativen und Menschen eine gemeinsame Plattform und eine gemeinsame Basis anbietet, um ihre Kräfte gegen die Macht des Kapitals, gegen die immer stärke werdende faschistische Gefahr zu vereinen. Unter den gegebenen Voraussetzungen können gegen die Macht des Kapitals und gegen den Faschismus kämpfende Gruppen und Initiativen ihren Kampf nur erfolgreich führen und eine für einen solchen Erfolg unbedingt erforderliche Massenbasis aufbauen, wenn sie ihre Kräfte vereinen können, wenn sie es schaffen, eine vereinte politische Bewegung aufzubauen. „Vereint“ würde nicht bedeuten, dass viele ernsthafte und wichtige politische Differenzen unter den einzelnen Gruppen und Initiativen künstlich verleugnet werden sollen. Nein, das würde so eine wichtige Initiative von vornherein zum Scheitern verurteilen. Was möglich und unbedingt erforderlich ist, ist die Einigung auf das „Verbindende und Gemeinsame“, welches eine kollektive und effektive Handlungsfähigkeit und Handlungsmöglichkeit schafft. An den Punkten, an denen kein Konsens besteht, bleibt es jeder Gruppe/Initiative überlassen, ob und wie weit sie bei diesen strittigen Punkten gemeinsam handelt.
Eines der wichtigsten Merkmale der etablierten reformistischen linken Parteien in Europa ist die alleinige Fokussierung auf parlamentarische Machtverhältnisse. Für sie ist das bedeutendste Ziel und allerwichtigste Erfolgskriterium die Anzahl der Sitze, die sie bei den Wahlen erringen kann. Die Entwicklung einer Massenbewegung in den Betrieben, auf der Straße ist im besten Falle lediglich als Anhängsel der Parlamentsfraktion einer reformistischen Linkspartei denkbar und erwünscht.
Daher müsste das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen einer reformistischen Linkspartei und einer kämpferischen und konsequenten Partei eine klare Orientierung der Organisation auf die Entwicklung und Stärkung einer kämpferischen Massenbewegung in vielen Bereichen der Gesellschaft sein. Nicht die Massen sollten sich den Zielen einer Parlamentsfraktion, sondern die parlamentarischen Vertreter/innen einer kämpferischen Partei sollten sich den Anforderungen und Interessen einer Massenbewegung unterordnen.
Ein weiteres politisch schädliches Merkmal aller etablierten reformistischen Parteien ist die Klassenneutralität ihrer Politik. Genauso wie die offen bürgerlichen Parteien verstehen sich die reformistischen Parteien als „Volksparteien“. „Klasseninteressen“ oder gar „Klassenkampf“ sind in ihrer Programmatik nicht zu finden. Das ist auch die logische Fortsetzung des Wesens ihrer Politik, da sie auf den Ausgleich der Interessen unterschiedlicher Klassen, auf die Harmonisierung der Widersprüche gegnerischer Klassen orientiert sind. Daher propagieren sie systematisch und programmatisch, dass im Rahmen des Kapitalismus, unter der Voraussetzungen der Herrschaft des Kapitals, eine grundsätzliche Verbesserung der Lebenslagen der arbeitenden Klassen möglich und ein „Wohlstandkapitalismus“ erstrebenswert sei.
Im Gegensatz zu den reformistischen Linksparteien sollte eine kämpferische Partei politisch und programmatisch von der Realität der Klassengesellschaft und den Klasseninteressen ausgehen und sich zur Verteidigung und Durchsetzung der Interessen der arbeitenden Menschen im Kapitalismus verpflichten. Ausgehend von den großen katastrophalen sozialen Folgen des Kapitalismus sollte sich eine kämpferische Blockpartei klassenbedingte wichtige Ziele und Forderungen wie z.B. Enteignung von Großaktionären und uneingeschränktes Streikrecht, unbeschränkte Mitbestimmung für Betriebs- und Personalräte, volle Mitbestimmung der (durchzusetzenden) Mieterräte bei allen Miethäusern usw. usf. auf ihre politische Agenda schreiben.
Nicht die Formulierung von richtigen und erforderlichen Zielen und Forderungen für eine kämpferische Partei wird sich als die größte Schwierigkeit darstellen, sondern die Mobilisierung einer ausreichenden Zahl von politisch aktiven Menschen, die sich mit dem Zukunftsprojekt identifizieren und bereit sind, sich überzeugt und energisch für die Realisierung dieser Idee einzusetzen.
Wichtigste politische Zielsetzungen einer möglichen kämpferischen Partei (sagen wir „Partei der Mutigen“) sollten sein
- a) die Anerkennung des Klassenkampfes als wichtigster Hebel der gesellschaftlichen und politischen Veränderung und Entwicklung und
- b) dementsprechend die klare hauptsächliche Orientierung auf die Entwicklung einer außerparlamentarischen Massenbewegung von arbeitenden Menschen, aktiven und kämpferischen Betriebs- und Personalräten, Erwerbslosen, der Jugend der arbeitenden Bevölkerung und der weiteren Teile der Studenten/innen sowie verdrängten oder durch die Verdrängungen betroffenen Mietern/innen usw. usf.
Alle weiteren Fragen und Zielsetzungen wie z.B.
Sozialpolitik,
Wirtschafts- und Finanzpolitik,
Innen und Außenpolitik,
Bildungspolitik,
Umweltpolitik,
Familienpolitik,
Jugendpolitik,
Europapolitik
usw. usf.
sollten auf der Grundlage der Klasseninteressen und des Klassenkampfes der arbeitenden Bevölkerung erörtert und bestimmt werden.
Diese einzelnen Politikbereiche können erst dann konkret vorgenommen werden, wenn sich eine ausreichende Anzahl von MitstreiterInnen bzw. Zusammenhängen und Gruppen mit der Hauptzielsetzung identifiziert hat. Für die gegenwärtige Diskussion ist es nicht unbedingt erforderlich, nachgeordnete Fragen zu klären.
Initiative der Mutigen
Berlin, Juni 2018