“Das war keine Rettung, das war eine Zwangsräumung” – Protest gegen die Räumung der Rummelsburger Bucht

10.02.2021, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Simon Zamora Martin

In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde das größte Obdachlosencamp Berlins in der Rummelsburger Bucht geräumt. Die über hundert dort lebenden Personen haben durch die Entscheidung des links-regierten Bezirks ihren sicheren Zufluchtsort verloren. Sie demonstrierten am heutigen Mittwoch vor dem Roten Rathaus.

Vergangenen Samstag rückte die Polizei gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk und der Feuerwehr aus, um ein bekanntes Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht in Berlin zu räumen. Über hundert Personen hatten sich dort in den letzten Jahren etwas aufgebaut, was nun auf Befehl des von der Linkspartei regierten Bezirks für immer verloren gehen wird. Auf einer Kundgebung vor dem Roten Rathaus kamen Bewohner:innen des Camps, solidarische Gruppen und Einzelpersonen zusammen, um unter dem Motto “Ihr habt uns nicht gerettet – Ihr habt uns vertrieben und bestohlen” zu protestieren.

Der fadenscheinige Grund für die Räumung des Camps sei laut Lichtenbergs stellvertretendem Bezirksbürgermeister Kevin Hönicke (SPD) “Kälteschutz”. Man hätte für die Sicherheit der in dem Camp lebenden Personen nicht garantieren können, behauptet Hönicke und versucht damit die Räumung zu rechtfertigen. Vor dem Roten Rathaus widersprechen Betroffene dieser Darstellung: “Bei uns wäre niemand erfroren”, sagt ein Redner und verweist auf die jahrelange Erfahrung mit Kälteeinbrüchen, die die Bewohner:innen gesammelt haben. In der Bucht habe man etwas gehabt, das sich mühsam aufgebaut wurde und mit dem man auch diesen Winter hätte überstehen können. “Das war unser Zuhause, jetzt haben wir wieder nichts”, klagt einer der Geräumten.

Der großartige Plan des von der Linkspartei geführten Bezirks in Zusammenarbeit mit dem rot-rot-grünen Senat war im Anschluss an die Räumung die Obdachlosen in Hostels unterzubringen, wo sie dann “sicher” seien. Hönicke sagte bereits, dass er nicht wisse, wie viele Menschen das “Angebot” tatsächlich angenommen hätten, dass man aber von den 100 Bewohner:innen 50 in eine Unterkunft gebracht hätte. Auch diese Lüge wird auf der Kundgebung entlarvt. Von den schätzungsweise 100 Menschen, die in dem Camp gelebt haben, wissen Helfer:innen von gerade einmal 7 (!) Personen, die sich in diese Unterkunft begeben haben. Der Verbleib von etlichen der Menschen ist seit der Nacht der Räumung unklar. Und diejenigen, die tatsächlich in eines der Hostels gebracht wurden, mussten Schikane über sich ergehen lassen, wie einer der Betroffenen berichtet. Er musste sich durchsuchen lassen, dann wurden ihm Tabak und andere Wertgegenstände abgenommen, die er bisher nicht wiederbekommen hat.

So sieht also die Sicherheit für “Leib und Leben” aus, die sich die Linkspartei in Lichtenberg und R2G im Senat für die Obdachlosen von Berlin vorstellen: Mitten in einem Schneesturm bei enormer Kälte, um drei Uhr morgens und ohne Ankündigung ein Camp räumen und dessen Bewohner:innen dann noch um ihre Habseligkeiten bringen.

Und obwohl der Verlust von den wenigen Dingen, die die Betroffenen noch mitnehmen durften schmerzhaft genug ist, ist der wahre Verlust für die meisten der Abriss des Camps. Denn obwohl der Bezirk mit der Eigentümerin der Fläche, auf der das Camp errichtet war, angeblich eine Übereinkunft hatte, die Beherbergung und das Eigentum der dort Wohnenden nicht anzurühren, fuhren schon am Samstagmittag die Bagger vor. So gut wie alles Eigentum haben sie einfach auf einen Haufen geworfen, die Zelte und einen erst vor kurzem gekauften Wohnwagen kurzerhand zerstört, heißt es auf der Kundgebung. Was der Stellvertretende Bezirksbürgermeister Hönicke dazu denkt, liest man beim rbb: “Dafür bin ich nicht verantwortlich” – Eine Aussage, die vor Ignoranz nur so strotzt und zeigt, dass diese Zwangsräumung mit irgendeiner Form von Nächstenliebe nichts zutun hat.

Geräumt für ein Aquarium

Tatsächlich ist die Kälte nur ein Vorwand die Menschen, die immerhin seit sechs Jahren auf dem Areal an der Rummelsburger Bucht leben, endlich loszuwerden. Das Gelände rund um die Rummelsburger Bucht gehört nämlich mehreren Investor:innen, so wie unter anderem der Padovicz Unternehmensgruppe, der auch die vom rot-rot-grünen Senat geräumte Liebig34 gehört. An der Bucht soll unter anderem ein privates Aquarium namens “Coral World” gebaut werden, das für den Bezirk scheinbar eine höhere Priorität hat als die Unterkunft von Menschen. Dem Bebauungsplan stimmte zumindest die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Lichtenberg, in der die Linkspartei stärkste Kraft ist, im Mai 2019 trotz Protest von Aktivist:innen zu.

Sieht so also die “Stadt für alle” aus, die sich die Linkspartei vorstellt? Während sie gemeinsam mit SPD und Grünen Obdachlose aus ihren Camps räumt, erfrieren trotz tausender leerstehender Hotelzimmer in Berlin die Menschen auf der Straße. Dafür ist die Landesregierung direkt verantwortlich, wenn sie sich weigert die freien Zimmer zu nutzen und für Spekulation verwendeten Leerstand zu enteignen.

Aber der Kampf um die Stadt ist noch lange nicht vorbei. Die nächste Phase des Volksbegehrens von “Deutsche Wohnen und Co. Enteignen” steht an, und mit einem Wink auf die Besetzung in der Habersaathstraße vor einigen Monaten kündigt ein Redner auf der Kundgebung an, dass das “nicht die letzte und auch nicht die vorletzte Besetzung von Wohnraum durch obdachlose Menschen war”. Doch in jedem Kampf braucht man Verbündete, vor allem, wenn eine Stadt zurückerobert werden soll. Die Ereignisse rund um die Rummelsburger Bucht haben eines ganz klar gezeigt: Die Linkspartei ist keine Verbündete.

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