„Das ist so behindert“ – warum solche Sprache einfach gar nicht klar geht

21.01.2017, Lesezeit 5 Min.
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Viele Menschen nutzen Schimpfwörter, die Menschen mit Behinderungen stigmatisieren. Eine solche Sprache ist nicht in Ordnung – und stärkt die Macht des Kapitals.

„Das ist so behindert!“ Gerade unter Jugendlichen hört man solche Sätze – als wäre „behindert“ gleichzusetzen mit „schlecht“. Was steckt hinter diesem Gedanken?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir ständig zu Konkurrenz gegeneinander angestiftet werden. Jede*r von uns soll härter arbeiten, mehr kaufen und cooler sein als unsere Mitmenschen. Doch am Ende profitieren nur sehr wenige von dieser Konkurrenz: Nur acht Milliardär*innen besitzen so viel wie die halbe Menschheit.

Die übergroße Mehrheit der Menschheit muss sich dagegen für einen – häufig viel zu mageren – Lohn ausbeuten lassen. Die Kämpfe zwischen den Klassen, die über die letzten Jahrhunderte tobten, stellen dieses Verhältnis in Frage: In welchem Ausmaß lassen sich Arbeiter*innen durch Kapitalist*innen ausbeuten?

Der Kapitalismus ist schuld

Noch vor 150 Jahren galt es als „normal“, dass Kinder zwölf Stunden in der Fabrik arbeiten. Nach unzähligen Kämpfen, Streiks, Demonstrationen und Kampagnen hat sich der Acht-Stunden-Tag als „normale“ Arbeitszeit durchgesetzt (wobei die bürgerliche Offensive der letzten Jahrzehnte dazu führt, dass die durchschnittliche Arbeitszeit wieder zunimmt).

Im Kapitalismus hängt der Wert eines Menschen davon ab, wie viel Profit er*sie für das Kapital schaffen kann. Wer diese 40 Stunden die Woche schafft, gilt als „gut“ und „normal“ – und wer nicht, gilt als minderwertig und „behindert“. Das ist Teil der kapitalistischen Ideologie: Arbeiter*innen sollen auf Menschen herabblicken, die aus welchem Grund auch immer die Normen nicht erfüllen.

Aber es gibt keinen „normalen“ Menschen. Menschen sind vielfältig. Die Grenze zwischen „arbeitsfähig“ und „behindert“ wird durch die Kräfteverhältnisse zwischen den Klassen definiert – und diese Grenze verschiebt sich ständig.

Wir dürfen auch nicht vergessen: Manche Einschränkungen sind angeboren. Andere werden durch den kapitalistischen Produktionsprozess erst geschaffen. In vielen Berufen werden Arbeiter*innen kaputt gemacht – sie werden ausgequetscht und dann weggeworfen. Neue Arbeiter*innen werden hinzugezogen, die ebenfalls kaputt gehen. Das ist das brutale Gesicht der Marktwirtschaft.

Wer mit der heutigen Arbeiter*innenbewegung zu tun hat, weiß auch, dass Schwerbehindertenvereter*innen oft zu den kämpferischsten Stimmen in einer Belegschaft gehören. Wer sich im Alltag ständig mit Diskriminierung herumschlagen muss, ist oft auch schneller bereit, für Löhne und Arbeitsbedingungen für alle in den Kampf zu ziehen.

Deswegen ist der Kampf gegen jede Art von Unterdrückung immer ein Kampf für unsere gesamte Klasse. Nur wenn wir es schaffen, dass Menschen nicht mehr in „vollwertig“ und „minderwertig“ eingeteilt werden, können wir als eine gemeinsame Front gegen das Kapital vorgehen.

Die Diskriminierung entsteht nicht durch die Sprache. Eher umgekehrt: Behindertenfeindliche Schimpfwörter sind nur Ausdruck der vielfältigen sozialen Diskriminierung. Aber wir können nicht ernsthaft gegen Unterdrückung vorgehen, wenn wir es nicht schaffen, über unsere Begriffe nachzudenken. Diese Auseinandersetzung ist ein kleiner, aber wichtiger Teil dieses Kampfes gegen jede Erniedrigung und jede Spaltung.

In einer kommunistischen Gesellschaft wird jeder Mensch so viel arbeiten, wie er*sie kann und möchte – und so viel bekommen, wie er*sie braucht. Jede Unterscheidung zwischen „normalen“ und „behinderten“ Menschen wäre hinfällig – mehr noch, unvorstellbar.

Auch in der Linken?

Ja, es gibt Behindertenfeindlichkeit in unserer Klasse. Wie es auch andere Unterdrückungsformen aufgrund der Widersprüche des Kapitalismus in der Arbeiter*innenklasse gibt, wie Homo- und Transphobie, Sexismus, Rassismus. Das heißt aber nicht, dass wir sie tolerieren oder übernehmen sollten.

Als Kommunist*innen wollen wir nicht die schlimmsten Vorurteile in unserer Klasse reproduzieren. Denn das Bewusstsein des Proletariats im Kapitalismus wird durch die Bourgeoisie geformt. Das wird am Beispiel der behindertenfeindlichen Sprache ganz deutlich. Uns geht es darum, unsere Klasse zur herrschenden Klasse in der gesamten Gesellschaft zu machen.

Die zwei wichtigsten Anführer der Russischen Revolution, W.I. Lenin und Leo Trotzki, haben unisono gegen die Idee des Proletkult argumentiert, also gegen die Verherrlichung der heutigen Kultur des Proletariats. Lenin meinte, das Proletariat müsse die Errungenschaften der bürgerlichen Kultur übernehmen, um sie überwinden zu können.

Deswegen kämpfen Kommunist*innen für wirkliche Gleichberechtigung aller Menschen – gegen jede materielle Diskriminierung, und auch gegen jede diskriminierende Sprache. Gegenüber Jugendlichen und Arbeiter*innen können wir geduldig aufklären – gegenüber vermeintlichen „Linken“, die trotz besseres Wissens so reden, haben wir keinerlei Toleranz für rassistische, sexistische oder behindertenfeindliche Sprache.

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