Das Hufeisen des Terrors
Nach dem rassistischen Attentat von Hanau ging die Debatte wieder los: Rechte Politiker*innen von Björn Höcke über Hans-Georg Maaßen bis zur CDU verurteilten rechten, wie linken und islamistischen Terror gleichermaßen. Die Opfer von Hanau wurde mit denen vom Breitscheitplatz, sowie der RAF und der innerdeutschen Grenze gleichgesetzt. Dabei ist Terror bloß eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Die Frage ist also, was ist die Politik, die dahinter steht?
Allen voran der rechte Terror, er träumt von einer ethnisch reinen Nationen. „Fremde“ oder „schädliche“ Elemente gilt es zu eliminieren. Dazu zählen vor allem Migrant*innen, LGBTIQ, Linke. Der rechte Terror berauscht sich an der Vorstellung einer naturgegebenen Vormachtstellung, einer Überlegenheit gegenüber anderen Völkern. Dabei geht es um die Wiederherstellung einer Großmacht. Sein materielles Fundament ist der Imperialismus, die wirtschaftliche wie militärische Unterwerfung anderer Völker und Nationen. Diese Ordnung wird als etwas Natürliches, „Gottgegebenes“ interpretiert.
Zentral ist dabei, dass wir hier nicht vergessen, dass der rechte Terror aus diesem materiellen Fundament heraus einen Begleiter hat: den Terror der Bourgeoisie. Die historische Präzedenz ist klar: der Faschismus als letzter Rettungsanker der Bourgeoisie vor der Revolution. In Deutschland begann die Einbindung faschistischer Banden in den Staat zur Wahrung kapitalistischer Interessen schon mit dem Ende des Ersten Weltkrieges angesichts der Novemberrevolution. Die Freikorps, die zur Niederschlagung revolutionärer Aufstände von Arbeiter*innen eingesetzt wurden, teils mit Einwilligung der SPD, wurden später zur Keimzelle des deutschen Faschismus.
Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs rekrutierte der deutsche Staat ehemalige NS-Angehörige um mit der Operation Gehlen die Vorläuferorganisation des Bundesnachrichtendienstes aufzubauen. Und im Kalten Krieg spielten die Alliierten eine zentrale Rolle dabei, faschistische Banden wie in Italien zu unterstützen. Ziel der sogenannten Operation Gladio war es im Falle eines sowjetischen Einmarschs Guerilla-Operationen und Sabotage-Aktionen im feindlichen Hinterland durchführen zu können.
Die Verstrickungen des deutschen Inlandsgeheimdiensts in den NSU-Skandal folgen somit einer gewissen Kontinuität. Auch die Aktivitäten von Nazi-Kadern aus Westdeutschland kurz nach der Wende lassen Raum für Spekulation. Klar ist jedoch dass die Bourgeoisie im Notfall stets gewillt war, faschistische Banden zur Wahrung ihrer Interessen einzusetzen. Im Jahr 1933 übertrug man ihnen dafür sogar die Staatsgewalt.
Imperialismus
In einigen halbkolonialen Ländern hat die Politik des Imperialismus etwas ähnliches geschaffen, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen. Der islamistische Terror ist historisch einerseits ein Mittel des Imperialismus, um seine Interessen in einem halbkolonialen Land zu verteidigen und andererseits ein Mittel der herrschenden Klasse eines halbkolonialen Lands, zur Durchsetzung ihrer Interessen. Die Taliban wurden vom US-Geheimdienst während des Kalten Kriegs gegen den sowjetischen Einmarsch und kommunistische Bestrebungen in Afghanistan aufgebaut. Am Ende wendeten sie sich gegen den US-Imperialismus mit den Anschlägen des 11. Septembers. Der US-Imperialismus erwiderte dies mit dem berühmt-berüchtigten „Krieg gegen den Terror“. Der Anführer der Terrororganisation Al Quaida selbst, Osama Bin Laden, entstammte einer reichen saudischen Unternehmerfamilie. Er unterstützte islamistische Kämpfer in Afghanistan gegen den sowjetischen Einmarsch. Angesichts des Golfkriegs gegen den Irak stellte er sich gegen den US-Imperialismus, was in den Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 mündete.
Doch die Bourgeoisie unterstützt nicht nur Terrorbanden zur Wahrung ihrer Interessen, häufig ist es die herrschende Klasse selbst, die zur Durchsetzung ihrer Interessen Angst und Schrecken verbreitet. Am häufigsten tut sie dies im Rahmen von imperialistischen Kriegen, mit Bomben und Raketenangriffen von Drohnen und Flugzeugen. Die Zivilbevölkerung ist davon ebenso betroffen.
Der islamistische Terror in imperialistischen Ländern ist auch eine Antwort auf die imperialistischen Kriegseinsätze von Deutschland und Frankreich, wie in Syrien. Ob durch einen islamistischen Sprengstoffanschlag oder durch eine Bombe aus deutscher Produktion, die richtige Parole lautet:“Ihre Kriege, Unsere Tote“.
Und auch wenn der Islamismus gerne antiimperialistisch daher kommt, kann er nicht Teil des Kampfes der Arbeiter*innenklasse gegen den Imperialismus sein. Es ist eben der Kampf der lokalen herrschenden Klasse gegen den Imperialismus, also der Ungleichbehandlung durch die imperialistische Bourgeoisie. Allerdings ist die lokale herrschende Klasse selbst zu schwach und deshalb auf den Imperialismus angewiesen. Daher schwankt sie stets zwischen verschiedenen imperialistischen Machtblöcken. Die islamische Führung im Iran begrenzt ihren Antiimperialismus auf die USA, während sie offen war für Geschäfte mit der deutschen imperialistischen Bourgeoisie. Die islamische Führung im Iran selbst war ein Mittel, um die Iranische Revolution gegen den pro-imperialistischen Schah zurückzuhalten.
Der Imperialismus ist auch nichts Natürliches oder gar Gottgegebenes, sondern das Resultat der Entwicklung der Produktivkräfte, die den nationalen Rahmen sprengen. Die imperialistische Bourgeoisie ist gezwungen, ihren Raubzug in anderen Ländern fortzusetzen. Der Imperialismus gründet sich auch in der Ausbeutung der heimischen Arbeiter*innenklasse. Die Arbeiter*innenklasse in den imperialistischen Ländern hat daher in letzter Instanz auch kein materielles Interesse am Imperialismus, denn am Ende sind sie es, die den Rücken gerade machen müssen. Ob durch die Kosten von Kriegseinsätzen, die Zahlung von Kriegsschulden oder weil sie selbst mit dem Gewehr an die Front geschickt werden, um dort statt an der Maschine mit dem Gewehr den Profit der Kapitalist*innen zu sichern.
Dem Faschisten ist die imperialistische Kriegstreiberei gerade recht. Er empfindet es als erfüllend, seinem Land zu dienen, also den Profitinteressen der heimischen Bourgeoisie. Er berauscht sich am Überlegenheitsgefühl gegenüber den unterdrückten Völkern. Der arme Knilch versteht nicht, dass er sich zum willfährigen Handlanger der Reichen und Mächtigen macht. Während das Kapital in seinen Villen sitzt und köstlich speist, liegt er im Schmutz und ergötzt sich an seiner vermeintlichen Überlegenheit. Dem aufgeklärten Bourgeois ist es gerade Recht, auch wenn er selbst an Rasse und Nation nicht glauben mag. Im Zweifel findet er im Faschisten einen treuen Gehilfen.
Dieselbe Masche klappt Innen wie Außen. Wo die Armee die Interessen der herrschenden Klasse im Ausland vertritt, tut es die Polizei im Inneren. Die täglichen Schikanen der Polizei gegen Arme, Jugendliche, Menschen mit nicht-weißem Äußeren oder bestimmten Nachnamen, Drogenabhängige und Obdachlose auf den Bahnhöfen oder Menschen, die sich keinen Fahrschein leisten können, treffen uns alle. Ob auf dem Weg zur Arbeit, weil wir schon auf dem Bahnsteig nach dem Fahrschein gefragt werden oder einer Polizeikontrolle, weil man sich kein ordentliches Auto leisten kann. All dies ist nur eine Fortsetzung der Agenda 2010 mit anderen Mitteln. Die Polizei zur Sicherung der öffentlichen Ordnung sichert die Ordnung der Bosse.
Von Einzelfällen und Terror
Gerne werden Täter nach Nationen sortiert. Daraus kann jedoch nicht gleich ein Motiv gemacht werden, beides wird gerne vermischt. Nicht jede Schlägerei hat einen politischen Hintergrund. Eine Rechnung darüber anzustellen, wer wen alles umgebracht hat, wie Punkte bei einem Fußballspiel, ist auch eine Fortsetzung des Imperialismus ins Innere. Es geht nicht darum, ob mehr „Deutsche“ von Migrant*innen ermordet werden oder andersrum, es geht um reale Kräfteverhältnisse. Der Faschist schwärmt gerne von einem „Rassenkrieg“. Die Festnahme des Soldaten Franco A. beweist, dass man dabei auch nicht vor „False Flag“-Aktionen zurückschreckt. Aber sie dienen nur den Interessen einer bestimmten Klasse. Die Idee eines ethnischen Konflikts und auch ihre bewusste Provokation überdeckt den Klassenkonflikt.
Hingegen gibt es eine reale Unterdrückung von Migrant*innen. Diese Unterdrückung, wie auch der alltägliche imperialistische Terror z.B. in mehrheitlich muslimischen Ländern, ist ein guter Nährboden für islamistische Tendenzen unter migrantischen Jugendlichen. Dabei sind sowohl Imperialismus wie auch Islamismus beides Instrumente der herrschenden Klasse. Sie stehen beide der Arbeiter*innenklasse feindlich gegenüber. In dem Sinne sind beide zwei Seiten derselben Medaille und aus einem proletarischen Instinkt heraus sind beide abzulehnen. Dennoch wiegt jedes rassistische Attentat gleich zehnmal schwerer, weil es eine reale Unterdrückung von Migrant*innen gibt, deren materielles Fundament der Imperialismus ist, auf dem auch der rassistische Terror fußt.
Es geht daher nicht, all diese Formen des Terrorismus gleichwertig nebeneinander zu stellen und dabei den alltäglichen imperialistischen Terror zu verschweigen. Denn der bewaffnete Konflikt ist nichts weiter als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln und dient daher entweder der einen oder der anderen Klasse. Beides miteinander gleichzusetzen und den Terror der imperialistischen Bourgeoisie zu leugnen, verwischt nur die dahinter liegenden politischen Verwerfungen. Es geht nicht um die Frage von Einzelfällen oder nicht, denn am Ende begeht ein Großteil der Bevölkerung unabhängig von Herkunft und Ethnie keine terroristischen Attentate, sondern ist täglich gezwungen seine Arbeitskraft an den nächstbesten Kapitalisten zu verkaufen. Der Terror ist dabei nur der krasseste Ausdruck viel tieferliegender Verwerfungen auf politischer Ebene. Auf diese braucht es eine Antwort im Sinne der arbeitenden Klasse.
Dies kann jedoch nicht der individueller Terror einiger Revolutionär*innen sein, die versuchen, das revolutionäre Subjekt durch den Gewehrlauf oder die Bombe zu ersetzen. Nicht weil Gewaltakte per se unzulässig wären, sondern weil sie die Massen zur Passivität erziehen. Wozu soll man sich die ganze Mühe machen im Aufbau einer Partei, der Vorbereitung auf die Revolution, dem Heranziehen von Kadern, wenn auch eine Schar entschlossener Kämpfer*innen ausreicht, die bewaffnet den Bossen das Handwerk legen? Weil eine Schar bewaffneter Revolutionär*innen niemals die Herrschaft der Arbeiter*innenklasse ersetzen kann. Ganz unabhängig davon, wie sehr sie meinen, im Interesse des Proletariats zu handeln. Attentate alleine können politische Macht nicht ersetzen; die Macht muss von der Arbeiter*innenklasse ausgehen. Der Krieg kann nur eine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein. Er kann die Politik nicht ersetzen.