Das BSW ist perspektivlos, nicht die Jugend

29.01.2024, Lesezeit 4 Min.
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Foto: photocosmos1/shutterstock.com

Das Bündnis Sahra Wagenknecht nimmt immer mehr Gestalt an. Auf dem ersten Parteitag wurde mehr nach links vermittelt als bisher. Warum Linke dennoch keine Illusionen in Wagenknechts chauvinistisches Projekt hegen sollten.

Am Wochenende hat die neu gegründete Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit” (BSW) ihren ersten Parteitag abgehalten. 450 Delegierte, die gesamte Mitgliedschaft, kamen zusammen, um den Parteivorstand zu wählen und das Programm für die anstehende Europawahl zu verabschieden.

Auf dem Parteitag wurden einige konkrete sozial- und wirtschaftspolitische Forderungen präsentiert, die zeigen, was sich das BSW unter „sozialer Gerechtigkeit” vorstellt. Tatsächlich tragen sie einen deutlich linksreformistischeren Charakter, als man ihn in der Vergangenheit vom BSW vernehmen konnte. So wurden etwa die Einführung eines Mietendeckels, ein Ende des profitorientierten Gesundheitssystems und eine Erhöhung der Löhne und Renten gefordert. Interessant war auch die Vermittlung hin zur Jugend. Während die vermeintliche Faulheit der jungen Generation im aktuellen Diskurs immer wieder für die schlechte ökonomische Lage verantwortlich gemacht wird, betonte Wagenknecht deren Perspektivlosigkeit und sagte, man sollte ihr keinen Druck machen, noch mehr zu arbeiten.

In außenpolitischen Fragen setzt das BSW auf Protektionismus und Diplomatie und kritisiert die Aufrüstung. Der Einfluss der EU auf die Nationalstaaten sollte zurückgebaut und die Waffenlieferungen an die Ukraine und Israel gestoppt werden.

Auch wenn einige der vom BSW aufgestellten Forderungen für sich genommen nicht falsch sind, bietet die Partei keine Perspektive, um diese durchzusetzen. Mit Kritik an der Ampel wird nicht zurückgehalten, deren unsoziale Politik wird vom BSW allerdings auf die Inkompetenz und Korruption der regierenden Politiker:innen zurückgeführt, wodurch deren systemische Ursachen verschleiert werden. Wagenknecht und Co. bewerben sich, um den kapitalistischen Staat besser zu verwalten. So fehlt in ihren Äußerungen auch jegliche Klassenperspektive. Anstatt die Arbeiter:innen und Armen dazu aufzurufen, sich für die Durchsetzung ihrer Interessen zu organisieren, sollten sie einfach eine kompetente Partei wählen. Das BSW suggeriert ein geteiltes nationales Interesse der Arbeiter:innen, Kleinunternehmer:innen und Industrie. Als Feinde werden lediglich der unregulierte Finanzsektor und US-amerikanische Großkonzerne ausgemacht. Doch eine Gegenüberstellung von „gutem” Unternehmertum und „schädlichem” Bankkapital ist irreführend und verschleiert den grundsätzlichen Interessengegensatz zwischen Kapital und Arbeit sowie die Verschmelzung von Bank- und Industriekapital.

Zum Wohle der deutschen Wirtschaft will das BSW Kohlekraftwerke und Verbrennermotoren erhalten. Um das Klima zu schützen, schlagen sie „technologische Innovationen” vor. Auch wenn die Klimapolitik der Ampelregierung auf dem Rücken der Arbeiter:innen und Armen ausgetragen wird und der Umwelt wenig nützt, kann in einer Zeit, in der die Klimakrise die Existenzen von Milliarden von Menschen bedroht, eine Abkehr von Klimaschutz-Maßnahmen nicht die Lösung sein. Stattdessen bräuchte es eine Verstaatlichung des Energie- und Verkehrssektors und deren ökologischen Umbau unter Arbeiter:innenkontrolle. Solche Forderungen, die eine tatsächliche Alternative zur arbeiter:innenfeindlichen Regierungspolitik darstellen, sucht man im BSW-Programm aber vergeblich.

Auch ihre kritische Haltung gegenüber der NATO entspringt nicht aus einer Opposition gegenüber dem westlichen Imperialismus, sondern einem Streben nach mehr nationaler Souveränität. Deutschland solle „eigenständiger Akteur auf der Weltbühne” werden. Damit will sich das BSW an die Teile des deutschen Kapitals anbiedern, die besonders unter den Sanktionen gegen Russland leiden. An höheren Löhnen haben diese aber ebenso wenig Interesse wie ihre NATO-freundlichen Konkurrenten.

Zu dem in dem in den außenpolitischen Positionen anklingendem nationalistischen Tenor passt auch die vom BSW vorgeschlagene rassistische Migrationspolitik. Auch wenn das Thema auf dem Parteitag weniger bespielt wurde, als in anderen Auftritten Wagenknechts und ihrer Unterstützer:innen, bekräftigen sie ihre Ambitionen, „die unkontrollierte Migration in die EU [zu] stoppen, den Schlepperbanden das Handwerk [zu] legen” und forderten Asylverfahren in Drittstaaten. Thomas Geisel, einer der Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, sprach sich sogar für die Abschaffung des individuellen Asylrechts aus, auch wenn diese Forderung nicht in das Wahlprogramm aufgenommen wurde.

Die Spaltung der Arbeiter:innen und Armen entlang von Herkunft nutzt letztlich nur den Herrschenden. Ohne ein Programm gegen Unterdrückung und rassistische Spaltung wird der Kampf für soziale Verbesserungen erfolglos bleiben.

Wer also gegen Niedriglöhne, Aufrüstung und Sozialabbau kämpfen will, kann seine Hoffnungen nicht in das BSW setzen. Wagenknecht und Co. versuchen, die berechtigte Unzufriedenheit mit der Ampel und der gescheiterten Linkspartei für ein teilweise reaktionäres Projekt zu instrumentalisieren und so zu neutralisieren.

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