„Das Blut ist aus meiner Nase geschossen, fast wie ein Wasserhahn“

21.07.2017, Lesezeit 6 Min.
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Über eine Woche nach den Protesten gegen den G20-Gipfel erreichen uns immer noch Erfahrungsberichte über die massive Polizeirepression. Unser Redakteur Stefan Schneider führte ein Interview mit Peter D., Gewerkschafter und Mitglied der FAU, der aus Hamburg mit einer eingegipsten Nase zurückkehrte.

Deine eingegipste Nase sieht schlimm aus. Was ist genau passiert?

Am Freitag, den 7. Juli, war ich mit meiner Bezugsgruppe in der Innenstadt. Wir hatten vor, an der Kreuzung Willy-Brandt-Straße/Herrengraben drei Wasserwerfer zu blockieren, die dort positioniert waren. Diese Hauptverkehrsstraße war allerdings sehr breit, und insgesamt waren wir nur 15 bis 20 Leute, die sich dort auf die Kreuzung gesetzt haben. Deshalb ist es uns auch leider nicht gelungen, die Wasserwerfer tatsächlich zu blockieren. Sie hätten einfach an uns vorbeifahren können.

Das haben sie letzten Endes auch getan. Die Wasserwerfer sind langsam an uns vorbeigerollt, während wir noch auf der Kreuzung saßen. Aber plötzlich blieb ein Wasserwerfer direkt neben uns stehen. Niemand forderte uns zum Aufstehen auf, aber hinter dem Wasserwerfer kam auf einmal eine Gruppe Robocops hervor, die sich vielleicht im Sichtschutz des Wasserwerfers angenähert hatte. So genau konnte ich das nicht sehen.

Diese Cops wollten uns nun von der Straße herunterschleifen. Es war eine konfuse Situation, mit sehr vielen Polizist*innen. Ich saß auf der Kreuzung immer noch mit meinem Partner eingehakt. Während andere Leute mehr oder weniger einfach weggezerrt wurden, konnten die Cops unsere Blockade nicht so einfach lösen. Wir hatten immer noch keine Aufforderung bekommen, aufzustehen, wie es sonst bei Räumungen üblich ist. Trotzdem wollte mich einer der Polizist*innen ziemlich ruppig hochheben. Ich war wie gesagt noch eingehakt, und ich konnte mich auch mit den Beinen ein wenig freistrampeln.

Daraufhin sagte der Bulle auf einmal zu mir: „Du trittst mich nicht noch einmal“, und schlug mir mit geschlossener Faust direkt ins Gesicht. Das Blut ist aus meiner Nase geschossen, fast wie ein Wasserhahn. Dann rissen mich zwei oder drei Cops aus der Sitzblockade und zerrten mich an den Straßenrand. Dort gaben sie mir zum Abschluss noch einen harten Stoß in den Rücken, und ich wäre fast auf den Boden gefallen. Hinter uns haben sie dann direkt eine Kette mit Schildern aufgebaut.

Ich blutete dann immer stärker, und wenn ich nicht meine Regenjacke angehabt hätte, wären all meine Sachen völlig durchnässt von Blut gewesen.

Wie wurde dir in der Situation geholfen?

Es sind sofort Leute auf mich zu gekommen, um mir zu helfen. Sie gaben mir Taschentücher und führten mich etwa 50 Meter weg vom Geschehen. Dort kam eine Anwohnerin aus ihrer Wohnung, die total freundlich war. Sie hat den Krankenwagen gerufen, noch mehr Taschentücher gebracht, und ihre Unterstützung angeboten. Ich habe ihr dann auch gleich erzählt: „Mir hat ein Bulle auf’s Maul gehauen.“ Sie hat da nicht drauf reagiert, aber sie hat mich auch keine Ablehnung spüren lassen.

Ich wurde vor Ort von einem ASB-Team erstversorgt, und dann kam auch schon innerhalb weniger Minuten der Krankenwagen. Die wollten mich dann ins nächstgelegene Krankenhaus, das St. Georg, fahren. Das ging aber nicht, aufgrund der vielen Straßensperren. Die Polizei hat sie einfach nicht durchgelassen, trotz Blaulicht. Ich war zwar hintendrin und konnte nicht alles mitbekommen, aber es war eine richtige Odyssee. Auf jeden Fall sind wir dann zu einem Krankenhaus ins weiter entfernte Eppendorf gefahren.

Auf dem Weg dorthin haben wir noch einen weiteren Verletzten eingesammelt, denn ich saß ja hinten nur und musste nicht liegen. Der hatte starke Schwellungen an den Augen.

Angekommen im Krankenhaus, musste ich erst eine Weile warten. Ich habe so ein bisschen mitbekommen, dass einer der Pfleger zu anderen Leuten gesagt hat, dass sie ja auch „selbst Schuld“ seien, aber zu mir waren die Krankenhausbeschäftigten freundlich oder neutral.

Jedenfalls konnte der Arzt vor Ort nicht so viel machen, weil meine Nase zu stark geschwollen war und man deshalb auf dem Röntgenbild nicht wirklich erkannt hätte, ob die Nase gebrochen war. Ich habe auf jeden Fall noch tagelang weiter stark aus der Nase geblutet.

Ich bin dann, nachdem ich aus Hamburg weg war, noch zwei Mal in eine andere Klinik gegangen, wo ich geröntgt wurde. Meine Nase war gebrochen, aber es war nicht eindeutig, ob der Bruch nicht schon älter war. Ein Arzt meinte, man könne die Nase vielleicht später operativ richten. Auf jeden Fall war mein Nasenknorpel sehr stark eingedrückt, und ich habe das dann beim zweiten Besuch einrenken lassen. Ich habe jetzt einen fetten Gips bis Freitag. Danach wird man erst sehen, wie es meiner Nase wirklich geht.

Warum bist du eigentlich nach Hamburg gefahren? Warum wolltest du die Wasserwerfer blockieren?

Schon in den Tagen vor dem 7. Juli haben wir gesehen, wie die Polizei mit Wasserwerfern grundsätzlich friedliche Demos angegriffen hat, und wir wollten an dem Tag zumindest bei diesen drei Wasserwerfern verhindern. Das war für uns ein Akt friedlichen Ungehorsams.

Insgesamt bin ich nach Hamburg gefahren, weil ich der Meinung bin, dass der Protest gegen die G20 nötig ist. Die Herrschenden richten unsere Welt zu Grunde, und wenn wir auf diesem Planeten überhaupt noch eine Zukunft haben wollen, wird ein radikales Umsteuern notwendig sein. Das wollte ich mit meinem Protest ausdrücken.

Hat dich die massive Repression überrascht?

Die Situation war schon heftig. Aber wo ich jetzt darüber nachdenke, habe ich schon vor der Situation mit dem Wasserwerfer eine ziemlich dramatische Szene erlebt. Wir saßen bei einer anderen Blockade, wo wir einen Delegationsbus von eher kleineren Funktionär*innen stoppen wollten, um den Gipfelablauf zu stören. Den Bus hat das aber überhaupt nicht interessiert: Der ist einfach immer weiter auf uns zu gefahren. Ich bin sicher, er wäre einfach über uns drüber gefahren, wenn wir nicht kurz vorher beiseite gesprungen wären.

Ich habe auch eine Räumung an einem anderen Ort mitbekommen, an der Außenalster. Dort war sehr viel Presse vor Ort. Deshalb haben sich die Cops dort wohl beobachteter gefühlt und haben eine deutlich „sanftere“ Räumung durchgeführt. Aber auch da haben sie am Ende Leuten einen unnötigen Stoß in den Rücken gegeben. Die Räumung an der Willy-Brandt-Straße war wohl auch deshalb so heftig, weil die Bullen dort von der Presse unbeobachtet agieren konnten. Sie mussten sich nicht so sehr an ihre eigenen Spielregeln halten.

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