CSD Leipzig: Neonazis planen Angriff, Parteien und DGB sind still

18.08.2024, Lesezeit 5 Min.
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Foto: CSD Leipzig 2024 / Baki von Klasse Gegen Klasse

Neonazis hatten zum Stören des Leipziger CSDs aufgerufen und mobilisiert. Antifaschist:innen verhinderten eine Nazi-Demonstration. Der CSD selbst war unpolitisch und friedlich.

Etwa 20.000 Leute haben sich diesen Samstag zum Christopher-Street-Day (CSD) in Leipzig zusammengefunden. Die Demonstration verlief friedlich, aber nahezu komplett unpolitisch. Der Wagen des CSD Leipzigs hatte die einzige Ansprache gegen Nazis, die zwar politisch nur liberale Forderungen wie „Wählen gegen Nazis“ hatte, aber wenigstens die Gefahr der Neonazis am Hauptbahnhof ansprach. 

Neben diversen anderen politischen Organisationen waren auch Parteien wie die FDP, SPD oder die Linkspartei mit eigenen Wägen präsent. Doch von keinem einzigen dieser Parteien kam auch nur eine einzige Ansprache gegen den geplanten Naziaufmarsch. Stattdessen feierten sie alle ausgiebig – was allen anderen Beteiligten des CSD auch gegönnt sei, aber von Parteien der angeblichen „Brandmauer gegen Rechts“ und vor allem von der Linkspartei wäre mehr zu erwarten gewesen. Stattdessen hat diese mit Flyern und Plakaten fleißig Wahlwerbung für den potentiell ersten migrantischen Kandidaten im sächsischen Landtag, Nam Duy Nguyen, gemacht – neben Marco Böhme und Juliane Nagel, die die antipalästinensische Hetze der Rechten mit vorangetrieben haben über die letzten zehn Monate hinweg.

Kein Wort vom DGB zum Naziaufmarsch

Auch Gewerkschaften nahmen mit einem eigenen Block am CSD teil, angeführt vom Lautsprecherwagen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Aber auch hier hat man vergeblich auf jegliche Reden und Ansprachen gegen Neonazis und Rechtsruck gewartet. Stattdessen erklärte eine:r Gewerkschaftssekretär:innen und, dass sie gar nichts mitbekommen hätten von über 300 Neonazis am Hauptbahnhof. Wir fragten, was sie denn zum Rechtsruck denken. Die Antwort? „Das kann ich jetzt nicht laut in die Kamera sagen, aber es spiegelt ja schon die Gesellschaft.“ Danach die „professionellere“ Antwort, dass sie ja nur demokratische Parteien wählen würden, damit Rechte keine Chance hätten. Auch auf die Frage, wie sie denn ihren eigenen Block geschützt hätten, wenn besagte Hunderte Neonazis angegriffen hätten, kam nur die Antwort: „Es war ja genug Polizei da.“ 

Ja, Hunderte Polizist:innen, die es für eine gute Idee hielten, die Neonazis in Kleingruppen aus dem Bahnhof zu lassen, so dass es mindestens ein Dutzend von ihnen sogar noch auf den CSD geschafft haben und von Teilnehmer:innen blockiert werden mussten, bis endlich mal eine Hand voll Polizist:innen ankamen zum Kesseln. Vier Faschos von Radikal Kameraden Bremen wurden von der Polizei zwar körperlich aufgehalten, durften aber noch faschistische Parolen rumbrüllen und Leute beleidigen.

350 Neonazis am Hauptbahnhof

Im Vorhinein haben organisierte Gruppen von Neonazis in die Stadt mobilisiert, um den CSD zu stören. Erst letzten Samstag haben mehrere hundert von ihnen gegen den CSD in Bautzen, ebenfalls in Sachsen, demonstriert. Die meisten der einigen hundert nach Leipzig angereisten Faschist:innen kamen jedoch nicht weiter als zum Leipziger Hauptbahnhof. Dort hatte sich massiver antifaschistischer Protest schon am Morgen formiert und die anwesende Polizei musste die Nazis kesseln. Erst am späten Abend konnten die letzten von ihnen das Gleis verlassen.

Für die meisten Nazis dürfte sich der Ausflug nach Leipzig nicht gelohnt haben. Es hätte sie aber auch schlimmer treffen können. Während Linke in Polizeikesseln oft weder Wasser noch Toilettenzugang bekommen, wurden die Rechten den ganzen Tag lang von der Polizei durch den Bahnhof auf Toilette oder zu REWE eskortiert, bevor wie wie oben berichtet in Kleingruppen aus dem Kessel freigelassen wurden.

Klassenkämpferischer Block abgedrängt

Der letzte Block des CSDs in Leipzig war der klassenkämpferische, kommunistische Block. Beteiligt waren Organisationen wie der Revolutionären Kommunistischen Partei (RKP, ehemals Der Funke), die Gruppe Arbeiter:innenmacht (GAM), ihre Jugendorganisation REVOLUTION und Young Struggle (YS). Neben politischen Forderungen für queere Menschen und gegen den geplanten Naziaufmarsch riefen die Protestierenden auch zur Solidarität mit Palästina auf. Ungewollt begleitet wurden sie von einer unbekannten Frau, die ein Schild mit der Aufschrift „Gegen jeden Antisemitismus“ trug.

CSD muss wieder zum Riot werden

Auch in Leipzig muss dafür gekämpft werden, dass der CSD wieder ein politischer Ort wird, an dem für queere Rechte gekämpft wird, anstatt mit der FDP oder der Allianz-Versicherung zu feiern. Bürgerliche Parteien und Konzerne sollten auf unseren Prides nichts zu suchen haben! 

Außerdem müssen die Nazi-Mobilisierungen nach Dresden, Bautzen und Leipzig ein Anlass dazu sein, verstärkt über antifaschistischen Selbstschutz nachzudenken und anzufangen, ihn zu organisieren. Auch in anderen Städten sehen wir immer öfter Neonazi-Angriffe auf Linke, Gewerkschafter:innen, Migrant:innen oder Queers. Die Polizei schützt uns nicht davor, deshalb müssen wir eigene Schutzkonzepte entwickeln.

Und die Gewerkschaften müssen endlich wieder eine führende Rolle im Kampf gegen Rechts einnehmen. Die Führungen und Bürokrat:innen der Gewerkschaften schauen weg vor der Gefahr von Neonazis auf dem CSD und denken, die Polizei schütze uns vor möglichen Angriffen. Dabei ist es eben jene Polizei, die uns als Erstes niederknüppelt, wenn Gewerkschafter:innen „zu radikal“ streiken – wie es 2022 am Hamburger Hafen passiert ist.

Statt uns auf die Polizei und bürgerliche Parteien zu verlassen, muss die Gewerkschaftsführung zu antifaschistischen Protesten aufrufen und mobilisieren. Die Gewerkschaft muss wieder eine politische Waffe der Arbeiter:innen werden, die sie zur Organisierung gegen Rechts nutzen müssen. Antifaschistischer, tatsächlich sicherer Schutz vor Neonazi-Angriffen kann nur durch Arbeiter:innen und der Jugend selbst organisiert werden.

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