Corona-Gipfel: Regierungskrise verschärft sich, Pandemie geht ungebremst weiter
Bis spät in die Nacht diskutierten die Regierungen von Bund und Ländern gestern über neue Coronamaßnahmen. Am Morgen verkündeten die Nachrichten einen “harten Lockdown”, der keiner ist. Warum die Regierung weiter Politik im Interesse des Kapitals macht, dafür Menschenleben riskiert und immer weiter in eine offene politische Krise schlittert.
Sage und schreibe zwölf Stunden haben die Regierungschef:innen von Bund und Ländern von Montagnachmittag bis spät in die Nacht verhandelt. Doch nicht etwa, weil sie um einen tatsächlichen Durchbruch in der Pandemiepolitik gerungen hätten. Sondern weil die Regierung immer weiter in eine offene politische Krise schlittert. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach drei Stunden Verhandlung eine 15-minütige Pause gefordert, aus der sieben Stunden wurden. Sieben Stunden, in denen die Krise des deutschen Föderalismus so deutlich wurde wie kaum je zuvor.
Update 24.3.: Die Beschlüsse wurden wieder gekippt
„Osterruhe“ gekippt: GroKo buckelt vor der Wirtschaft, Wirtschaftslockdown selbst durchsetzen!
Die Beschlüsse des Gipfels wurden dann am Morgen fulminant verkündet, um von der Tragweite dieser Krise abzulenken. Die Worte “harter Lockdown” machten die Runde durch alle bürgerlichen Zeitungen. Schaut man sie sich genauer an, wird klar: So neu sind die Maßnahmen nicht. Der aktuell schon geltende Lockdown wird bis zum 18. April verlängert – in Berlin sogar bis zum 24. April –, die Umsetzung des bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) beschlossenen Stufenplans wurde angemahnt. Aber es bleibt nicht ganz beim Alten: Über Ostern werden bestehende Kontaktbeschränkungen verschärft, skandalöserweise werden jegliche öffentlichen Versammlungen verboten – wie beispielsweise die traditionellen Friedensmärsche zu Ostern –, und was am meisten die Schlagzeilen machte: Gründonnerstag und Ostersamstag werden einmalig zu “Ruhetagen” erklärt, an denen ähnlich wie an Sonn- und Feiertagen alle Betriebe (mit Ausnahme des Lebensmittelhandels am Samstag) schließen werden.
Eine qualitative Verschärfung des Lockdowns ist das jedoch nicht, denn Karfreitag und Ostermontag sind sowieso Feiertage, außerdem nehmen viele Beschäftigte in den Osterferien ohnehin Urlaub. Kurzum: Die Wirtschaft wird weiterhin nicht heruntergefahren. Vor und nach Ostern geht die Profitmaschinerie trotz Pandemie und “hartem Lockdown” unvermindert weiter. Hinzu kommt: Noch ist unklar, ob der Ruhetag wie ein gesetzlicher Feiertag gelten wird oder ob – wie es schon aus dem Einzelhandel zu hören war – die Chef:innen der Filialen darüber entscheiden können, ob sie die Schließung ihren Beschäftigten als Minusstunden anrechnen werden. Das wäre nur ein weiterer Tropfen ins Fass der Wut der großen Mehrheit der Beschäftigten in diesem Land.
Wenn die MPK also größtenteils ein “Weiter so” beschlossen hat, worum wurde denn dann so hart gerungen? Einige Landesregierungen wollten konkaktarme Osterurlaube wie in Ferienwohnungen oder Wohnmobilen für Urlauber:innen aus dem eigenen Bundesland ermöglichen. Die Bundesregierung sperrte sich dagegen, auch wenn sie Flugreisen nach Mallorca erst kürzlich erlaubte. Letztlich setzte sich die Bundesregierung nach zwölf Stunden Gipfel durch. Aber schon am Morgen verkündeten mehrere Bundesländer, dass sie sich doch nicht an den Gipfelbeschluss halten werden.
Insgesamt zeigte sich bei der MPK eine harte Kraftprobe zwischen der Bundesregierung und mehreren Bundesländern, die selbst von bürgerlichen Medien wie dem SPIEGEL als krachendes Scheitern des deutschen Föderalismus und als ein politischer Skandal kommentiert wurde. “Lassen wir die absolute Posse mal beiseite, dass die wichtigsten Politiker Deutschlands viele Stunden mit der Frage verbracht haben, ob ein ‘kontaktarmer’ Osterurlaub in Ferienwohnungen, Campingplätzen oder Wohnmobilen an der Küste erlaubt oder verboten wird. Oder über die Frage, ob die Supermärkte rund um die Ostertage ein paar Tage länger geschlossen bleiben. Und lassen wir auch mal beiseite, dass sie in diesen wertvollen Stunden nicht über das wirklich Relevante geredet haben: über eine effiziente Impf- oder Teststrategie. Diese komplett falsche Prioritätensetzung ist ein Skandal.”
Ausnahmsweise geben wir dem SPIEGEL hier recht: Das Scheitern der Impf- und Teststrategie ist ein Skandal, und noch mehr ist es ein Skandal, dass die Bundes- und Landesregierungen harte Einschränkungen in der Freizeit durchsetzen, während nicht-essentielle Betriebe weiterhin – mit der symbolischen Ausnahme des Gründonnerstag – geöffnet bleiben, ohne in irgendeiner Form eingeschränkt zu werden. Noch nicht einmal zu einer Testverpflichtung konnte sich die Regierung durchringen. Nach der Homeoffice-“Selbstverpflichtung” für die Wirtschaft kommt stattdessen jetzt die „Testangebots-Selbstverpflichtung“. Währenddessen bleiben Kitas und Schulen geöffnet, obwohl die für die Öffnung eigentlich vorgesehenen zwei Tests pro Woche für Personal und Kinder überhaupt nicht flächendeckend umgesetzt werden.
Zu all dem kommt der nicht abreißende Strom von neuen Korruptionsfällen im Zusammenhang mit der Pandemie, der beweist, dass korrupte Politiker:innen und die Regierung die gesundheitliche Krise auf dem Rücken der Beschäftigten und der Patient:innen zu ihrer eigenen Bereicherung ausgenutzt haben. Bürgerliche Medien wie die FAZ stellen sich vor die lobbyfreundlichen Politiker:innen unter Korruptionsverdacht wie Jens Spahn. Doch zeigt sich Tag für Tag, dass die Regierung immer mehr abgewirtschaftet hat. Sie ist unfähig und nicht willens die Pandemie zu beenden. Es braucht Betriebskomitees, um über die Corona-Situation zu beraten und in Streiks die Interessen der Bevölkerung durchzusetzen.