Global Climate March: Revolution oder Untergang?
Der 21. UN Klimagipfel (COP21) steht im Paris des Ausnahmezustands nicht nur unter den Vorzeichen der tickenden Zeituhren des Weltklimas, sondern auch unter den Vorzeichen der immer weiteren Verschärfung der Widersprüche in der Epoche des Imperialismus. Die globale Bewegung gegen die Klimakrise muss eine internationalistische sein – für die Abwendung des ökologischen Kollaps, für eine sozialistische Welt der Arbeiter*innen und Unterdrückten.
Am morgigen 30. November wird der 21. UN Klimagipfel (COP21) im Paris des Ausnahmezustandes beginnen. Von den Vertreter*innen der herrschenden Klasse aus 195 Ländern ist nichts Gutes zu erwarten. Der UN-Prozess einschließlich des geplatzten Kyoto-Protokolls hat die herrschende Verwaltung der Krise, den modus operandi der Bourgeoisie, mit Emissionshandel und ähnlichem letztlich immer gestützt. Nun soll die Welt bis zum ersten global bindenden Vertragswerk 2020 auf Selbstverpflichtungen eingeschworen werden. Aber trotz ambitionierter Ziele vor allem aus China wird wie in den bisherigen Konferenzen keinerlei reale Lösung zu erwarten sein, die den Klimawandel bis 2050 auf +2°C begrenzt, geschweige denn auf die eigentlichen erforderlichen +1,5°C (jeweils gegenüber vorindustriellen Werten). Geschieht diese Begrenzung nicht, werden unumkehrbare Kettenreaktionen losgetreten, die den Planeten so tiefgreifend verändern können, dass ein nächstes großes Massenaussterben einsetzt und auch die Spezies Mensch gefährdet. Bereits in den kommenden fünf Jahren sind gigantische Transformationen der Wirtschaft erforderlich und nur die Arbeiter*innenklasse hat die Kraft, diese in einem bewussten Akt zu stemmen.
„Indonesien brennt“
Das ist die Schlagzeile, die Sie in den letzten Wochen vermutlich nicht gelesen haben. Die Brandrodungen vor allem durch die großen Agrarkonzerne griffen um sich und etwa 1,7 Millionen Hektar tropischer Regenwald wurden zerstört. Innerhalb der ersten drei Wochen wurde mehr CO² emittiert als der Jahresausstoß der BRD. Unzählige Spezies sind für immer ausgelöscht. Dabei plagen die Menschen vor Ort vor allem ökonomische und gesundheitliche Konsequenzen. Es brannte so gut, weil die moorigen Böden, die enorme Mengen Kohlenstoff speichern, für die Plantagenwirtschaft entwässert worden werden – was uns direkt zu dem Hauptverursacher führt. Palmöl, das hierzulande auf Tellern und in Kosmetika und zuletzt vermehrt über EU-Beimischungsquoten für Diesel in Autos landet, treibt diese Entwicklung voran. Die produzierenden Konzerne haben zahlreiche Menschenleben auf dem Gewissen.
Die blutigen Verhältnisse, die dieses Elend hervorbringen, sind aber politische. Vor 50 Jahren, im Oktober 1965, ereignete sich ein blutiges Massaker an 500.000 bis drei Millionen tatsächlichen und vermeintlichen Linken, welches unter Mitwirken und Wohlwollen des CIA, aber auch der deutschen Regierung zustande kam. Seitdem etablierte General Suharto ein „investor*innenfreundliches“ pro-westliches Gewaltregime in einer traumatisierten Gesellschaft, das musterhaft nach kapitalistischer „Entwicklung“ strebte – daran änderte sich auch nach seinem Abdanken im Jahr 1998 nicht viel.*
Der Klimawandel in der Epoche der Krisen, Kriege und Revolutionen
Der immer stärkere Einfluss des Menschen auf seine Umwelt durch Treibhausgasemissionen entwickelte sich vor dem Hintergrund der Entstehung des Kapitalismus. Er verstärke sich in seiner letzten historischen Epoche, der Epoche des Imperialismus. Sie bedeutete die (Neu-)Aufteilung der Welt unter einer Hand voll Nationalstaaten auf Kosten der Bevölkerung der kolonialen und halbkolonialen Länder sowie der weltweiten Arbeiter*innenklasse. Imperialismus ist nicht nur ein militärisches, sondern auch ein politisch-ökonomisches Verhältnis.
Nicht nur mit der Bundeswehr, sondern mit UN, WTO, IWF & Co. werden den abhängigen Ländern die Daumenschrauben angelegt für die grenzenlose Verfügungsgewalt multinationaler Konzerne. VW in China, indisches Wasser für Coca Cola, irakisches Öl für den Westen. Dabei ist der ungleiche Austausch auch ein ökologischer – Ausbeutung und Naturzerstörung gehen immer Hand in Hand, Ökonomie und Ökologie bilden eine wechselseitige Einheit.
Die Kapitalakkumulation stößt an ihre materiellen Grenzen: Erstens in Überakkumulationskrisen wie der Subprimekrise ab 2007, zweitens weil die Rohstoffe und erschöpflich sind und der Planet nur unter bestimmten Bedingungen bewohnbar bleibt. Diese Grenze nähert sich rasant in Form von so genannten „planetaren Leitplanken“ (Röckström).
Dabei macht der (ökologisch) ungleiche Austausch die abhängigen Länder immer weiter verwundbar. Sie werden am härtesten von den Folgen des Klimawandels getroffen. Schon heute fliehen von den weltweit geschätzten 60 Millionen Geflüchteten 22 Millionen aufgrund von klimatischen Veränderungen – diese Zahl könnte sich laut UN bis 2050 auf bis zu 250 Millionen steigern.
Die Zeit drängt, aber noch lähmt die Ökologiebewegung das Märchen vom „grünen Kapitalismus“ oder der „ökologischer Modernisierung“ und auch die großen NGOs und Umweltverbände erzählen es. Selbst die junge Strömung des „degrowth“ oder „Postwachstum“ verschleiert trotz abstrakter Kritik am kapitalistischen Wachstum die realen Machtverhältnisse der Klassenherrschaft des Kapitals. Auch Naomi Klein feiert in ihrem aktuellen Film „This changes everything“ das deutsche Modell der kapitalistischen ökologischen Modernisierung.
Doch Politik in einem imperialistischen Land wie Deutschland zu machen, heißt, sich klar gegen den Staat und seine Konzerne zu stellen – gegen den dreckigen VW-Konzern, gegen die Deutsche Bank, gegen Rheinmetall und gegen die Unterwerfung Europas unter das deutsche Kapital.
Schluss mit dem Ausnahmezustand!
Die grausamen Attentate vom 13. November in Paris wurden von den Herrschenden zynisch instrumentalisiert. Nicht nur wird mit ihnen eine weitere Befeuerung des imperialistischen Kriegs im Nahen Osten, des Rassismus, der Xenophobie und der Repressionen gegen Geflüchtete legitimiert. Die jetzigen Angriffe des Imperialismus richten sich auch gegen die Arbeiter*innenklasse als solche und gegen grundlegende demokratische Rechte – der „Global Climate March“ in Paris wurde abgesagt und Teilnehmende bereits kriminalisiert. An dieser Stelle solidarisieren wir uns grenzenlos mit all denjenigen, die trotz der massiven Militär-und Polizeipräsenz dort heute auf die Straße gehen.
Die imperialistische Epoche des Kapitalismus bedeutet auch seine Fäulnis – die aktuelle rasche Verschärfung der Widersprüche bedeutet eine immer weitere Eskalation in Ermangelung jeglichen progressiven Auswegs aus der aktuellen Krise innerhalb des Kapitalismus. Die imperialistische Epoche bietet zwei Alternativen: „Sozialismus oder Barbarei“ (Luxemburg) – Revolution oder der buchstäbliche Untergang. Diese rein destruktive Phase wird also so lange weitergehen, bis das Proletariat die Klassenherrschaft der Bourgeoisie abschüttelt. Die Lohnabhängigen leiden nicht nur am meisten unter der Naturzerstörung, sondern sind auch im Produktionsprozess direkt mit ihr konfrontiert und haben daher als einzige die Macht, ihr tatsächlich ein Ende zu bereiten – dadurch dass sie die Produktionsmittel, die sie unterwerfen, in die eigenen Hände nehmen.
Programm für den Übergang
Den Schlagworten von der „great transition“ (dem großen Übergang) oder der „just transition“ (dem gerechten Übergang) antworten wir mit dem „transitional program“ (dem Übergangsprogramm), dem Gründungsmanifest der Vierten Internationale. Seine Methode lehrt uns, wie wir Forderungen aufstellen, die die täglichen Minimalforderungen mit den Maximalforderungen verbinden und uns so an den Rand des kapitalistischen Systems heranführen – bevor es selbst uns an den Rand der Auslöschung treibt. Statt die Herrschenden um minimale Veränderungen anzuflehen, setzen wir auf die Kraft der Arbeiter*innen und Unterdrückten. Statt „Divestment“ setzen wir auf den internationalen Generalstreik der Arbeiter*innen zur Abschaffung schädlicher Produktionsweisen, bei staatlich garantiertem Erhalt der Arbeitsplätze in anderen neuen Produktionsweisen unter Kontrolle der Beschäftigten. Wir fordern gleichzeitige Umverteilung und radikale Reduktion der Arbeit.
In einer Rätedemokratie schließlich können die aufgeblähten Produktivkräfte gleichzeitig gebändigt und nach ökologischen Gesichtspunkten entwickelt werden: Kostenloser öffentlicher Verkehr, allgemeiner Zugang zu hochwertiger Bildung, moderner ökologischer Landbau, ökologischer Umbau der Städte und erneuerbare Energieversorgung – der kapitalistischen Barbarei steht eine friedliche und tatsächlich nachhaltige Zukunft entgegen. Dafür ist entschlossenes Handeln gefragt.