Compact-Verbot: Ein Grund zum Feiern?

18.07.2024, Lesezeit 7 Min.
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Foto: knipsdesign/shutterstock.com

Mit dem Verbot des Compact-Magazins will die Ampelregierung sich als Kämpferin gegen Rechts darstellen. Dabei erprobt sie in Wirklichkeit autoritäre Maßnahmen, die sie in Zukunft auch gegen Linke einsetzen wird.

Am vergangenen Dienstag hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser das Verbot des extrem rechten Magazins Compact verkündet. Sämtliche Formate dürfen ab sofort nicht mehr produziert werden, die Internetseite wurde abgeschaltet und das Vermögen konfisziert. Infolgedessen kam es auch zu Hausdurchsuchungen, unter anderem beim Verleger des Magazins, Jürgen Elsässer.

Elsässer, ehemals antideutscher „Linker“ gehört seit Jahren zu den führenden Köpfen der extremen Rechten. Das Compact-Magazin bot mit einer monatlichen Auflage von 40.000 bisher eines der reichweitenstärksten Sprachrohre für verschiedene Nazi-Strukturen in Deutschland. Dass man deren Einfluss allein durch ein Verbot bekämpfen könnte, ist jedoch eine naive Utopie.

In seinem Magazin verbreitete Elsässer neben rassistischer und antisemitischer Propaganda ein buntes Allerlei der Themen und Ideen der neuen und alten Rechten. Genau in dieser Vielfalt der Themen dürfte eine der größten Anziehungspunkte des Magazins auf die faschistische Szene bestanden haben. Das bedeutet aber auch, dass durch das Verbot des Magazins diese Themen nicht einfach verschwinden – weder aus dem öffentlichen Raum noch aus den Köpfen seiner ehemaligen Leser:innen.

Ein echter Kampf gegen die Ideen und die Strukturen der Faschist:innen müsste statt kosmetischer Verbote der Strukturen an der Oberfläche der Szene einen Kampf gegen den Nährboden faschistischer Ideen beinhalten. Das bedeutet einerseits einen agitatorischen und propagandistischen Kampf gegen die Argumente und Lügen der Rechten. Das bedeutet aber auch einen sozialen und politischen Kampf gegen die sozialen Härten, die Leute in die Arme der Rechten treiben. Statt Illusionen in den Staatsapparat und seine Maßnahmen zu hegen, müssen wir selbst auf der Straße und in den Betrieben den Kampf gegen die Rechten aktiv aufnehmen und dafür Strukturen der Selbstverteidigung aufbauen.

Kein Vertrauen in den Staat

Die Bundesregierung ist dazu gänzlich unfähig. Während sich Faeser mit dem Verbot als Kämpferin gegen Rechts inszeniert, verschärft sie die Asylgesetze, hetzt gegen Migrant:innen und bereitet den Ideen der Rechten somit die Bahn.  Zudem ist die Regierung Urheberin sozialer Nöte, wenn sie die Armut durch Sozialkürzungen verschärft, Bildungsungerechtigkeit forciert und den Militarismus vorantreibt, wodurch sie den Nährboden, auf dem die extreme Rechte sich ausbreitet, weiter gedeihen lässt. 

Natürlich ist es kein Verlust, dass Elsässers Naziblatt nun erstmal von der Bildfläche verschwinden dürfte – sofern das Verbot vor Gericht Bestand hat. Das macht die Maßnahme jedoch nicht zu einem Gewinn für die antifaschistische Bewegung oder die Linken. Schon die Begründung des Innenministeriums sollte uns zu denken geben: Compact richte sich gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ und trete dabei „aggressiv-kämpferisch“ auf. Dieselben Gründe können Ministerium und Verfassungsschutz heranziehen, um sich auch gegen Linke und Antifaschist:innen zu richten. 

So sehr man Elsässer und seine Propaganda hassen sollte: Das Verbot seines Magazins ist ein Schlag gegen die Pressefreiheit, der sich hinter dem Deckmantel vom Kampf gegen Rechts verbirgt. Dass es ein Medium der extremen Rechten getroffen hat, darf uns nicht davon abhalten, eine genaue Analyse der Stoßrichtung dieser Maßnahme vorzunehmen.

Seit Jahren erleben wir eine zunehmende autoritäre Wende der Bundesregierung. Man denke an Eingriffe in die Versammlungsfreiheit während der Corona-Pandemie oder seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Zuletzt wurden diese autoritären Tendenzen besonders deutlich, als palästinensische Demonstrationen, Symbole und Organisationen reihenweise verboten wurden. Auch der antifaschistischen Bewegung begegnet der Staat mit zunehmender Repression, was etwa die Verurteilung von Lina E. und ihren Genossen oder die Auslieferung von Maja E. gezeigt haben. 

Diesmal hat eine autoritäre Maßnahme der Regierung nicht die Linken oder die palästinasolidarische Bewegung getroffen, sondern die Rechten. Nichtsdestotrotz ist der Zweck dieser Maßnahme, abzutasten, wie weit man Grundrechte wie die Pressefreiheit einschränken kann. Wenn dieses Verbot nun Bestand hat, dann ist für die Regierung die Bahn frei, in Zukunft auch linke Publikationen, die sich offen für einen Sturz des kapitalistischen Regimes einsetzen, zu verbieten. Davon könnte eine ganze Reihe von Zeitschriften, Zeitungen und Websites betroffen sein, nicht zuletzt auch Klasse Gegen Klasse. Die Tageszeitung Junge Welt steht bereits seit Längerem im Visier des Verfassungsschutzes, mit der Begründung, sie würde den deutschen Staat als kapitalistisch und imperialistisch „diffamieren“.

Die Bundesregierung schlägt also zwei Fliegen mit einer Klappe. Einerseits stellt sie sich als ernsthaften Akteur im Kampf gegen Rechts dar. Das ist sie aber nicht, und wir müssen uns selbst und unseren Verbündeten immer wieder klarmachen, dass Maßnahmen wie diese weder geeignet sind, den Aufstieg der Rechten aufzuhalten, noch wirklich darauf zielen. Das Compact-Verbot darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Staatsapparat selbst mit den Nazis verstrickt ist. So baute der Verfassungsschutz den NSU mit auf und trug dazu bei, dessen rassistische Mordserie zu ermöglichen. Auch die Polizei ist von Nazi-Strukturen durchsetzt – mit tödlichen Folgen. 

Das Ziel dieser Maßnahme ist andererseits, wie dargestellt, neue Formen der Einschränkung von Grundrechten zu erproben und damit neue autoritäre Maßnahmen gegen politische Gegner der Regierung vorzubereiten.

Was wir stattdessen tun müssen

Das heißt natürlich nicht, dass wir uns für die Wiederzulassung der Veröffentlichung des Compact-Magazins einsetzen sollten. Stattdessen müssen wir aber andere Formen entwickeln, um solche Publikationen, die nun von Neuem entstehen werden, wirksam zu bekämpfen.

Ansätze davon könnten zum Beispiel die Forderung an Gewerkschaften sein, den Verkauf von Magazinen wie Compact in den Läden selbst zu verhindern. Wir sollten Kolleg:innen in Supermärkten, Zeitschriften- und Buchläden davon überzeugen, faschistische Propaganda wie Compact nicht zu verkaufen und eigenmächtig aus dem Sortiment ihrer Filialen zu entfernen. Wenn Elsässer keine Läden mehr findet, die sein Blättchen verkaufen, dann braucht es auch kein Verbot seiner Zeitschrift.Dieser Angriff sollte auch ein Anlass dafür sein, sowohl in der antifaschistischen als auch in der palästinasolidarischen Bewegung, die in letzter Zeit besonders stark von den Angriffen des Staates betroffen war, über die Repression und den Kampf dagegen zu sprechen. Es braucht eine Verbindung von sozialen Kämpfen, des Kampfes gegen Rechts und des Kampfes gegen die Repression und für die Verteidigung unserer Rechte. Die Linke muss zum einen daran arbeiten, ausgehend von der Organisierung in den Betrieben, Schulen und Unis eine materielle Kraft aufzubauen, um Naziterror zu verhindern und die Rechten von der Straße und aus den Strukturen der Arbeiter:innenklasse zu vertreiben. Dabei kommt auch den Gewerkschaften eine wichtige Rolle zu: Sie müssen den Rassismus an den Grenzen und auf dem Arbeitsmarkt gleichermaßen bekämpfen und sich Nazis und Polizei entgegenstellen. Zum anderen muss die Linke ein Programm gegen rassistische Spaltung und Unterdrückung, gegen die soziale Krise und die Militarisierung aufwerfen. All diese Kämpfe haben eines gemeinsam: Nancy Faeser und die restliche Bundesregierung sind in ihnen niemals Verbündete, sondern stets unser Feind.

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