Commons und Kommunismus: Eine Debatte mit Silvia Federici
Wofür kämpfen wir? Josefina Martínez beschäftigt sich aus der Sicht eines sozialistischen Feminismus mit den Arbeiten Silvia Federicis.
In der Einleitung zu „Revolution at Point Zero“ wirft Silvia Federici einen Blick zurück auf ihre eigene Arbeit und überdenkt teilweise ihre theoretischen Ausarbeitungen aus den 1970er Jahren sowie die Strategie der Kampagne „Lohn für Hausarbeit“. Sie erklärt:
Basierend auf der Annahme, dass die Ausbeutung der unbezahlten Arbeit von Frauen und die ungleichen Machtbeziehungen, die auf ihrem unbezahlten Zustand aufbauen, die Stützen der kapitalistischen Organisation der Produktion sind, identifizierte die ‚Lohn für Hausarbeit‘-Bewegung die ‚Hausarbeiterin‘ als das entscheidende gesellschaftliche Subjekt. Angesichts der weltweiten Wiederkehr der ‚ursprünglichen Akkumulation‘, beginnend mit der immensen Ausdehnung des Weltarbeitsmarktes, welche auf verschiedensten Formen der Enteignung basiert, konnte ich nicht länger, wie ich das Anfang der 1970er-Jahre noch tat, schreiben, dass ‚Lohn für Hausarbeit‘ nicht nur eine Strategie für die feministische Bewegung ist, ’sondern für die gesamte Arbeiter*innenklasse‘. Angesicht dessen, dass praktisch gesamte Bevölkerungen einzelner Länder durch drastische Währungsabwertungen ent-monetarisiert wurden und zusätzlich die Privatisierung des Landes und die Kommerzialisierung aller natürlichen Ressourcen vorangetrieben wurde, stellt sich dringend die Frage nach der Wiederaneignung der Produktionsmittel und der Schaffung neuer Formen gesellschaftlicher Kooperation. Das sollte nicht als Ersatz zu den Kämpfen um und über den ‚Lohn‘ verstanden werden.1
Dieser Abschnitt fasst mehrere Aspekte der wichtigsten Ausführungen Federicis zusammen und zeigt gleichzeitig, wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben. In anderen Artikeln haben wir uns mit der Frage der sozialen Reproduktion und der Debatte mit dem autonomen Feminismus über die Frage der Hausarbeit sowie mit der Position der Hausfrau als „entscheidendes soziales Subjekt“ beschäftigt. In einem neueren Artikel haben wir gegen die von Silvia Federici aufgegriffenen Ausführungen von Maria Mies zu den Mechanismen der Enteignung und der „ursprünglichen Akkumulation“ polemisiert, die der Kapitalismus hervorbringt.2 Wir haben das Argument der Autorin analysiert, dass der Schlüssel zum Kampf gegen den Kapitalismus in den Frauen des globalen Südens zu finden sei. Wir haben erklärt, dass die Phänomene der Enteignung als Tendenz im heutigen Kapitalismus die Notwendigkeit einer hegemonialen revolutionären Strategie für die Arbeiter:innenklasse nicht mindern, sondern vielmehr bekräftigen. Die Arbeiter:innenklasse ist heute größer, rassifizierter und weiblicher denn je, und sie kann in Bündnissen mit allen unterdrückten Sektoren eine mächtige soziale Kraft gegen den Kapitalismus darstellen.
Nun wollen wir uns ansehen, was Federici als die endgültigen Ziele des antikapitalistischen Feminismus darstellt. Was sind die Commons? Warum setzt die Autorin sie dem Kommunismus entgegen? Können die Produktionsmittel zurückgewonnen und neue Formen der gesellschaftlichen Kooperation geschaffen werden, ohne dass es zu einem revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus kommt? Ausgehend von diesen Fragen wollen wir einen weiteren Aspekt in die Debatte zwischen Federicis Denken – dem autonomen Feminismus – und dem sozialistischen Feminismus einbringen.
Was sind die Commons?
Im Vorwort zu Silvia Federicis Buch „Die Welt wieder verzaubern“ bietet Peter Linebaugh3 eine vorläufige Definition der Commons an. Er schreibt:
Was sind die Commons? Während Federici eine essentialistische Antwort meidet, bewegen sich ihre Texte um zwei Argumente: kollektive Wiederaneignung des Reichtums und kollektiver Kampf gegen die Art und Weise, wie wir voneinander getrennt werden. Die Beispiele sind vielfältig. Manchmal bietet sie vier Merkmale an: 1.) All der Reichtum soll geteilt werden. 2.) Commons erfordern sowohl Verpflichtungen als auch Ansprüche. 3.) Die Care-Commons sind auch Gemeinschaften des Widerstands, die sich allen gesellschaftlichen Hierarchien widersetzen. 4.) Commons sind das ‚Andere‘ der Staatsform. Tatsächlich kommt der Diskurs über die Commons aus der Krise des Staates, der den Begriff nun zu seinen eigenen Zwecken pervertiert.4
Nach dieser Definition sind die Commons ein Versuch, Formen des sozialen Zusammenlebens außerhalb des Staates zu etablieren, wobei kooperative Formen der Versorgung im Vordergrund stehen. Federici erklärt, dass sich die „Politik der Commons“ auf verschiedene Praktiken sozialer Bewegungen bezieht, die versuchen, die soziale Kooperation zu verbessern, die Kontrolle des Marktes und des Staates über unser Leben zu untergraben, das Teilen von Reichtum zu fördern und auf diese Weise der Kapitalakkumulation Grenzen zu setzen.
Das Projekt basiert auf der autonomistischen Idee, „die Welt zu verändern, ohne die Macht zu übernehmen“, wie John Holloway es vor 20 Jahren formulierte.5 Diese Strömung glaubt, dass es möglich sei, alternative, nicht-kapitalistische Formen der Kooperation an den Rändern des Systems aufzubauen und den Staat zu umgehen (da es unmöglich sei, ihn zu besiegen). Dies ist eine Form des antistrategischen Denkens, die der Philosoph und trotzkistische Denker Daniel Bensaïd als „zeitgenössische Utopien“ bezeichnete, die für die „Finsternis der Politik“ in der Zeit der neoliberalen Offensive charakteristisch sind.6
Diese Idee ist nicht neu. Sie geht auf den vormarxistischen utopischen Sozialismus oder anarchistischen Mutualismus zurück, gegen den Marx in der Internationalen Arbeiterassoziation argumentierte. Die Anhänger des französischen Anarchisten Pierre Joseph Proudhon forderten die Ausweitung von Produktions- und Konsumgenossenschaften, die durch Genossenschaftsbanken finanziert werden sollten. Auf diese Weise sollten die „negativsten“ Aspekte der kapitalistischen Gesellschaft schrittweise überwunden werden, ohne dass es einer Revolution bedurfte. Im Gegensatz zu diesen Positionen betonte Marx in der „Inauguraladresse der Internationalen Arbeiter-Assoziation“, „daß wie Sklavenarbeit, wie Leibeigenenarbeit so Lohnarbeit nur eine vorübergehende und untergeordnete gesellschaftliche Form ist, bestimmt zu verschwinden vor der assoziierten Arbeit“. Aber er erklärte auch, dass das Kooperativsystem der Entwicklung auf nationaler Stufenleiter und der Förderung durch nationale Mittel bedürfe, um die arbeitenden Massen zu befreien. Dies würde auf Widerstand stoßen, da „die Herren von Grund und Boden und die Herren vom Kapital ihre politischen Privilegien stets […] zur Verteidigung und zur Verewigung ihrer ökonomischen Monopole“ gebrauchen würden. Die Schlussfolgerung war, dass die Arbeiter:innenklasse die politische Macht erobern müsse, um die Macht der Kapitalist:innen zu brechen.
Und wenn dies schon zu Marx‘ Zeiten der Fall war, wie viel mehr gilt dies dann heute? Nicht nur, weil sich die Internationalisierung der kapitalistischen Produktion und Zirkulation in einem damals unvorstellbaren Ausmaß ausgeweitet hat, so dass die Idee, kleine Kommunen auf lokaler Ebene zu schaffen, eine Illusion ist. Sondern auch, weil die Erfahrung von mehr als einem Jahrhundert Klassenkampf zeigt, dass die Kapitalist:innen und ihre Staaten mit ihrem gesamten konterrevolutionären Arsenal antworten, wenn ihre Privilegien auf dem Spiel stehen.
Für Marxist:innen ist die Vergesellschaftung und Internationalisierung der kapitalistischen Produktion eine Voraussetzung dafür, dass die Arbeiter:innenklasse und die Unterdrückten den revolutionären Kampf für den Kommunismus aufnehmen können. Für Federici ist dies jedoch nicht der Fall. Für sie geht es darum, die historische Uhr zurückzudrehen, da sie die Notwendigkeit verneint, die moderne Wissenschaft und Technologie in die Hände der Produzent:innen zu legen. Sie strebt eine Verländlichung des Lebens und die Abkehr von der modernen Technologie an.
Technologischer Pessimismus und Widerstand an den Rändern
Federicis Standpunkt zu dieser Frage steht dem eines anderen Sektors des Autonomismus, der vom italienischen Soziologen Toni Negri vertreten wird, diametral entgegen. Negri geht davon aus, dass die technowissenschaftliche Entwicklung und die Digitalisierung der kapitalistischen Wirtschaft zu einem Primat der kognitiven Arbeit führen werden, das die Möglichkeit eröffnet, den Kommunismus „hier und jetzt“ zu schaffen. Federici kritisiert diese Hypothese in zweierlei Hinsicht.7 Zum einen argumentiert sie, dass Negri die häusliche und informelle Arbeit von Frauen im Globalen Süden unsichtbar mache. Würde er diese bedenken, so sagt sie, könnte er nicht von der Vorherrschaft der kognitiven Arbeit sprechen. In dieser Hinsicht berücksichtigt ihre Position die tiefgreifenden Ungleichheiten in der kapitalistischen Welt – zwischen Globalem Norden und Süden sowie die durch Patriarchat und Rassismus verursachten Ungleichheiten – sehr viel besser als jene Negris. Ihre weitere Kritik ist jedoch problematisch. Für Federici kann die Technologie weder die Grundlage für eine kommunistische Perspektive bilden noch zu anderen Formen der Kooperation führen, da ihr Ursprung und ihre Entwicklung mit dem Kapitalismus verbunden seien und nicht von dessen Logik getrennt werden könnten. Indem Federici die technologische Entwicklung mit Herrschaft und Zerstörung gleichsetzt, verfällt sie in einen essentialistischen Technologiepessimismus.
Wir wollen ihre Argumente Schritt für Schritt nachvollziehen, wie sie sie in einer Polemik mit Marx ausarbeitet – obwohl sie eine ziemlich verzerrte Sichtweise von ihm verwendet. Federici argumentiert, dass ihre Ausarbeitungen zur Hausarbeit sie dazu brachten, „einen der zentralen Grundsätze der Marxschen Revolutionstheorie zu überdenken, nämlich die Annahme, dass mit der Entwicklung des Kapitalismus alle Formen der Arbeit industrialisiert würden und, am wichtigsten, dass der Kapitalismus und die moderne Industrie Vorbedingungen seien, um den Menschen von der Ausbeutung zu befreien.“8 Der erste Punkt, den sie als Lehrsatz von Marx identifiziert, (eine totale Industrialisierung der Arbeit) werde angeblich durch die Existenz anderer Formen von nicht bezahlter Arbeit, wie informeller Arbeit, Hausarbeit, ländlicher Subsistenz usw., widerlegt. Sie ignoriert dabei, dass Marx eine Tendenz, nicht ein absolutes Gesetz ansprach. Wir können jedoch feststellen, dass die kapitalistischen sozialen Beziehungen und die Industrialisierung ländlicher Gebiete heute immens viel weiter ausgedehnt sind als noch im 19. Jahrhundert (oder sogar noch vor 30 Jahren).
Was die Beziehung zwischen moderner Industrie und Sozialismus betrifft, so schreibt Federici Marx eine Art „technologischen Determinismus“ zu, der unweigerlich zum Kommunismus führen würde. Laut Federici war „Marx […] davon überzeugt, dass, wenn dieser Prozess abgeschlossen sei und die moderne Industrie die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit auf ein Minimum reduziert habe, eine Epoche beginne, in der wir die Kontrolle über unsere Existenz und unsere natürliche Umgebung erlangten und nicht nur in der Lage wären, unsere unmittelbaren Bedürfnisse zu befriedigen, sondern auch frei, um unsere Zeit dem Streben nach Höherem zu widmen.“9
Wir sollten zunächst sagen, dass nichts absurder sein könnte, als Marx diese Art von technologischem Determinismus zuzuschreiben, die automatisch zum Kommunismus führen soll. Marx und Engels, gefolgt von der gesamten Tradition des revolutionären Marxismus von Lenin, Trotzki, Luxemburg und Gramsci, konzentrierten sich auf den Klassenkampf und die Notwendigkeit, politische Organisationen der Arbeiter:innenklasse aufzubauen, die von der Bourgeoisie unabhängig sind, eben weil dieser historische Sprung nicht gesichert ist.
Federici geht jedoch noch weiter und argumentiert, dass Marx mit seiner Behauptung, die kapitalistische Entwicklung der Produktivkräfte mache den Sozialismus möglich, falsch lag. Für sie ist dies falsch, denn „[d]as erklärt zum Teil, warum der Kapitalismus hundertfünfzig Jahre nach dem Erscheinen des ersten Bands des ‚Kapital‘ nicht den Anschein erweckt, bald zu verschwinden, obwohl die objektiven Bedingungen, die sich Marx ausmalte, mehr als reif sind.“10
Wir können das kleine Detail beiseite lassen, dass Marx nie vom „Verschwinden“ des Kapitalismus gesprochen hat – Federici scheint mehr mit Negri als mit Marx zu debattieren. Wenn wir vermeiden wollen, in einen technologischen Determinismus zu verfallen, den Federici dem Marxismus zuschreibt, müssen wir uns ansehen, was auf dem Terrain des Klassenkampfes und der politischen und strategischen Kämpfe der Ausgebeuteten geschehen ist. Wenn wir nach einer ernsthaften Erklärung dafür suchen wollen, warum der Kapitalismus nicht besiegt wurde, sollten wir zumindest die großen historischen Erfahrungen von Revolution und Konterrevolution berücksichtigen, die sich im gesamten 20. Jahrhundert stattgefunden haben. Wir sollten auch die Rolle der gewerkschaftlichen und politischen Bürokratien, von der Sozialdemokratie bis zum Stalinismus, berücksichtigen, die zu Niederlagen und Rückschlägen führten. Doch Federici tut nichts dergleichen. Tatsächlich enthält ihr Werk praktisch keinen Hinweis auf die Russische Revolution oder auf die großen revolutionären Kämpfe der Arbeiter:innenklasse im 20. Jahrhundert. Stattdessen prägt ein (anti-)technologischer Determinismus ihre gesamte Argumentation.
Sie erklärt dies folgendermaßen:
Man muss auch betonen, dass keines der Produktionsmittel, das der Kapitalismus hervorbrachte, einfach übernommen und einem anderen Zweck zugeführt werden kann. So wie wir den Staat, worauf wir später zurückkommen werden, nicht einfach übernehmen können, können wir auch die Industrie, die Wissenschaft und die Technologie des Kapitalismus nicht einfach übernehmen, weil ihre Struktur und ihre Funktionsweise von den ausbeuterischen Zielen bestimmt sind, für die sie geschaffen wurden.11
Doch wenn die Ausgebeuteten und Unterdrückten keine Hoffnung in den Kampf um die Enteignung der Enteigner:innen und die Aneignung der Produktionsmittel für ihre eigenen Zwecke setzen können, welche Zukunft bleibt dann? Federicis Technologiepessimismus führt zurück zu einem utopischen Antikapitalismus, der in der Vergangenheit verankert ist – als ob die einzige Lösung darin bestünde, Zuflucht in Räumen zu suchen, die weit entfernt sind von den technologischen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts. Konkret würde dies bedeuten, Räume für die Subsistenz zu schaffen, die mit der Erde, dem Ländlichen und der gemeinschaftlichen Sorgearbeit verbunden sind. Aus dieser Perspektive betrachtet Federici die Kämpfe der bäuerlichen und indigenen Gemeinschaften gegen die Ausbreitung des Raubbaus in Lateinamerika, die informellen Arbeitskooperativen in den Slums und andere gemeinschaftliche Erfahrungen in einigen afrikanischen Ländern. Das Problem ist, dass sie am Ende aus der Not eine Tugend macht. Sie stellt Erfahrungen der Subsistenz als Modell vor, in Gemeinschaften, denen der Zugang zu Gütern und technologischen Ressourcen verwehrt wurde, die allen zur Verfügung stehen sollten: von den Energiequellen bis zu den Mitteln für die Trinkwasserversorgung, von der Technologie für die Landarbeit bis zur öffentlichen Gesundheit usw. In den zentralen Ländern würde ihre Vision der Commons durch Zeitbanken, Urban-Gardening oder Tauschsystemen verwirklicht werden.
Dieser Technologiepessimismus und die damit verbundene Forderung nach einer Verländlichung des Lebens überschneidet sich mit der Idee des Degrowth, die in den Debatten über die vom Kapitalismus verursachte ökologische Katastrophe an Bedeutung gewonnen hat.12 Ein großer Teil dieser Denkrichtung behauptet, dass Technologie kein „Instrument“ oder „neutrales“ Werkzeug ist, das davon abhängt, wer es benutzt, sondern dass sie „Spuren“ kapitalistischer Hierarchien enthält. Dies ist teilweise richtig: Die technologischen Entwicklungen werden vom Kapitalismus „geformt“, der Tausende von Entdeckungen, die für die Monopole nicht nützlich sind, verwirft oder behindert, während andere allein aufgrund ihres Potenzials zur Kommerzialisierung entwickelt werden. Dies hat sich in den Jahren der Pandemie dramatisch gezeigt. Marx analysierte auch, dass die technologisch-wissenschaftliche Entwicklung in den Händen des Kapitals nicht mehr freie Zeit für die Arbeiter:innen schuf, sondern vielmehr in überschüssige Arbeit umgewandelt wurde; anstatt die Arbeiter:innen von der Last der Arbeit zu befreien, fesselt das Kapital sie mit schwereren Ketten und nutzt technische Mittel, um ihre Arbeitskraft zu disziplinieren und zu kontrollieren.
Es ist auch eine Tatsache, dass die Technik in kapitalistischer Hand schreckliche Zerstörungskräfte, Mittel zur Massenvernichtung und alle möglichen Tendenzen zur ökologischen Katastrophe hervorgebracht hat. Diese Triebkraft liegt jedoch nicht in der Mechanisierung der Welt – als ob Maschinen einen eigenen Geist hätten –, sondern in der privaten Aneignung der Gemeingüter der Menschheit durch die Monopole. Der Verzicht auf Wissenschaft und Technik würde bedeuten, auf die Früchte jahrhundertelanger menschlicher Arbeit zu verzichten (oder sie der Bourgeoisie zu überlassen). Und wie weit geht dieser Technologiepessimismus? Sollen wir auf Impfstoffe, Krebsforschung, künstliche Intelligenz, photovoltaische Solarenergie, Robotik verzichten? Federici argumentiert in „Die Welt wieder verzaubern“, dass die Politik der Commons nicht aus dem Versprechen einer unmöglichen Rückkehr in die Vergangenheit bestünde, sondern aus der Möglichkeit, die Macht wiederzuerlangen, unser Schicksal auf dieser Erde kollektiv zu bestimmen. Die Negation der Gemeingüter der Menschheit schränkt diese kollektiven Möglichkeiten jedoch ein.
Wir unterstützen die entgegengesetzte Idee: Während es keinen Kapitalismus ohne industrielle Entwicklung geben kann, können wir die moderne Industrie und die wissenschaftliche Entwicklung auch ohne Kapitalist:innen am Laufen halten. Dies würde es ermöglichen, die Produktion neu zu organisieren und gleichzeitig neue Grundlagen für die wissenschaftliche Forschung zu schaffen. Ganze Zweige der kapitalistischen Wirtschaft könnten drastisch reduziert werden: Die Autoproduktion könnte zum Beispiel auf umweltfreundliche kollektive Verkehrsmittel umgestellt werden. Der Kapitalismus erzeugt Konsumismus und „künstliche Bedürfnisse“ (durch Werbung und geplante Obsoleszenz) als Absatzmärkte für die Produktion von Waren, während er auf der anderen Seite Ozeane der Armut erzeugt. In einer Gesellschaft, in der die Produktion nicht vom privaten Profit bestimmt wird, wäre es möglich, in einigen Sektoren zu „schrumpfen“, während in anderen die Produktion ausgeweitet und neue Technologien eingesetzt würden. Solche Fragen sollten durch eine demokratische Planung entschieden werden, die auf den sozialen Bedürfnissen und einer nicht destruktiven Beziehung zur Natur basiert.
Sozialisierung und Automatisierung: Über Hausarbeit
Federici argumentiert, dass Pflege- oder Hausarbeit nicht vollständig automatisiert werden kann, weil sie Fähigkeiten, Emotionen und Zuneigung erfordert, die von einer Maschine nicht geleistet werden können. Sie kommt zu dem Schluss, dass dies das Programm von Marx „entgleisen“ lässt, da nicht die gesamte gesellschaftliche Arbeit technisierbar ist.
Sie macht hier zwei Fehler. Erstens geht Federici fälschlicherweise davon aus, dass die Vergesellschaftung der Hausarbeit – wie wir marxistischen Feminist:innen sie fordern – die absolute Automatisierung dieser Aufgaben bedeutet. Aber die Vergesellschaftung der Hausarbeit bedeutet nicht notwendigerweise eine totale Automatisierung – sie bedeutet, dass diese Arbeit aus der privaten Sphäre des Hauses herausgenommen und in eine Aufgabe verwandelt wird, die von der Gesellschaft als Ganzes übernommen und organisiert wird. Mit anderen Worten, es bedeutet die Anerkennung dieser Aufgaben, die zur Reproduktion der Arbeitskraft und zur gesellschaftlichen Reproduktion beitragen. Diese Vergesellschaftung impliziert natürlich ein höheres Maß an Automatisierung für bestimmte Aufgaben, die in vielen Haushalten noch von Hand erledigt werden. In Sowjetrussland zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschah dies in Form von gemeinschaftlichen Wäschereien, Kindertagesstätten, öffentlichen Küchen usw. In weiten Teilen der heutigen Welt sind viele dieser Aufgaben der sozialen Reproduktion bereits vergesellschaftet – als Lohnarbeit – und werden teilweise maschinell erledigt, entweder im privaten Bereich (Restaurants, Fast-Food-Ketten, gewerbliche Wäschereien) oder im öffentlichen Bereich (Krankenhäuser, öffentliches Bildungswesen usw.). Dennoch gibt es auch im 21. Jahrhundert immer noch eine beträchtliche Last an Hausarbeit, die in den Haushalten unsichtbar bleibt und als „Frauenarbeit“ naturalisiert wird. Ein Großteil dieser Arbeit könnte vergesellschaftet werden: in gemeinschaftlichen Kantinen, Wäschereien, Kinderbetreuungseinrichtungen und Pflegeheimen – öffentlichen, qualitativ hochwertigen Einrichtungen mit spezialisiertem Personal, die allen kostenlos zur Verfügung stehen würden. Damit würden die Aufgaben, die im Privaten verbleiben, auf ein Minimum reduziert.
Andererseits könnte in einer Gesellschaft, die nicht auf Privateigentum basiert, die Pflegearbeit in selbstorganisierte Arbeit aller Gesellschaftsmitglieder umgewandelt werden. Sie würde somit nicht mehr als Last empfunden. Die Zuneigung und die Emotionen in den zwischenmenschlichen Beziehungen würden nicht mehr durch Geld, die Notwendigkeit des Lohns, prekäre Verhältnisse, patriarchale Unterdrückung, Rassismus oder fehlende Freizeit vermittelt werden. Die Zuneigung könnte sich auf neue Weise entfalten. Und sie könnte auch die Phantasie befreien und enorme Kreativität in anderen Bereichen freisetzen, etwa bei der Neugestaltung von Städten, der Entwicklung umweltfreundlicher Energiequellen oder der Erforschung der Bewegung der Sterne. Die gesamte Gesellschaft würde von einer solchen gesellschaftlichen Arbeit profitieren.
Die Vergangenheit und die Zukunft des Kommunismus
In der Deutschen Ideologie erklärte Marx, dass
[e]s also jetzt so weit gekommen [ist], daß die Individuen sich die vorhandene Totalität von Produktivkräften aneignen müssen, nicht nur um zu ihrer Selbstbetätigung zu kommen, sondern schon überhaupt um ihre Existenz sicherzustellen. Diese Aneignung ist zuerst bedingt durch den anzueignenden Gegenstand – die zu einer Totalität entwickelten und nur innerhalb eines universellen Verkehrs existierenden Produktivkräfte. Diese Aneignung muß also schon von dieser Seite her einen den Produktivkräften und dem Verkehr entsprechenden universellen Charakter haben.13
Schätzungen zufolge werden bis Ende 2022 860 Millionen Menschen in extremer Armut leben, während die reichsten zehn Prozent 76 Prozent des gesamten gesellschaftlichen Reichtums besitzen. Verschiedene internationale Organisationen warnen vor katastrophalen Hungersnöten als Folge des Krieges in der Ukraine, der Inflation und der Getreideknappheit. Unter diesen Bedingungen ist die Existenz für einen großen Teil der Menschheit nicht gesichert. Die vom autonomen Feminismus vorgeschlagenen Subsistenzkommunen bieten keinen Ausweg aus dieser Situation. Sie gehen nicht über die utopische Idee hinaus, „der Kapitalakkumulation Grenzen zu setzen“ und das heute bestehende Elend zu vergesellschaften.14
Federici verweist auf gemeinschaftliche Erfahrungen von Bäuer:innen in vorkapitalistischen Gesellschaften sowie auf die von Thomas Müntzer angeführten Bäuer:innenaufstände und die häretischen Sekten im Deutschland des 16. Jahrhunderts. Dort findet sie Vorbilder für die Commons: „Omnia sunt communia“ (Alles gehöre allen) war das Banner, das die Wiedertäufer-Bäuer:innen und die städtischen Plebejer:innen gegen die Fürsten und den Vatikan erhoben. In der Tat können diese Massenaufstände als die ersten Keime des Kommunalismus gegen die Klassengesellschaften angesehen werden. Engels erklärte, dass Müntzers Ideen die „Antizipation des Kommunismus durch die Phantasie“15 waren. Nach seiner Analyse bedeutete die Errichtung des Reiches Gottes auf Erden die Errichtung einer Gesellschaft ohne Klassenunterschiede, ohne Privateigentum und ohne eine sich über die Mitglieder der Gesellschaft erhebende Staatsmacht.
In jener historischen Epoche hatten diese partikularistischen und zersplitterten Bewegungen trotz ihres Kampfgeistes und Heldentums jedoch keine Möglichkeit, den Kapitalismus in seiner Entstehung zu besiegen oder eine alternative Gesellschaft zu seiner Überwindung aufzubauen. Die brutale Niederschlagung der Bäuer:innenaufstände durch die Streitkräfte des Adels und der aufstrebenden Bourgeoisie war der tragische Beweis. Es ist jedenfalls erstaunlich, dass Federici auf der Suche nach Präzedenzfällen für die Politik der Commons bis zu den bäuerlichen Kämpfen des 16. Jahrhunderts zurückgehen muss. Gleichzeitig scheint sie die enorme historische Kreativität zu übersehen, die von Millionen von Arbeiter:innen und Bäuer:innen – Männern und Frauen – in den letzten 150 Jahren im Kampf gegen den Kapitalismus entfesselt wurde. Von der Pariser Kommune, die die Macht des bürgerlichen Europas erschütterte, bis zur Russischen Revolution, in der die Arbeiter:innen und Bäuer:innen nach dem Sieg über den Zarismus und 14 imperialistische Armeen beschlossen, ihren eigenen Staat zu errichten, die Wirtschaft auf einer neuen Grundlage zu reorganisieren und ein Sprungbrett für die Ausweitung der Weltrevolution zu sein. Viele andere Beispiele der Selbstorganisation zeigen das Potenzial der Arbeiter:innenklasse, wenn sie ihr Schicksal selbst in die Hand nimmt: die Spanische Revolution, die Nelkenrevolution in Portugal und viele Erfahrungen mit Arbeiter:innenkontrolle und Selbstverwaltung in Fabriken und anderen Unternehmen. Dazu gehören auch die jüngsten Erfahrungen mit besetzten Fabriken in Argentinien und Griechenland, wo die Arbeiter:innen in Krisenzeiten gemeinsam mit Nachbar:innen, Studierenden und armen Menschen die Leitung der Produktion übernahmen.
Die Wiederkehr dieser „zeitgenössischen Utopien“ (Bensaïd), die die Möglichkeit einer sozialistischen Revolution der Arbeiter:innenklasse als Mittel zur Öffnung des Weges zu einer klassen- und staatenlosen Gesellschaft leugnen, hat ihre historische Grundlage nicht nur in der neoliberalen Offensive, sondern auch in der monströsen Erfahrung der stalinistischen Bürokratie. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, den revolutionären Marxismus klar vom Stalinismus zu trennen, die historischen Bedingungen für das Entstehen dieser Bürokratie zu verstehen und das historische Scheitern der Theorie des „Sozialismus in einem Land“ zu bewerten.
Federici kommentiert eine bekannte Passage von Marx und Engels, in der sie argumentieren, dass „[d]er Kommunismus für uns nicht ein Zustand [ist], der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten haben [wird]. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung.“16
Sie schließt daraus, dass die Commons mit der realen Bewegung zur Abschaffung des gegenwärtigen Zustands verbunden sei. Aber um den gegenwärtigen Zustand wirklich zu überwinden, kann die Bewegung – die alltäglichen Kämpfe – nicht von dem Ziel einer emanzipierten Gesellschaft losgelöst werden. Wenn man nur an diesem ersten Moment festhält und das Ziel ablehnt, beschränkt sich die Politik der Commons darauf, kleine Reformen an den Rändern der bestehenden Gesellschaft anzustreben.
Die Pandemie, die Wirtschafts- und Klimakrise und jetzt Krieg und Militarismus – all diese Dinge zeigen, dass die zerstörerischen Tendenzen des Kapitalismus unerbittlich fortwirken. Die Ausgebeuteten und Unterdrückten müssen die Enteigner:innen enteignen und die Gesamtheit der vorhandenen Produktivkräfte in ihre Hände nehmen. Nur so kann der Wunsch nach einer Gesellschaft, in der „alles allen gehöre“, Wirklichkeit werden.
Dieser Artikel erschien erstmals am 5. Juni 2022 in Contrapunto. Die deutsche Fassung basiert auf der englischsprachigen Übersetzung, die am 17. Juli 2022 bei Left Voice veröffentlicht wurde.
Fußnoten
1. Silvia Federici: Revolution at Point Zero. Hausarbeit, Reproduktion und feministischer Kampf, Unrast Verlag, Münster 2021, S. 31f.
2. Josefina L. Martínez, „Patriarchat, Kapitalakkumulation und Enteignung“, Contrapunto, 7. Mai 2022.
3. Peter Linebaugh, ein US-amerikanischer Historiker und Schüler von E. P. Thompson, ist zusammen mit Federici und George Caffentzis Mitglied des Midnight Notes Collective. Das Kollektiv widmet sich dem Studium der „historischen Commons“.
4. Silvia Federici: Die Welt wieder verzaubern. Feminismus, Marxismus & Commons, Mandelbaum Verlag, Wien und Berlin 2020, S. 17.
5. John Holloway: Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen, Westfälisches Dampfboot, Münster 2002.
6. Daniel Bensaïd: Éloge de la politique profane [Lob der profanen Politik], Albin Michel, Paris 2008, S. 153 und 179.
7. Federici polemisiert hier gegen die ihrer Meinung nach übertriebene „Faszination“ der italienischen autonomen Bewegung für die Marxschen Grundrisse.
8. Federici: Die Welt wieder verzaubern, S. 237.
9. Ebd., S. 238.
10. Ebd., S. 241.
11. Ebd., S. 242.
12. Eine der ersten systematischen Darstellungen von Degrowth stammt von dem französischen Autor Serge Latouche. Im spanischen Staat ist Carlos Taibo ein wichtiger Verfechter von Degrowth.
13. Karl Marx und Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie. Kritik der neuesten deutschen Philosophie in ihren Repräsentanten Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten, in: Dies.: Werke, Band 3, Dietz Verlag, Berlin 1958, S. 9-530, hier S. 67.
14. Andrea D’Atri argumentiert: Wir sozialistische Feministinnen von Brot und Rosen sind hingegen der Ansicht, dass der Kampf um das Überleben außerhalb der Lohnarbeit zwar eine Notwendigkeit ist, zu der uns das Kapital drängt, die aber nicht unser strategischer Horizont sein kann.“ Andrea D’Atri: Unser Feminismus ist mehr als der Kampf ums Überleben, Klasse Gegen Klasse, 20. Dezember 2021.
15. Friedrich Engels: Der Bauernkrieg in Deutschland, in: Karl Marx und Friedrich Engels: Werke, Band 7, Dietz Verlag, Berlin 1960, S. 327-413, hier: S. 346.
16. Marx und Engels: Die deutsche Ideologie, MEW Bd. 3, S. 35.