Columbia University: Ihre Repressionen werden uns nicht stoppen
Die Polizei von New York verhaftet im Auftrag der Universitätsleitung über 100 Protestierende an der Columbia Universität. Trotzdem wächst der Widerstand gegen den Völkermord in Gaza und gegen die Repressionen.
Am 18. April stürmte die New Yorker Polizei NYPD in einem seit 1968 beispiellosen Polizeieinsatz den Campus und verhaftete mindestens 108 Studierende der Columbia Universität. Die Studierendenschaft hat eine lange Geschichte friedlicher Proteste. 1968 war Columbia einer der Hauptschauplätze des Widerstands gegen den US-geführten Vietnamkrieg. Damals wurden bei Protesten mehr als 700 Studierende verhaftet. Die heutigen Demonstrationen beziehen sich, auch direkt durch Plakate und Banner, auf diese Tradition. Im Moment hat die Bewegung ein Camp errichtet und eine Grünfläche besetzt. Tag und Nacht harren sie dort aus, während die Repressionen immer härter werden. Aber gleichzeitig zeigt sich die Kreativität der Studierenden. So haben Studierende der Journalismus-Fakultät einen Weg gefunden, Journalist:innen auf den Campus zu lassen, nachdem die Universitätsleitung den Einlass durch die Polizei verwehren ließ und damit die Pressefreiheit massiv verletzen wollte.
Schauprozesse gegen US-Universitäten
Viele beschreiben die Situation an US-amerikanischen Universitäten als eine neue McCarthy-Ära, also eine Flut an Repressionen gegen die Opposition zum nationalen Konsens. In den 60er Jahren betraf das vor allem linke, sozialistische, kommunistische und pazifistische Bewegungen und Einzelpersonen. Fast 60 Jahre nach der Hochphase der Antikriegsbewegung wird diese Hexenjagd von einer Demokratischen Regierung unter Joe Biden geführt, die von der Mehrheit der Bevölkerung als progressiv wahrgenommen und bezeichnet wird. Der vorgeschobene Grund dieser Repressionen, fast wie ein Schatten der deutschen Repressionspolitik, ist Antisemitismus. Es ist allerdings bezeichnend, dass eine der Gruppen, die am härtesten betroffen ist, Jewish Voice for Peace ist. Dieser Kampf des prozionistischen Establishments gegen die Uni-Proteste begann schon vor einigen Monaten und führte unter anderem zur Entlassung der Harvard-Präsidentin Claudine Gay. Sie war die erste Schwarze Frau in diesem Amt und hatte ihre Arbeit erst Wochen zuvor begonnen. Sie wurde, gemeinsam mit anderen Universitätspräsident:innen, zu einem politischen Schauprozess im US Kongress vorgeladen. Diese Prozesse dienen eindeutig nicht dazu, für Sicherheit an Universitäten zu sorgen, sondern die Meinungsfreiheit einzuschränken, um den nationalen Konsens für den Völkermord Israels nicht zu gefährden. Das gleiche ist nun mit der Columbia-Präsidentin Minouche Shafik passiert. Ein Republikanischer Abgeordneter bezog sich auf die Bibel und fragte, ob ihr klar wäre, dass Kritik an Israel eine Bestrafung Gottes zur Folge hätte, eine andere Abgeordnete verlangte mehrmals vehement die Verurteilung des Slogans “Long live Infintada” (sie meinte vermutlich “Intifada”) als antisemitisch.
Gaza Solidarity Encampment
Tatsächlich ist das Camp multireligiös, multiethnisch und vor allem friedlich. Neben gemeinsamen muslimischen Gebeten wird auch der jüdische Sabbat praktiziert. Viele prominente Redner:innen wurden an der Polizei vorbei in das Camp geführt, um ihre Solidarität mit den Protestierenden, aber vor allem mit den Menschen in Gaza, zu demonstrieren. Norman Finkelstein ging in seiner Rede auf das Verbot des Slogans “From the river to the sea, Palestine will be free” ein. Dieses Verbot wurde vor ein paar Tagen im US-Parlament beschlossen. Beinahe im gleichen Zug verabschiedete das Parlament in einem neuen Antrag milliardenschwere Waffenlieferungen an Israel und die Ukraine. Neben Finkelstein schlich sich auch der bekannte palästinensische Aktivist Mohammed Al-Kurd auf das Protestcamp und sagte unter anderem:
Wenn ich sehe, wie US-amerikanische Studierende, die ich für verwöhnte Ivy-League-Studierende halte, der Kälte trotzen und ihren Körper aufs Spiel setzen, hätte ich gesagt, dass das ein Witz ist, aber ihr seid alle erstaunlich und beeindruckend. Ihr habt keine Ahnung, welche Unterstützung ihr aus der ganzen Welt, vor allem aber aus Palästina, erhaltet. Das ist nicht nur symbolisch. Das ist nicht nur symbolisch, und es bedeutet sehr viel, nicht nur für uns hier, sondern für Menschen in der ganzen Welt. Ich hoffe wirklich, dass dieses Camp weitergeht, und ich hoffe, dass mehr und mehr eurer Freunde und Angehörigen kommen, um euch zu unterstützen, sich einzuschleichen, wie ich es getan habe. Tut alles, was nötig ist, um hier zu sein, und ich hoffe, dass diese erstaunliche Aktion mehr Menschen, mehr Studierende an anderen Universitäten dazu inspiriert, genau das Gleiche zu tun.
El-Kurds Aktivismus begann mit seinen eigenen Erfahrungen mit dem israelischen Apartheidsregime. In seiner Heimat, dem Stadtteil Sheikh Jarrah in Ostjerusalem werden seit Jahrzehnten palästinensische Bewohner:innen von ihren Häusern verdrängt und durch radikale Siedler:innen ersetzt. Auch El-Kurds Familie fiel dieser rassistischen Politik zum Opfer, und das prägte den Aktivismus seit seiner Kindheit. In Deutschland wurde er auch schon von einer Veranstaltung des Goethe-Instituts ausgeladen, weil seine Ansichten nicht konform mit der der absurden deutschen Staatsräson, also der Komplizenschaft des deutschen Imperialismus mit dem Genozid in Palästina, sind.
Für Aufmerksamkeit in den US-amerikanischen Medien hat die Festnahme von Isra Hirsi gesorgt. Sie ist die Tochter der Demokratischen Abgeordneten Ilhan Omar. Omar ist eine der progressiveren Abgeordneten im Parlament und ist, wie auch Rachida Tlaib und Alexandria Ocasio-Cortez, Teil des sogenannten Squads. Omar hat sich in den sozialen Medien mit ihrer Tochter und den Protesten solidarisiert, allerdings ist sie weiterhin Teil derselben Partei, die die mörderische Politik des israelischen Staats mit finanziert und ausrüstet, und hat trotz allem nicht mit Biden und der Demokratischen Partei gebrochen.
Zum Weiterlesen: Solidarität mit den Studierenden gegen Repression an der Columbia University! Erklärung von Waffen der Kritik