CIA wusste von Anschlagsplänen auf Nord-Stream-Pipeline: Bundesregierung und Bundestag auch?

07.06.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: mchlkrft / shutterstock.com

Alle Geheimakten in Zusammenhang mit den Nord-Stream-Anschlägen müssen sofort offengelegt werden.

Im September letzten Jahres kappte ein Sprengstoffanschlag die Nord-Stream-Gaspipelines zwischen Russland und Deutschland. Während die ukrainische Regierung von Beginn an darum bemüht war, Russland eine „False Flag“-Operation anzulasten, haben Ermittlungen und Recherchen in den vergangenen Monaten die Spur eher direkt in die Ukraine geführt.

Wie die Washington Post in einer Analyse der sogenannten „Discord Leaks“ – einer Sammlung von Geheimdienstinformationen, die Jack Teixeira, ein junges Mitglied der Massachusetts Air National Guard, auf Discord geteilt hatte – gestern offenlegte, wussten europäische und US-amerikanische Geheimdienste jedoch schon Monate vorher von den geplanten Anschlägen. Und noch brisanter: „Deutsche Geheimdienstler setzten Parlamentarier in Berlin Ende Juni [2022] in Kenntnis, bevor sie in die Sommerpause gingen, so ein Beamter mit Wissen über die nicht-öffentliche Präsentation.“ Auch wenn die Post keine Details nennt, ist offenbar das Parlamentarische Kontrollgremium gemeint, in dem Vertreter:innen jeder im Bundestag vertretenen Fraktion mit Ausnahme der AfD sitzen.

Schon Ende letzten Jahres hatte es Spekulationen darüber gegeben, dass die Behörden schon Monate vor dem Anschlag auf die Pipeline, der die Eskalation im Ukrainekrieg weiter anheizte, von den Plänen gewusst hatten. Auf eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion im Bundestag antwortete die Bundesregierung bereits am 7. Oktober 2022 jedoch mit Ausflüchten: „Die Bundesregierung geht von einer gezielten Sabotage der Pipelines Nord Stream 1 und 2 aus. Darüberhinausgehend liegen der Bundesregierung keine konkretisierenden Erkenntnisse zu dem Sachverhalt, insbesondere zu der möglichen Urheberschaft, vor.“

Seitdem äußerten sich Mitglieder der Bundesregierung stets nur in dem Sinne, dass man die Ermittlungen abwarten müsse und keine Ergebnisse kommentieren werde. Ermittlungen wie die des Generalbundesanwalts, die auf Angehörige des ukrainischen Militärs hinweisen. Wie die Recherche der Post nun zu bestätigen scheint, wussten sowohl CIA als auch deutsche und andere europäische Geheimdienste von den Anschlagsplänen und der wahrscheinlichen ukrainischen Urheberschaft.

Der reaktionäre Krieg in der Ukraine, bei dem sich beide Seiten unzähliger Menschenrechtsverletzungen beschuldigen und der auf dem Rücken der ukrainischen und der russischen Arbeiter:innenklasse ausgetragen wird, ist voll von Desinformationskampagnen beider Seiten. Den „Nebel des Krieges“ zu lüften und herauszufinden, was tatsächlich passiert ist, ist angesichts dessen eine fast unmögliche Aufgabe. Klar ist jedoch, dass die USA von Anfang an gegen das Projekt der Nord-Stream-Pipelines waren und die durch den Krieg forcierte Abkopplung Deutschlands von billiger russischer Energie den Interessen des US-Imperialismus entgegenkommt. Insofern erscheint wahrscheinlich, dass die CIA – wenn sie schon nicht selbst den Anschlag durchführte – zumindest ein Interesse am Gelingen des Unterfangens hatte, möglicherweise die Attentäter:innen sogar unterstützte. Der umstrittene Investigativ-Journalist Seymour Hersh, der einst an der Aufdeckung des Watergate-Skandals beteiligt war, hält in jedem Fall die US-Regierung für verantwortlich.

Brisant an den „Discord Leaks“ ist jedoch auch die Frage nach dem Wissen der Bundesregierung und des Parlaments. Wenn deutsche Geheimdienste von der CIA unterrichtet worden sind und diese wiederum dem Parlamentarischen Kontrolllgremium davon berichteten, ist kaum denkbar, dass niemand in der Bundesregierung davon wusste. Ebenso wirft die Affäre ein Schlaglicht auf dieses undemokratische Gremium, welches angeblich die Geheimdienste kontrollieren soll, jedoch keinerlei Informationen an die Öffentlichkeit geben und somit keinerlei effektive Kontrolle leisten kann. Anstatt Geheimdienstinformationen durch parlamentarische Feigenblatt-Gremien zu legitimieren, ist es notwendig, dass sofort alle Informationen und Geheimakten offengelegt werden.

Nur so lässt sich überprüfen, ob an den Aussagen, die die Post beschreibt, etwas dran ist, um wichtige Fragen zu beantworten: Warum ließen die Geheimdienste den Anschlag trotzdem geschehen? Warum schweigt die Bundesregierung über Erkenntnisse zu möglichen Verantwortlichen? Und wussten tatsächlich fast alle Bundestagsparteien von einem geplanten kriegerischen Akt des Ukraine/NATO-Blocks auf zivile Infrastruktur, welcher zur Explosion der Öl- und Gaspreise beitrug, die die großen Mehrheiten verkraften mussten?

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