ChatGPT kann deine Hausarbeit schreiben – und künftig dem US-Militär dienen

03.01.2025, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Ju Jae-young / Shutterstock.com

Zivile Technologien dienen immer häufiger militärischen Zwecken. OpenAI arbeitet von nun an mit dem US-Militär zusammen.

Nachdem OpenAI, die Firma hinter dem berühmten Chatbot ChatGPT, Anfang 2024 Lockerungen der eigenen Richtlinien vornahm, gab sie nun den Einstieg in die militärische Anwendung bekannt. In „strategischer Partnerschaft“ mit dem US-Unternehmen Anduril, gegründet von Donald-Trump-Unterstützer Palmer Luckey und spezialisiert auf autonome Waffensysteme, wolle man die KI-Modelle wie GPT 4o und OpenAI o1 für „nationale Sicherheitsmissionen“ einsetzen, etwa um „das Militär der USA und ihrer Verbündeten vor Angriffen durch unbemannte Drohnen und andere Fluggeräte [zu] schützen“. In anderen Worten: Die durch zivile Nutzungsdaten trainierten Modelle von ChatGPT sollen nun militärischen Zwecken dienen. 

Anduril stellt die Partnerschaft auch in den Kontext der Großmachtrivalität zwischen den USA und China. Laut OpenAI ist die Kooperation ausschließlich defensiver Natur. Militärexpert:innen warnen indes schon seit Dekaden, dass die konzeptionelle Gegenüberstellung von offensiver und defensiver Militärtechnologie nicht haltbar sei. So sagt die KI-Wissenschaftlerin Heidy Khlaaf gegenüber nd-aktuell: „Verteidigungswaffen sind in der Tat immer noch Waffen.“

Die Pipeline von ziviler Technologie zur militärischen Anwendung wird immer weiter ausgebaut, argumentiert etwa der Google-Whistleblower Jack Poulson. Google startete als Suchmaschine im jungen Internet, jetzt ist es Militärdienstleister. Amazon war einst ein Online-Versandhandel, jetzt ist es Militärdienstleister. Microsoft ist bekannt für seine Betriebssysteme und alltäglichen Computeranwendungen, jetzt ist es – genau wie IBM und Oracle – Militärdienstleister. Diese fünf Tech-Giganten stellen den Großteil der sogenannten Cloud-Services für Militär und Sicherheitsbehörden zur Verfügung.

Ihnen wurde 2020 ein milliardenschwerer Commercial Cloud Enterprise (C2E)-Auftrag von der US-amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) erteilt. Damit ist das Fünfergespann die Nachfolge der 2013 allein mit den Amazon Web Services vereinbarten Commercial Cloud Services (C2S) angetreten. Der damalige Vertrag war noch mit einem Umfang von 600 Millionen Dollar bewertet. 2022, nachdem interne Proteste von Google-Beschäftigten der Ermüdung erlagen, wurde Amazon, Google, Microsoft und Oracle (dieses Mal ohne IBM) außerdem der sogenannte Joint Warfighting Cloud Capability (JWCC)-Auftrag vom Pentagon zugeteilt.

Die Firmen bieten Infrastrukturen für die auf immer mehr Daten basierende Kriegsführung der Großmächte. Christoph Marischka schreibt darüber im nd-aktuell

Die Cloud-Infrastruktur ist ganz überwiegend in privater Hand. Amazon Web Services (AWS) allein verfügt über ein Drittel des gesamten Marktes für Cloud-Dienstleistungen, gefolgt von Microsoft Azure mit 20 Prozent und Google Cloud mit 10 Prozent Marktanteil. Alle drei Unternehmen haben sich in den letzten Jahren auch als zentrale Dienstleister westlicher Militärs und Sicherheitsbehörden etabliert. Sie bieten nicht nur Rechen- und Speicherkapazität an, sondern auch KI-basierte Anwendungen, mit denen Daten verarbeitet, verknüpft und durchsucht werden können.

Bereits 2014 hat der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt in seinem Buch argumentiert: „Was Lockheed Martin im zwanzigsten Jahrhundert war, werden Technologie- und Cybersecurity-Unternehmen im einundzwanzigsten Jahrhundert sein.“

In der Kategorie der militärischen KI-Anwendungen will sich nun auch OpenAI festsetzen, dessen ChatGPT ein riesiger Datensammelkrake ist. 2015 als Non-Profit mit der idealistischen Vision angetreten, friedliche und menschenfreundliche KI zu entwickeln, wandelte sich OpenAI 2019 auf Druck der enormen Kosten in ein profitorientiertes Unternehmen um. Nur wenige Jahre später lockert die Firma nun ihre ethischen Standards weiter auf und betritt das Feld der nationalen „Verteidigung“.

Am Beispiel von OpenAI, Google und Co. wird deutlich, dass der Druck der Gewinnmaximierung nicht vor Menschenleben halt macht. Selbst idealistische Unternehmer:innen müssen sich letztlich den Friss-oder-stirb Zwängen der Märkte beugen. Durch das vom israelischen Militär herausgegebene 1,2 Milliarden-Dollar „Projekt Nimbus“ stellen Amazon und Google zum Beispiel die Cloud-Infrastruktur für den Genozid in Gaza zur Verfügung. Auch OpenAI ist jetzt Militärdienstleister.

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