CFM-Streik: Was bedeutet das Angebot?

08.12.2011, Lesezeit 7 Min.
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Der Arbeitskampf der Beschäftigten der Charité-Facility-Management Gmbh hält seit nunmehr drei Monaten an. In dieser Zeit haben die streikenden ArbeiterInnen so manches Zeichen gesetzt. Darunter vor allem, dass auch im Niedriglohnsektor bedeutende Streiks geführt werden können. Der Arbeitskampf an der CFM hat auf die Beschäftigten des Berliner Ensembles, die PsychotherapeutInnen des Vivantes-Klinikums und viele andere starken Eindruck gemacht. Sogar von streikenden ArbeiterInnen und Studierenden der brasilianischen Universität im fernen Sao Paolo ging eine Solidaritätsbotschaft ein. Die dort demonstrierte Verbindung von Kämpfen der Lohnabhängigen und Studierenden wurde hier vor Ort u.a. durch die Teilnahme der CFMlerInnen an der Berliner Bildungsstreik-Demonstration und der Studierenden an CFM-Solidaritätsdemonstrationen in ersten Zügen umgesetzt. Auch die vielfachen Aktionen gegen Dussmann und einige Demonstrationen als Möglichkeiten der Politisierung eines Arbeitskampfes waren bedeutende Schritte.

Jetzt steht der Streik vor dem Scheideweg. Nach 12 Wochen Streik unterbreitete die CFM-Geschäftsführung am Wochenende ein erstes Angebot an die Beschäftigten. Dieses “Eckpunktepapier” beinhaltet im Wesentlichen die Erhöhung der Mindeststundenlöhne auf 8,50 Euro brutto, eine Einmalzahlung von 300 Euro, von der viele Beschäftigte ausgeschlossen sind, und eine Zusage zu Gesprächen über einen Tarifvertrag im nächsten Jahr. Gleichzeitig ist dieses Angebot mit dem Ultimatum verbunden, den Streik am Freitag, den 9. Dezember, auszusetzen.

Am 6. Dezember diskutierten Beschäftigte in einer großen Streikversammlung über das Angebot. Bei der Frage, wie viele KollegInnen tatsächlich von dem Angebot profitieren würden, meldete sich etwa die Hälfte der Streikenden. Ganze Sektoren wie die Reinigungskräfte sind explizit vom Angebot ausgeschlossen, und dementsprechend haben die ReinigerInnen ihren Unmut über das Angebot mehrfach mit Redebeiträgen kundgetan. Die Frage stand klar im Raum, wofür diese Sektoren drei Monate gestreikt und auf einen nicht unerheblichen Teil ihres Einkommens verzichtet haben, wenn sie nun vom Angebot nicht profitieren.

Diese Situation zeigt den wahren Charakter des Angebots der Geschäftsführung. Sie wollen spalten, indem sie Teile der Belegschaft gegeneinander ausspielen. Insofern ist der Aufruf zur Solidarität unter den Beschäftigten richtig und wichtig. Gleichzeitig ist der Unmut der Reinigungskräfte mehr als berechtigt und stellt die Frage, ob dieses Minimalangebot der Dauer des Streiks auch nur annähernd angemessen ist, insbesondere angesichts der eigentlichen Hauptforderungen des Streiks, nämlich einer Lohnerhöhung und einem einheitlichen Tarifvertrag für alle Beschäftigten. Deshalb grenzt es an Dreistigkeit, die Bedenken gegenüber dem Angebot damit wegzuwischen, dass wir uns nicht spalten lassen dürfen (und so indirekt noch den ReinigerInnen selbst die Schuld geben, anstatt das Angebot rundherum abzulehnen).

Des Weiteren existieren viele Unsicherheiten bezüglich des Versprechens der Geschäftsleitung, Tarifvertragsverhandlungen zu beginnen. Der Streik an der Charité und an der CFM im Mai wurde ja schon aufgrund von „Gesprächsangeboten“ abgebrochen, welche Ende August aufgrund eines indiskutablen Angebots der Geschäftsführung scheiterten. Daraus wuchs die Entscheidung, sich auf solche Gespräche nicht zu verlassen. Zu Beginn des jetzigen Streiks im September sagte ver.di-Hauptamtliche Sylvie Krisch, dass der Streik auch während Verhandlungen weitergeführt werde. Dass dies nicht mehr gilt, und dass man sich (wieder) auf ein Ultimatum einließ, indem schon vor der wichtigen Streikversammlung eine Urabstimmung zu dem Angebot eingeleitet wurde, spricht Bände. Dementsprechend gab es während der Streikversammlung am Dienstag mehrere detaillierte Nachfragen, wie ohne einen Streik weiter Druck aufrechterhalten werden könne, damit man sich nicht von der Geschäftsführung über den Tisch ziehen lässt, und wie die Verhandlungen dann konkret aussehen sollen. Zumindest sah sich die Streikleitung zu der eindeutigen Aussage gezwungen, dass bei einem schleppenden Verhandlungsgang der Streik wieder aufgenommen wird.

Trotzdem wurde in der Streikversammlung auffällig wenig darüber geredet, dass die zentrale Forderung des Streiks noch nicht einmal ansatzweise erfüllt ist – abgesehen von einem Redebeitrag von RIO, in dem die Frage aufgeworfen wurde, und einiger kurzer Bezugnahmen darauf in späteren Redebeiträgen. Auch die SAV, die wichtigste politische Gruppe in dem Streik, die unter anderem das Solidaritätskomitee für den CFM-Streik führt und auch in der Streikleitung vertreten ist, erwähnte den Tarifvertrag mit keinem einzigen Wort. Die Verlautbarungen von Streikleitung und Solikomitee gehen vielmehr schon längst davon aus, dass das Angebot angenommen wird. Immerhin bezeichnete die SAV das Angebot als einen „Zwischenschritt“ und kein schon erreichtes tatsächliches Ziel, und kündigte weitere Auseinandersetzungen 2012 an.

Klar ist, dass sich im Verlauf eines Streiks die Kräfteverhältnisse verschieben können, und wenn die KollegInnen keine Kraft mehr haben, den sehr anstrengenden Streik weiter fortzuführen, dann ist ein gemeinsamer, geordneter Rückzug allemal besser als ein Kamikaze-Streik, dessen Dynamik immer schwächer wird und in einer großen Niederlage endet – wobei das eine gemeinsame Diskussion und Entscheidung aller Streikenden sein müsste und keine geheime Abstimmung, bei der auch diejenigen abstimmen können, die überhaupt nicht gestreikt haben. Von Anfang an stellte sich die Streikleitung gegen regelmäßige Streikversammlungen, auf denen über den Verlauf des Streiks diskutiert und abgestimmt werden könnte – genauso wollen sie den Streik beenden, mit Versammlungen, die nur nachträglich und unverbindlich über bereits getroffene Entscheidungen beraten können.

Die zentrale Frage, die sich stellt, wird weder von der Gewerkschaftsbürokratie noch der SAV ausreichend beantwortet. Der Streik soll jetzt für beendet erklärt werden, weil die Dynamik nachgelassen hat. Während das sicherlich stimmt und viele KollegInnen keine Energie mehr haben, den Streik weiterzuführen (selbst viele derjenigen, die das Angebot nicht gut finden), ist doch die Frage wichtig, warum die Dynamik nachgelassen hat und warum ein Streik, bei dem von vornherein klar war, dass er nur durch politischen Druck gewonnen werden kann, diesen Druck anscheinend nicht aufbauen konnte. Ist tatsächlich nur die Landes- und Bundesebene von ver.di Schuld, dass keine umfassende Solidaritätskampagne gestartet wurde, wie die SAV meint, oder gab es auch Widerstände in den Reihen der Streikleitung vor Ort gegen effektivere, demokratischere Formen des Arbeitskampfs? Darüber muss diskutiert werden.

In jedem Fall ist klar, dass das Angebot der Geschäftsführung völlig unzureichend ist und kämpferische KollegInnen das Angebot prinzipiell ablehnen wollen. Gleichzeitig zeigen uns die Kräfteverhältnisse, dass der Streik in seiner jetzigen Dynamik nicht zu gewinnen ist. Aber ohne eine ausführliche Analyse des Verlaufs dieses Streiks ist eine unkritische Annahme des Angebots der Geschäftsführung, auch als „Zwischenschritt“, jedenfalls inakzeptabel. Werden denn die Beschäftigten tatsächlich im neuen Jahr wieder in den Streik treten, wenn die Verhandlungen schleppend laufen? Was ist mit denjenigen, die durch diesen Streik überhaupt nichts gewonnen haben? Der „Zwischenschritt“ ist zumindest nicht ungefährlich, da er die Spaltung der Beschäftigten teilweise in Kauf nimmt.

Zuletzt erscheint es uns notwendig, dass die Beschäftigten durch diese Teilniederlage nicht entmutigt werden, und rufen deshalb für Freitag, den 9. Dezember, um 8:30 Uhr am S-Bahnhof Friedrichstraße zur mittlerweile dritten Solidaritätsdelegation auf, die den Streikenden nochmals unsere Unterstützung für ihren Kampf zeigt.

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