Bundestagswahl: Union gewinnt, AfD zweitstärkste Kraft  – doch in der Jugend Polarisierung nach links

23.02.2025, Lesezeit 5 Min.
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Foto: Ryan Nash Photography / Shutterstock.com

Merz und Weidel feiern, Ampel abgestraft. Doch in der Jugend gibt es auch eine bedeutende Polarisierung nach links.

28,5 Prozent: Am Ende sind es für die CDU/CSU von Friedrich Merz weniger Stimmen als erwartet, das zweitschlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Und dennoch ist die Union mit Abstand Wahlsiegerin der vorgezogenen Neuwahl zum 21. Bundestag, zu der etwa 59,2 Millionen Menschen aufgerufen waren. Mit knapp 84 Prozent liegt die Wahlbeteiligung auf dem höchsten Niveau seit 1990, während zugleich fast zwölf Millionen Erwachsene aufgrund des undemokratischen Wahlrechts nicht wählen durften. 

Die AfD verdoppelt im Vergleich zur letzten Bundestagswahl ihr Ergebnis und zieht mit 20,6 Prozent als zweitstärkste Kraft ins Parlament ein. Im Ergebnis ein klarer Rechtsruck, wie er sich schon vor der Wahl angekündigt hatte: fast 50 Prozent für die erzkonservative Merz-Union und die extrem rechte Partei von Weidel und Höcke. 

Die im November letzten Jahres zerbrochene Ampelkoalition wurde hingegen von den Wähler:innen hart abgestraft: 9 Prozentpunkte weniger für die SPD, 3 weniger für die Grünen, 7 weniger für die FDP, insgesamt fast 20 Prozent Verlust im Vergleich zur letzten Bundestagswahl. Die FDP fliegt sogar aus dem Bundestag. Der bisherige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat denn auch angekündigt, dass er bei der nächsten Regierung für kein Amt zur Verfügung steht, FDP-Chef Lindner hat bereits seinen vollständigen Rückzug aus der Politik bekannt gemacht.

Auch wenn die Union bisher eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hat, wird die kommende Regierung die Ampel im sozialen Kahlschlag und Rassismus übertreffen. Angriffe auf demokratische Rechte und Kürzungen, die die Ärmsten treffen, werden notwendig sein, um die geplante Aufrüstung aller nun möglichen Koalitionen zu finanzieren und nach innen zu verteidigen. 

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels war noch unklar, ob das Bündnis Sahra Wagenknecht knapp an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert oder doch noch den Weg in den Bundestag schafft. Davon könnten mögliche Koalitionsoptionen abhängen, da der Eintritt von BSW zu veränderten Sitzanteilen im künftigen Parlament führen würde. Bleibt BSW draußen, wäre eine schwarz-rote Koalition möglich, gelingt BSW der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde, ist die einzige realistische Mehrheit eine schwarz-rot-grüne Koalition. 

Doch keine Koalition wird die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit erlangen, um die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz zu streichen, um noch massivere Aufrüstung zu finanzieren. Somit wird sie für solche Abstimmungen auf Stimmen der anderen Parlamentsparteien angewiesen sein. Szenarien größerer Instabilität kündigen sich an.

Deutliche Polarisierung nach links in der Jugend

Die Partei Die Linke war noch vor zwei Monaten totgesagt worden. Seitdem hat sie eine beachtliche Aufholjagd hingelegt und bundesweit 8,7 Prozent erlangt. In Berlin holt die Partei sogar vier Direktmandate, darunter neben Gregor Gysi auch Ferat Koçak und Pascal Meiser.

Gerade unter den 18- bis 24-Jährigen ist die Partei Die Linke laut infratest dimap mit 25 Prozent die stärkste Kraft. Es folgt mit 20 Prozent die AfD. Das bestätigt, dass der neuerliche Aufschwung für Die Linke insbesondere ein Jugendphänomen ist. 

Zwar dankte Friedrich Merz in seiner ersten Ansprache fast überschwänglich der Jungen Union. Doch unter den Jungen hat die Union kaum Anhänger:innen. Sie kommt in dieser Altersgruppe auf magere 13 Prozent, nur ein Prozent vor SPD und Grünen. Letztere haben ihr Ergebnis im Vergleich zu 2021 halbiert. Auch die FDP hatte 2021 unter den Jungen stark performt. Nun gaben ihr nur sechs Prozent der Wähler:innen zwischen 18 und 24 Jahren ihre Stimme.

“200 mussten gehen, damit 20.000 wieder dazu kommen konnten“, sagte Jan van Aken aus dem ARD-Hauptstadtstudio zu den Wahlgewinnen der Partei Die Linke. Man habe nach der Abspaltung von Sahra Wagenknecht wieder klar erkennbare Positionen und bemühe sich als einzige Partei um die „wirklich wichtigen Themen“. Zur Wahrheit gehört aber auch: Klare Antworten auf den Überbietungswettbewerb der anderen Parteien in Sachen Abschiebepolitik konnte der Wahlkampf der Linken nicht liefern. Eine klare Opposition zum Genozid in Gaza war von der Partei ebenfalls nicht zu hören. Auch mit neuer Stärke wird sie sich im Bundestag daran messen lassen müssen.

Die Polarisierung ist unter den jungen Wähler:innen also ebenso gegeben wie in der Gesamtbevölkerung. Der Ausschlag nach links ist dort jedoch deutlich stärker. Eine Bewegung gegen die sozialen Angriffe der kommenden Regierung wird sich auf diesen Sektor stützen und ihre Kraft aus der Selbstorganisierung an Schulen und Universitäten schöpfen müssen. In jedem Fall liegt hier ein Potenzial, den zu erwartenden Angriffen der kommenden Regierung eine starke Opposition auf der Straße entgegenzusetzen.

Die unabhängigen sozialistischen Direktkandidaturen von Inés Heider und Leonie Lieb (beide Mitglieder der Revolutionären Internationalistischen Organisation) und Franziska Thomas (Revolutionär Sozialistische Organisation) konnten insgesamt beachtliche 2.179 Stimmen einfahren. Inés wählten in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost 713 Personen, in einem Wahlkampf, der von einer starken Polarisierung zwischen dem Linkspartei-Kandidaten Pascal Meiser und der Grünen-Kandidatin Katrin Schmidberger gekennzeichnet war. In Berlin-Tempelhof-Schöneberg gaben 818 Personen Franziska ihre Stimme. In München West/Mitte stimmten 648 Menschen für Leonie. Mit diesen Zahlen fuhren unsere Kandidatinnen in Berlin und München die stärksten Ergebnisse links der Linkspartei ein. Vielen Dank an alle, die für uns gestimmt haben! Unser Kampf gegen den Rechtsruck endet nicht heute, sondern wird jetzt noch wichtiger.

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