Bundestag fordert Schulterschluss von Hochschulen und Polizei gegen Israelkritik
Ein neuer Antrag im Bundestag stimmt Schulen und Hochschulen zur Offensive gegen "Antisemitismus und Israelfeindlichkeit" ein. Kritik kommt von Professor:innen.
Der Bundestag ist im Resolutionsfieber: Erst vor wenigen Tagen hat er mit den Stimmen der AfD und unter Enthaltung der Linkspartei eine umstrittene Antisemitismus-Resolution verabschiedet. Jetzt steht bereits der nächste Antrag in den Startlöchern. Das von FragDenStaat veröffentlichte Dokument mit dem Titel „Antisemitismus und Israelfeindlichkeit an Schulen und Hochschulen entschlossen entgegentreten sowie den freien Diskursraum sichern“ basiert auf der Initiative von SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Das Ziel ist eine weitere Festigung der einseitigen Israelsolidarität im deutschen Bildungssystem.
Der Antrag beginnt mit der Feststellung, dass vor allem jüdische und israelische Schüler:innen, Studierende und Lehrkräfte „persönlichen und zunehmend auch gewaltsamen Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt“ seien. Das sei auf die systematische Aktivität von Islamismus-Sympathisant:innen und linksextremistischen wie rechtsextremistischen Akteur:innen an Schulen und Unis zurückzuführen. Das Hirngespinst dieser vermeintlichen Hufeisen-Querfront sei durch eine Studie der Uni Konstanz untermauert, die zeige, dass etwa 12 Prozent der in Deutschland lebenden Studierenden den Angriff der Hamas als legitim betrachten. Tatsächlich belegt aber eine Studie der Uni Mannheim, dass linke Studierende die am wenigsten antisemitisch eingestellte Gruppe der deutschen Bevölkerung sind. Die im Antrag suggerierte Bedrohung beruht hingegen auf einer falschen Gleichsetzung von Antisemitismus mit Palästinasolidarität und Israelkritik.
Kritik gibt es von zahlreichen Professor:innen der Allianz für Kritische und Solidarische Wissenschaft, darunter Antisemitismusforscher Uffa Jensen, Rassismusforscherin Manuela Bojadžijev und Philosoph Robin Celikates. In einer Stellungnahme, die Klasse Gegen Klasse vorliegt, beanstanden sie die „isolierte Behandlung des Antisemitismus“ unter Ausschluss von Rassismus und die „Verengung des Wissens zum Nahostkonflikt auf die Geschichte Israels“. In der Tat fällt das Wort Israel in dem Antrag ganze 25 Mal. Palästinenser:innen finden indes nur ein einziges Mal und im Bezug auf die Hamas Erwähnung. Außerdem kritisieren die Unterstützer:innen der Stellungnahme die ausschließliche Berufung auf die von der Wissenschaft umstrittene IHRA-Arbeitsdefinition für Antisemitismus und „drohende Eingriffe in den wissenschaftlichen Begutachtungsprozess“.
Um „konsequent“ gegen antisemitisches und israelfeindliches Verhalten vorzugehen, rät der Antrag, dass Schulen und Unis „vollständig ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“ sollen. Dazu gehöre die „konsequente Anwendung des Hausrechts, der temporäre Ausschluss vom Unterricht oder Studium bis hin zur ggf. Exmatrikulation“. Das Dokument legt somit die Anwendung des Ordnungsrechts an Unis nahe. Anfang dieses Jahres hat der Berliner Senat dafür die Möglichkeit der politischen Exmatrikulation wieder eingeführt, das Land Bayern zog prompt nach.
Laut Antrag soll außerdem der „Austausch zwischen Hochschulen und Sicherheitsbehörden (…) in Intensität und Regelmäßigkeit“ ausgebaut werden. Dabei ist ein großer Schritt zu mehr Polizei an den Bildungseinrichtungen bereits getan. Im Verlauf zahlreicher friedlicher Hörsaalbesetzungen gegen den Genozid in Gaza kam es zu Polizeigewalt und Verletzungen auf Geheiß der Unipräsidien. Schon im Mai prangerten mehr als Tausend Hochschulbeschäftigte den wachsenden Autoritarismus an den Unis in einem offenen Brief an. Infolge des Protests findet aktuell eine beispiellose gerichtliche Repressionskampagne der Unis gegen ihre eigenen Studierenden statt.
Der Druck gerade auf migrantische und palästinasolidarische Studierende und Schüler:innen wird sich mit dem Antrag noch erhöhen. Doch auch antizionistische jüdische Menschen sind betroffen. Der Verein „Jüdische Stimme“ und die Kampagne „Hands Off Students Rights“ kommentieren in einem Post, dass der Vorstoß „nichts mit jüdischem Leben oder Sicherheit“ zu tun habe. Stattdessen gehe es um die „Verfolgung von pro-palästinensischen Studierenden“ und die „nationale Identität Deutschlands“. Tatsächlich findet der aktuelle Resolutionshagel inmitten einer Regierungskrise der Bundesregierung statt, die nun auch die Deutungshoheit über die mit deutschen Waffen durchgeführten genozidalen Bestrebungen Israels zu verlieren droht. Der Antrag manifestiert sich als ideologische Offensive für Israel, die zur Not auch mit Staatsgewalt durchgesetzt werden soll.