Bürokratie sucht Schulterschluss mit Lufthansa

11.12.2015, Lesezeit 4 Min.
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Am 2. Dezember fand ein „Jobgipfel“ zwischen der Geschäftsleitung von Lufthansa und den drei Gewerkschaften statt. Dort besiegelten die Bürokrat*innen mit der Unternehmensspitze das Ende des leidigen Kapitels Arbeitskampf.

Mehrere Jahre Tarifkonflikt, 13 Pilot*innenstreiks und der größte Streik der Lufthansa-Geschichte lagen hinter den Verhandlungsparteien. Die Lufthansa-Bosse trafen sich Anfang Dezember mit den Spitzen der Gewerkschaft ver.di (Bodenpersonal), Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) und der Vereinigung Cockpit (Pilot*innen).

Schon vor dem Treffen hatte Vorstandschef Carsten Spohr den Ton vorgegeben: Die Lufthansa würde gerne 25 Flugzeuge mehr benutzen und 5.000 neue Stellen schaffen. Dies sei aber durch die hohen Löhne leider nicht möglich. Es ist offensichtlich, dass in seiner kapitalistischen Logik die Gewinne in seine Taschen und die der Aktionär*innen gehen sollen, anstatt den Arbeiter*innen und der Bevölkerung zur Verfügung gestellt zu werden.

Die Personalchefin der größten Fluggesellschaft Europas konnte deshalb auch mit Freuden verkünden: „Der heutige Jobgipfel ist im Verlaufe des Tages zu einem Vertrauensgipfel geworden.“ Auch wenn keine konkreten Ergebnisse an die Öffentlichkeit gelangten, machen mehrere Ereignisse der letzten Wochen eines deutlich: Lufthansa-Spitze und Gewerkschaftsbürokratie konnten sich auf ein Ende der Streiks einigen.

Der Tarifkonflikt entstand aus der Notwendigkeit von Lufthansa, die Arbeitsbedingungen anzugreifen, um im internationalen Konkurrenzkampf mithalten zu können. Dabei sollten einerseits für die Stammbelegschaft die Löhne gekürzt und das Renten- und Übergangsversorgungssystem verändert werden. Andererseits sollten mit der Gründung der neuen Billig-Airline Eurowings eine Gruppe schlechter gestellter Arbeiter*innen geschaffen werden.

Von diesem neoliberalen Plan wich das Unternehmen zu keinem Zeitpunkt der Tarifauseinandersetzung ab. Dafür nahm sie sowohl die über mehr als ein Jahr gehenden Streiks der Pilot*innen als auch den Rekordstreik der Flugbegleiter*innen in Kauf. Bei beiden versuchte die Geschäftsleitung, die Streiks mit Hilfe der bürgerlichen Justiz für „illegal“ zu erklären. So gelang es ihr im September, die Streiks der in der Vereinigung Cockpit (VC) organisierten Pilot*innen nach 13 Streiktagen zu verbieten.

Die UFO befand sich parallel dazu schon im Sommer in Schlichtungsgesprächen mit Lufthansa. Doch das Unternehmen erkannte in ihrer Unnachgiebigkeit das Ergebnis nicht an. Daraufhin organisierten die Flugbegleiter*innen der UFO vom 6. bis zum 13. November ihre erste Arbeitsniederlegung und sorgten für den größten Streik in der Lufthansa-Geschichte. 4.700 Flüge fielen aus und 550.000 Passagiere waren betroffen. Die Passagierzahlen von Lufthansa und Germanwings lagen in Folge des Streiks ganze 12 Prozent unter denen des Vorjahres. Erneut wollte das Unternehmen die Streiks verbieten, doch sie scheiterten.

Nach der Ankündigung weiterer Streiks machte Lufthansa in einem Gespräch ein neues Angebot. Daraufhin sagte die UFO die Streiks ab und verpflichtete sich dazu, bis zum „Jobgipfel“ nicht zu streiken. Kurz danach wurde in den Medien verkündet, dass Matthias Platzeck (SPD) am 19. Januar 2016 die Schlichtung des Tarifkonfliktes übernehmen wird. Bis dahin sollten auf Grundlage des Ergebnisses der ersten Schlichtung weitere Gespräche stattfinden. Platzeck hatte gemeinsam mit Bodo Ramelow (Die Linke) ein Ende im Arbeitskampf der Lokführer*innen der GDL ausgehandelt, das sich an den kurz zuvor beschlossenen Tarifvertrag zwischen der Deutschen Bahn und der EVG anlehnte.

Auch im Falle der Lufthansa existiert eine solche „Vergleichsmarke“ schon. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die für die 33.000 Mitglieder des Bodenpersonals zuständig ist, hat als einzige Gewerkschaft schon Ende November einen Tarifvertrag ausgehandelt. Dieser sieht eine Lohnerhöhung von 2,2 Prozent Anfang 2016 und 2017 und eine Einmalzahlung in Höhe von 2250 Euro vor. Die Betriebsrenten werden zwar nicht gekürzt, jedoch müssen alle neuen Arbeiter*innen einen Eigenbetrag von einem Prozent für die Betriebsrente einzahlen. Die Laufzeit von 33 Monaten bindet das Bodenpersonal für fast drei Jahre an dieses magere Ergebnis. Und kein Wort zu Eurowings. Damit hat die Ver.di-Bürokratie den kämpferischen Kolleg*innen des Flugpersonals einen Bärendienst geleistet – keine gemeinsamen Streiks und dann auch noch ein verräterischer Abschluss, der weit hinter den Forderungen zurückbleibt.

Streikverbot durch die bürgerliche Justiz, Schlichtung durch bürgerliche Politiker*innen und unzureichendes Verhandlungsergebnis: drei taktische Ausdrücke einer selben Strategie der Unternehmensleitung, ihre neoliberalen Pläne gegen die Arbeiter*innen zu erzwingen und den Tarifkonflikt zu beenden. Durch den Job-, nein, „Vertrauens“gipfel vor wenigen Tagen gaben die Gewerkschaftsbosse dieser kapitalistischen Unnachgiebigkeit ihren Segen und besiegelten damit einen der letzten dynamischen und kämpferischen Streikprozesse dieses Jahres.

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