BSW : Keine Alternative im Kampf gegen Rechts

08.06.2024, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Gorloff-KV7shutterstock.com

Das Bündnis Sahra Wagenknecht stellt sich vor der Europawahl als Partei für Demokratie, Soziale Gerechtigkeit und Frieden dar. Kann das Bündnis eine Alternative gegen Rechtsruck, Sozialabbau und Militarisierung sein?

Im vergangenen Oktober trat Sarah Wagenknecht zusammen mit ihren Parteifreund:innen und Unterstützer:innen aus der Linkspartei aus und gründete das Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit (BSW). Das Bündnis kündigte direkt an, als Partei bei der Europawahl antreten zu wollen. Im Zuge des Versagens der Linkspartei und dem rechten Kurs der Ampel  inszeniert sich das BSW als eine Wahlalternative für Linke und Arbeiter:innen. In ihrem Wahlprogramm für die Europawahl zählen sie sieben Punkte auf, die ihnen besonders wichtig erscheinen:

„Diplomatische Außen- und Sicherheitspolitik”, ein „Unabhängiges Europa“, „wirtschaftliche Vernunft”, „Soziale Gerechtigkeit”, „Innovative Klimapolitik”, „Kontrollierte Migration” und „Freiheit und Demokratie”.

Alleine wenn man sich diese Punkte schon durchliest, klingen diese nicht gerade nach neuen, progressiven oder gar sozialistischen Forderungen, sondern könnten auch so oder in anderer Form im Programm der Grünen, der SPD oder im Hinblick auf Freiheit und Demokratie sogar bei CDU und FDP stehen. In der EU als imperialistisches Projekt sieht das BSW kein Problem. Lediglich darin, dass die EU sich mehr diplomatisch und konfliktvermeidend zeigen soll. Sie soll sich vor allem unabhängig von anderen Großmächten wie den USA machen. 

Aufgewärmter Ordoliberalismus nach Ludwig Erhard

Das BSW positioniert sich zwar auch für einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen in der Ukraine und in Gaza. Der Grund dafür ist allerdings nicht die Ablehnung der NATO oder Kritik am westlichen Imperialismus, sondern lediglich die nationale Souveränität des deutschen Kapitals zu wahren.

Fortschrittlich in ihrem Programm sind vielleicht die Kritik an Aufrüstung und an der zunehmenden Ungleichheit, der auseinandergehenden Schere zwischen Arm und Reich. Allerdings macht Wagenknecht, wie schon seit Jahren, den gleichen Fehler und unterscheidet zwischen „gutem” und „schlechtem“ Kapital. Sie redet in ihrem Wahlprogramm vom „ängelsächsischen Blackrockkapitalismus”, der von  „großen Finanz-und Digitalkonzernen“ gesteuert sei. Dabei würden auch „Mittelstand und Arbeitnehmer unter die Räder geraten“. 

Dass auch das europäische Kapital und kleinere Unternehmer:innen von Ausbeutung profitieren, wird dabei nicht klar. Die Partei steht hinter einem europäischen Protektionismus, der Deutschlands und Europas Wirtschaft stärken und dadurch zu mehr Wohlstand führen soll. In dem Programm wird auch Wagenknechts Bewunderung für den CDU-Politiker Ludwig Erhard deutlich: Das BSW stellt sich hinter die „soziale“ Marktwirtschaft, die durch Schutz vor Monopolkapitalist:innen aus den USA oder China, scheinbar gerettet werden könnte.  Es ist eine Illusion zu glauben, dass ein kapitalistisches Wirtschaftssystem, was darauf ausgelegt ist, möglichst viel Profit für seine Kapitalist:innen zu erwirtschaften, in irgendeiner Form gerechter wird durch ein paar Regularien. Die Ausbeutung der Arbeiter:innen findet auch beim Ausschluß einiger ausländischer Großkapitalist:innen statt. 

Nichts anzubieten außer Sozialdemokratie

Der Verdacht, dass das BSW eine Partei für Arbeiter:innen sei, führt die offensichtliche Unterstützung von nationalem und europäischen Kapital, ad absurdum. Nach der Logik, dass die Ausbeutung ihrer Arbeitskräfte in Ordnung sei, solange es im Rahmen eines „fairen Wettbewerbs“ passiert. 

Als Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe benötige es „technologische Innovation, öffentliche Förderung und vernünftige Anreize“. Das BSW will weiterhin Verbrennungsmotoren unbefristet nutzen lassen. Zudem soll der Import von Öl und Gas aus Russland wieder forciert werden, um Kosten an teurem Öl zu sparen. Eine Lösung, wie die Verstaatlichung von Energiekonzernen unter Arbeiter:innenkontrolle, schlägt die Partei nicht vor. Ihr scheint es vor allem um die Interessen des deutschen Kapitals zu gehen, das unter dem Abbrechen der Handelsbeziehungen mit Russland Profit litt. 

Eine Farce, dass Wagenknecht noch von manchen bürgerlichen Politiker:innen und Journalist:innen als Kommunistin bezeichnet wird. Ihre neue Partei tritt mit ihrem Programm nur dafür an, den Kapitalismus besser verwalten zu wollen, als die Ampel. Das sieht man auch an reformistischen Forderungen wie Vermögenssteuern und einen Mindestlohnerhöhung auf 14 Euro, die auch in den Programmen von SPD und Der Linken zu finden sein könnten, die seit Jahrzehnten in Regierungsverantwortung bewiesen haben, dass sie selbst Minimalanforderungen nicht umsetzen, wenn sie in Regierungsverantwortung sind. Ganz im Gegenteil, kam es unter sozialdemokratischen Regierungen in der Vergangenheit nur zur Fortführung der kapitalistischen Verelendung durch beispielsweise Privatisierungen, Einführungen des Fallpauschalsystems oder Hartz IV. 

Rassistische Migrationspolitik wie andere bürgerliche Parteien auch

Beim Thema Migration ist dem BSW besonders das Verhindern „illegaler Migration“ wichtig und unterscheidet sich da nicht groß in ihrer rassistischen Politik von anderen Parteien. Für das Massensterben im Mittelmeer sieht das Bündnis nicht die Schuld beim brutalen Grenzregime der EU, das  Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, sondern bei Schlepperbanden. Seine Lösung dafür ist mehr Diplomatie und der Stopp von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete. Das passt zu ihrem Souveränismus, also dass ihnen vor allem die Interessen des deutschen Kapitals wichtig sind, die nationale Souveränität.

Nach dem Angriff in Mannheim beteiligte sich Wagenknecht auf Social Media Kanälen des BSW an der gerade stattfindenden rassistischen Hetze gegen Muslim:innen. Sie redet von „alimentierten“ Geflüchteten, die sich nicht integrieren können und reiht sich damit in die Rhetorik von Alice Weidel von der AfD ein. Sie spricht sogar Menschen ihren Fluchtgrund ab und szeniert ein Drohszenario von islamistisch radikalisierten Jugendlichen. 

BSW ist ein Ausdruck des Rechtsruck statt eine Lösung

Das BSW zeigt in seinem Programm und in seiner bisherigen Politik, dass es keine Lösungen für Arbeiter:innen und Unterdrückte bietet. In der Vergangenheit beteiligte es sich auch an transfeindlicher Hetze, in dem es sich gegen die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes aussprach und dabei in seiner Demagogie der AfD und CDU in nichts nachstand. Zudem nutzte es die Sprache der AfD mit Slogans wie „Maulkorb oder Meinung“, wenn es um gendersensible oder diskriminierungsfreie Sprache geht, die BSW ablehnt.

Anstatt eine linke Alternative aufzubauen, ist das BSW eine reaktionärere Abspaltung der Sozialdemokratie, die offensiv rechte Talking Points nutzt, um nach Wähler:innen zu fischen, die auf die rechte Hetze hereinfallen. Dazu benötigt es keine neue Partei, in der Praxis führt die Ampel diese rechte Politik mit Bravour aus. Das Bündnis versucht durch teils berechtigte Kritik an Ampel und DIE LINKE, Wähler:innen für ein noch reaktionäreres Projekt zu instrumentalisieren.

Eine Alternative kann nur die Selbstorganisierung der Arbeiter:innen sein

Eine linke Perspektive muss die Ablehnung der EU sein, die für das Europa des Kapitals steht, für Grenzen, Verarmung und Kriege steht. Ihr Interesse ist in erster Linie ihre Kapitalist:innen noch reicher zu machen, auch wenn das noch ein größeres Elend für die Großzahl der Menschen in Europa und in abhängigen Ländern in und außerhalb Europas bedeutet, indem weiter Löhne gedrückt werden, bei Sozialem, Bildung und Gesundheit gespart wird, um multinationale Unternehmen zu retten und das Militär in Europa weiter aufzurüsten.

Daher schlagen wir vor spätestens zur Bundestagswahl 2025 eine sozialistische Wahlfront aufzubauen, die die Zentralität und politische Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse, basierend auf Selbstorganisation, in den Mittelpunkt stellt. Sie soll ein Programm entwerfen, das eine Antwort gegen den Aufstieg der Rechten, im Kampf gegen jegliche Form von Unterdrückung, Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, usw.,  findet. 

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