Brutale Polizeigewalt: Zwei Angriffe auf Al-Aqsa-Moschee in vierundzwanzig Stunden

07.04.2023, Lesezeit 5 Min.
1
Kanuman // shutterstock

Innerhalb von 24 Stunden fanden zwei brutale Angriffe auf die Al-Aqsa Moschee statt. diess steht auch in Zusammenhang mit der von der israelischen Regierung geplanten Justizreform.

Bereits zwei Mal in weniger als vierundzwanzig Stunden drang die israelische Polizei in die Al-Aqsa-Moschee im besetzten Ost-Jerusalem ein. Dabei gingen sie mit Gummigeschossen, Blendgranaten und Gas gegen gläubige Palästinenser vor. Diese beteten dort anlässlich des zur Zeit stattfindenden heiligen Fastenmonats Ramadan. Mehr als fünfhundert Personen wurden festgenommen, mindestens sechs verletzt.

 

Die israelische Polizei berichtete von “jungen Kriminellen”, die “Feuerwerkskörper und Steine auf die Moschee warfen, um die Ordnung zu stören” um ihr brutales Vorgehen zu legitimieren.

Anstatt das Vorgehen der Polizei kritisch einzuordnen, findet sich auf der Tagesschau quasi eins zu eins die Erzählung der israelischen Polizei wieder. Dem entgegen stehen Berichte von Augenzeugen, in denen keine Jugendlichen vokommen, sondern nur das brutale Vorgehen der Polizei.

Anstelle von Maßregelung von ominösen Jugendlichen ging es der Polizei eigentlich darum, den Tempelberg zu räumen, um den Siedlern, die immer wieder in den Tempelberg eindringen Platz zu verschaffen. Die Situation spitzt sich besoders zu, da Siedlergruppen besonders zu Pessach zur “Rückeroberung” des Tempelbergs aufrufen, und in diesem Vorhaben wenig überraschend Unterstützung vom israelischen Apartheidsregime erhalten. Nicht nur haben Siedlergruppierungen ein Preisgeld ausgerufen für alle, die es schaffen, während Pessach ein Tier auf dem Tempelbergkomplex zu opfern,  auch der rechtsextreme Minister für öffentliche Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, hat in einem Fernsehinterview  dazu aufgerufen den Tempelbergkomplex während Pessach zu stürmen.

Für Ben-Gvir geht es dabei nicht nur darum seine Unterstützer:innen, die aggressivsten Teile des zionistischen Siedlerkolonialismus, zu befriedigen, sondern die Eskalation am Tempelberg stellt für ihn auch ein Puzzleteil in der Durchsetzung der umstrittenen Justizreform dar. Deren Kerninhalt ist vor allem der Knesset, dem israelischen Parlament, zu ermöglichen, mit einfacher Mehrheit so gut wie jedes Urteil des israelischen Gerichtshofs aufzuheben. Außerdem soll der Regierung die Möglichkeit gegeben werden, Richter:innen zu bestimmen.

Hintergrund sind die Pläne der Regierung und die bremsende Rolle des obersten Gerichtshofs in diesen. So geht es darum, dass der Gerichtshof in der Vergangenheit die Möglichkeiten der Siedlerbewegung eingeschränkt hat und die Geschwindigkeit von ethnischen Säuberungen verringert. Außerdem behindert er die Regierung bei der offiziellen, Annexion des de facto schon größtenteils annektierten Westjordanlandes, der Abschaffung von pro LBT QI+-Gesetzgebung, der Lockerung der Regeln für Razzien und dem legalen Einsatz von tödlicher Gewalt von Polizei und Armee gegen Palästinenser:innen – die jedoch trotzdem fast alltäglich stattfinden.

Die Auseinandersetzung um die Justizreform löste eine Krise der Regierung aus, in der sich Verteidigungsminister Joaw Galant zunächst gegen die Reform stellte. Zusammen mit seiner temporären Amtsenthebung gab es bedeutende, “liberalere” Teile des zionistischen Regimes, die sich gegen die Reform stellten und stattdessen den Status Quo erhalten wollten und gegen die Justizteform mobilisierten. Im Zuge dessen kam es zu so kuriosen Momenten wie die Unterstützung des Streiks am 27.03. gegen die Justizreform durch McDonalds. Den Charakter der Demonstration drückte nicht nur das israelische Fahnenmeer sondern der demonstrative Ausschluss antizionistischer Demonstrant:innen aus.

Um diese Spannung aufzulösen und das komplette zionistische Regime hinter der Regierung zu versammeln, heizt Ben-Gvir die Eskalation am Tempelberg an, um Raketenangriffe von der Hamas oder anderen bewaffneten palästinensischen Widerstandsorganisationen zu provozieren und damit eine rücksichtsloses Vorgehen der Regierung und letzendlich die Durchsetzung der Justizreform als Notwendigkeit zu verkaufen. Zumindest im ersten Schritt hat er Erfolg, so wurde Israel gestern  Mittag mit Raketen aus dem Libanon beschossen, was Israel Gelegenheit bot, Gaza und den Libanon zu bombardieren.

Auch wenn die aktuelle Eskalation der rechtsextremen israelischen Regierung besonders gelegen kommt, sind Angriffe auf gläubiige Palästinenser:innen im Ramadan keine Außnahme sondern zionistischer Alltag. So wurden auch schon 2022 und 2021 Gläubige auf dem Tempelberg vom israelischen Staatsapparat attackiert, und dies unter vermeintlich “moderateren” Regierungen.

Die brutale Gewalt, mit der der israelische Staat friedlich betende Muslime attackiert und als Spielball benutzt um rücksichtslos seinen Zugriff auf das gesamte historische Gebiet Palästinas zu erweitern, ist Ausdruck des ultrareaktionären Charakter des zionistischen Regimes.  Wir verurteilen diese Angriffe auf Religionsfreiheit aufs Schärfste. Es braucht jetzt Mobilisierungen aller Arbeiter:innen und Linken im historischen Palästina, um den Muslimen in Al-Aqsa und überall zu ermöglichen, ohne Beschränkungen Ramadan zu begehen und alle Siedler vom Tempelber zu schmeißen. Außerdem braucht es einen Kampf sowohl auf dem Gebiet Palästinas als auch international gegen die militärische Übermacht Israels, das die gesamte Region  fortwährend aufgrund seiner überlegenen Stellung terrorisieren kann, wie es Hafenarbeiter:innen in Livorno mit der Blockade von waffenlieferungen vorgemacht haben. In dieser Perspektive kämpfen wir für den Sieg der palästinensischen Befreiungsbewegung gegen den Kolonialstaat Israel, um ein Ende des zionistischen Siedlerkolonialismus und damit ein friedliches und geschwisterliches Zusammenleben von Palästinenser:innen und Jüd:innen zu ermöglichen.

Mehr zum Thema