Brüssel und Paris: Rechte Antworten vom Reformismus

02.04.2016, Lesezeit 4 Min.
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Der Schock sitzt nach den Anschlägen von Brüssel noch immer tief. Doch wie schon in Folge der Pariser Anschläge im November wurden sofort Forderungen nach mehr "Sicherheit" und Repression laut. Und wie schon damals stimmt die reformistische Linke in den Chor der Einschränkung demokratischer Rechte ein.

Nach den Anschlägen von Brüssel werden die reaktionären Tendenzen in Europa weiter gestärkt: Die islamophobe Rechte hetzt noch stärker gegen Muslim*innen. Das belgische Militär hat wieder begonnen, Bombenangriffe in Syrien zu fliegen. Presse und Regierungen in ganz Europa rufen nach mehr Polizei, mehr Militär, mehr „Sicherheit“ und meinen damit die permanente Einschränkung demokratischer Freiheiten.

In Deutschland hetzte besonders unverblümt natürlich die Springerpresse („Wir sind im Krieg!“), aber auch Innenminister Thomas de Maizière ließ tief blicken: „Datenschutz ist schön, aber in Krisenzeiten wie diesen hat die Sicherheit Vorrang.“ So argumentierte er für mehr europaweiten Datenaustausch und Ein- und Ausreiseregister. Für ein neues Kapitel in der „Festung Europa“ also.

Das alles ist nicht verwunderlich. Aber nicht nur die Rechten reden nach den Anschlägen von mehr „Sicherheit“ und der Abschaffung demokratischer Freiheiten.

Schon im November hatte sich die französische Linksfront in die „nationale Einheit“ von Präsident François Hollande und Ministerpräsident Manuel Valls eingereiht: Sie unterstützte sowohl den Ausnahmezustand als auch die Regierung selbst bei den Regionalwahlen. Noch einige Monate zuvor hatte Mélenchons Front de Gauche sich geweigert, die „republikanische Front“ zu unterstützen.

Ähnlich verhält es sich mit Podemos im Spanischen Staat: Nach den Anschlägen von Paris – vor den spanischen Wahlen – hatte sich die Parteiführung um Pablo Iglesias noch geweigert, sich in die „anti-dschihadistische Front“ der restlichen Parteien einzureihen. Nach Brüssel bleibt keine Spur von der Kritik an der Instrumentalisierung der Anschläge für die rechte Agenda der Regierung. Im Gegenteil: Podemos beteiligt sich am Sicherheitspakt und ruft nach der Verstärkung von Polizei- und Geheimdienstapparat.

Und die griechische Syriza beteiligt sich als neue Grenzpolizei der EU ebenfalls an der Abschaffung demokratischer Rechte, indem sie Geflüchtete einsperrt und in die Türkei zurückschickt.

Die deutsche Linkspartei hat sich bisher noch nicht den Forderungen nach einer Militarisierung der Innenpolitik (wie dem Einsatz der Bundeswehr im Innern) angeschlossen. Aber führende Mitglieder der Linkspartei wie Sarah Wagenknecht fordern schon seit Längerem die Abweisung von Geflüchteten an den europäischen Außengrenzen. Dort, wo die Linkspartei in Regierungsverantwortung ist – wie in Thüringen –, setzt sie selbst Abschiebungen durch. Was wird passieren, wenn es auch in Deutschland zu Anschlägen kommt? Es ist nicht schwer vorzustellen, dass der Rechtskurs der Linkspartei mit der vollständigen Eingliederung in die „nationale Einheit“ auch hierzulande enden wird.

Im 18. Brumaire schreibt Marx, die Geschichte wiederhole sich: „das eine Mal als große Tragödie, das andre Mal als lumpige Farce.“ Und tatsächlich: So tragisch und abstoßend die reaktionären Attentate von Brüssel auch sind, die Reaktionen des Reformismus darauf sind selbst im Vergleich zu den Reaktionen „nach Paris“ eine regelrechte Farce. Immer mehr reformistische Kräfte gehen vollständig in das Lager derjenigen über, die die Einschränkung demokratischer Freiheiten rechtfertigen. Das zeigt: Der Reformismus hat keine Antworten zu bieten, die sich fundamental von der „nationalen Einheit“ der Parteien der Bourgeoisie unterscheidet.

Demgegenüber ist es notwendig, aufzuzeigen, dass die reaktionären Attentate von IS und Co. nicht durch noch mehr Repression, noch mehr imperialistischen Bombardements und noch mehr rassistischer Abschottung zu stoppen sind. Im Gegenteil: Das ist gerade ihr Nährboden.

Deshalb müssen die Organisationen der Arbeiter*innen, soziale Bewegungen, die Jugend und die Linke eine große Bewegung gegen den imperialistischen Krieg und gegen die rassistischen Abschiebungen anstoßen. Anstelle eines Programms der Einschränkung demokratischer Freiheiten müssen wir diese Rechte verteidigen und uns gemeinsam mit Geflüchteten und Migrant*innen gegen die imperialistischen Kriege erheben.

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