„Brot und Rosen: Geschlecht und Klasse im Kapitalismus“

29.01.2019, Lesezeit 5 Min.
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Frauenkämpfe sind kein neues Phänomen – es gab immer schon Widerstand von Frauen, aus ihrer jeweiligen sozialen Position heraus: gegen Armut, Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung. Die Kämpfe der arbeitenden Frauen für mehr Rechte und für ein besseres Leben sind dabei grundsätzlich Klassenkämpfe. Das ist die zentrale These des Buchs „Brot und Rosen. Geschlecht und Klasse im Kapitalismus” der argentinischen Feministin und Marxistin Andrea D’Atri, das Ende Februar auf Deutsch erscheint.

Von Mehlkriegen über die russische Revolution, die zweite Welle der Frauenbewegung bis zu aktuellen Diskursen untersucht die Autorin die Erfahrungen der kämpfenden Frauen über die Jahrhunderte in ihrem Zusammenspiel mit der Arbeiter*innenbewegung. Aus ihren Siegen und Niederlagen lassen sich die Lehren ziehen, die wir gerade heute dringend brauchen. Denn wir befinden uns in einer Zeit, in der so viele Frauen Teil der Arbeiter*innenklasse sind wie nie zuvor – und in der gleichzeitig international die Frauenbewegung immer weiter wächst, sich mit dem Frauen*streik in Richtung der Arbeiter*innenbewegung entwickelt und das Potential hat, die gesamte Klasse zu Kämpfen – und Siegen – zu führen.

Welche Lehren sind das also, die wir aus diesen Erfahrungen ziehen können?

Erstens, ganz einfach, aber dennoch nicht selbstverständlich: Wir Frauen sind handelnde Subjekte. Wir sind in der Lage, unsere eigenen Lebensumstände zu reflektieren und sie zu verändern – vor allem, wenn wir uns organisieren und kollektiv handeln.

Zweitens sehen wir, dass das bürgerliche Versprechen von Gleichheit vor dem Gesetz für die große Mehrheit von uns Frauen eine Lüge ist – denn diese Gleichheit vor dem Gesetz wird uns immer wieder verweigert, wenn beispielsweise der Staat mit Abtreibungsgesetzen in unsere Körper eingreift. Die angebliche Gleichheit vor dem Gesetz befreit uns aber vor allem nicht von der tiefen Ungleichheit im Leben, die dadurch ausgelöst wird, dass einige von uns nichts haben außer unsere Arbeitskraft, während andere Reichtümer besitzen, die sie in die Lage versetzen, die Arbeitskraft anderer auszubeuten.

Drittens wird also deutlich, dass in diesem kapitalistischen System der Ungleichheit keine wahre Gleichheit errungen werden kann – dafür müssen wir dieses System stürzen, das auch auf unserer Unterdrückung als Frauen beruht. Denn es ist äußerst praktisch für den Kapitalismus, uns als kostenlose Arbeitskräfte in den Haushalten zu haben, wo wir neben unserer Lohnarbeit unbezahlte Hausarbeit leisten. Und es ist praktisch, die Klasse der Arbeiter*innen in Männer und Frauen zu spalten, damit wir nicht merken, dass wir gemeinsam eine andere Welt erkämpfen können.

Viertens erkennen wir, dass unsere Interessen als proletarische Frauen, das heißt als lohnabhängig beschäftigte Frauen, nicht dieselben sind wie die der bürgerlichen Frauen. Denn auch wenn wir gewisse rechtliche und kulturelle Diskriminierungen teilen, können sie sich davon bis zu einem gewissen Grad loskaufen. Und vor allem profitieren sie davon, dass sie diejenigen sind, die unsere Arbeitskraft für ihren Profit ausbeuten – sie wollen also auf keinen Fall den Sturz des Kapitalismus, der für unsere Befreiung doch eine Notwendigkeit ist.

Fünftens sehen wir, dass es tatsächlich nur wir Arbeiter*innen sind, die die Kraft haben, dieses System zu stürzen. Denn auf unseren Schultern liegt – in den Betrieben, Fabriken, Orten der Dienstleistung, dem Haushalt und so weiter – das Funktionieren dieses Systems. Das gibt uns die Macht, die Grundlagen des Kapitalismus in Frage zu stellen. Damit wir das tun können, müssen wir gemeinsam kämpfen, auch mit allen anderen, für die der Kapitalismus nichts zu bieten hat. Heute ist unsere Klasse noch gespalten in verschiedene Geschlechter, sowie in Migrant*innen und Einheimische. Um wirklich eine Allianz zu schmieden, die alles zum Beben bringt, müssen wir die die Befreiung aller Unterdrückten zu unserem Programm machen.

Um dies zu erreichen, müssen wir uns sechstens organisieren – und zwar nicht nur in solidarischen Netzwerken oder Bündnissen, und auch nicht allein in gewerkschaftlichen Strukturen. Sowohl in der Arbeiter*innenbewegung als auch in der Frauenbewegung sind im 20. Jahrhundert mächtige Apparate und Bürokratien entstanden, die diese Bewegungen kanalisiert und ins patriarchale kapitalistische System eingebunden haben. Die Bourgeoisie hat in diesen Bürokratien in den am meisten zugespitzten Situationen des Klassenkampfes immer wieder Verbündete für ihre reaktionäre Agenda gefunden. Wir können den Kapitalismus und das Patriarchat nur dann wirklich begraben, wenn wir uns in der Arbeiter*innen- und in der Frauenbewegung in antibürokratischen und revolutionären Fraktionen organisieren. Dafür brauchen wir eine revolutionäre Partei der Arbeiter*innen, mit der wir den Weg gehen, unsere Interessen weltweit durchzusetzen.

Über diese Lehren können wir im Februar gemeinsam mit der Autorin Andrea D’Atri diskutieren. Auf einer Reise durch Europa wird sie unter anderem in München und Berlin Halt machen. Wir hoffen, dass das Buch ein Instrument werden kann, auch im Land von Rosa Luxemburg und Clara Zetkin einen kleinen Beitrag im Aufbau einer sozialistischen, internationalistischen und klassenkämpferischen Strömung innerhalb der Frauenbewegung zu leisten.

Andrea D’Atri: Brot und Rosen. Geschlecht und Klasse im Kapitalismus. Deutsch von Lilly Schön. Hamburg: Argument, Februar 2019.
Ca. 220 S., broschiert, ca. 15€. Vorbestellungen unter: info@klassegegenklasse.org

Dieser Beitrag erscheint am 1. Februar in der dritten Ausgabe der Zeitung marxistische jugend, erhältlich in München (majumuc [at] gmail.com).

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