Brillen für Chile
Alexis Donoso ist Augenzeuge der Proteste in Chile, die das ganze neoliberale Erbe der Diktatur in Frage stellen. Die Eindrücke, die er als Journalist auf der Straße und in den Versammlungen machte, diskutierte er am Samstag in München – und sammelte Geld für ganz bestimmte Brillen.
Der KulturLaden im Münchner Westend war voll, vor allem Jugendliche kamen, um die Berichte und Einschätzungen von Alexis Donoso, Dozent aus Saarbrücken, zu hören. Alexis, gebürtiger Chilene, war für einige Wochen nach Chile gereist, um als Journalist die Revolte zu verfolgen, die stattfindet. Und dieser sich bald über das Land ausbreitende Aufstand begann durch die Proteste von Jugendlichen gegen Fahrpreiserhöhungen in Santiago – sie stürmten einfach die Bahnhöfe, bezahlten keine Tickets mehr.
Die Fahrpreiserhöhungen waren ein Symbol in einem Land, in dem bishin zum Wasser wirklich alles privatisiert wurde – nach dem US-gestützten Putsch am 11. September 1973, der die Ära des Neoliberalismus einläutete. Jetzt brachen die Menschen diesen neoliberalen Konsens in Chile, wie Alexis mit vielen Videos, Bildern und lebendigen Geschichten berichtete. Der spontan ausgebrochene Aufstand im Oktober steht für einen neuen Zyklus der Klassenkämpfe – und zwar in Großbuchstaben.
Es folgten turbulente Wochen der Mobilisierung, Repression und völlig unzureichenden Zugeständnisse der Regierung. Es bildeten sich jugendliche „Reihen“ der Kämpfe heraus: die erste Reihe wehrt direkt die Aggression der Polizei ab, die zweite Reihe wirft Tränengasgranaten zurück und unterstützt die erste, die dritte Reihe bringt die vielen Verletzten heraus und versorgt sie. Nur so ist der Masse der Menschen überhaupt halbwegs ein Demonstrieren nötig, durch die mutige Verteidigung, die die Jugendlichen an der Front bilden.
Der Staat geht besonders gegen Frauen gewalttätig vor. Mit einer längst viralen künstlerischen Performance, „Ein Vergewaltiger auf deinem Weg“, eine Abwandlung des Mottos der kasernierten chilenischen Polizei, klagten die Frauen in Chile die staatliche Gewalt an. Das Kollektiv Las Tesis hatte die Performance entwickelt und der Bewegung in Chile neues Selbstvertrauen gegeben.
Die Anklage gegen den Staat ist dringend nötig, denn viele Polizist*innen sind verantwortlich für Mord, Folter und Vergewaltigung. Um die Proteste zu unterstützen, ist ganz dringend auch materielle Hilfe notwendig. Ein prominentes Beispiel dafür ist, dass die Polizei mit Schrot auf Köpfhöhe der Demonstrant*innen schießt, wodurch sehr viele ein Auge verlieren oder ganz erblinden. Alexis startete deshalb eine Kampagne für den Kauf von Schutzbrillen, die an Jugendliche in Chile verteilt werden – sie geben bis zu 20 Meter Schutz vor Schrotkugeln.
Dauno Totóro, anführendes Mitglied der PTR in Chile, wird aufgrund eines Artikels aus der Pinochet-Diktatur wegen Aufwiegelung zum Aufstand angeklagt. Erst eine Woche vor der Veranstaltung hatte die chilenische Justiz die skandalöse Anklage zugelassen, die auf Daunos Ausspruch beruht, Pinera müsse gehen, und für die ihm mehrere Jahre Gefängnis drohen.
In Verteidigung der demokratischen Rechte in Chile und in Solidarität mit Dauno entstand dieses Solidaritätsbild von Teilnehmer*innen der Veranstaltung, das wir nach Chile schickten:
Eine hervorgehobene Rolle in den Protesten spielt Antofagasta, wo Beschäftigte verschiedener Sektoren ein Komitee zur Selbstverteidigung und zum Schutz bildeten. Dazu sahen wir zu Abschluss des Vortrags von Alexis folgendes Video (mit Untertiteln):
Wie von der Revolte zur siegreichen Revolution? Diese Frage wurde am Ende der Diskussion aufgeworfen. Dafür spielt die Selbstorganisation der Arbeiter*innenklasse in Räten eine herausgehobene Rolle, aus der eine revolutionäre Partei geformt wird. Ein solcher Sprung wird nicht zufällig oder von alleine erreicht, sondern ist ein bewusster Schritt, zu dem sich die Genoss*innen der PTR mit der Gründung von Komitees zum Schutz und zur Selbstverteidigung aufmachen. Aus solchen zunächst defensiven Einrichtungen kann durch die Erfahrung im Kampf, die Ausdehnung auf andere Sektoren der Arbeiter*innen und Massen sowie durch das Angebot einer Führung für die aktuell noch kopflose Revolte ein offensives Instrument der Revolution werden.
WIE VIEL IST EIN AUGE WERT?
Zur Spenden-Kampagne „Wieviel ist ein Auge wert?“ für Schutzbrillen an Jugendliche in Chile kommt ihr hier, Spenden sind online hier möglich.
EMPÖRT EUCH!
Zur „Empört euch!“-Kampagne gegen Polizeigewalt und Justizwillkür in Deutschland bekommt ihr hier weitere Infos oder ihr könnt hier direkt spenden.