Breite Unzufriedenheit in Bayern: Stoppt das Polizeiaufgabengesetz!

15.04.2018, Lesezeit 5 Min.
1

Die Novellierungen des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes schlagen bundesweit hohe Wellen. In ganz Bayern finden Demonstrationen statt. Diese Woche hat sich in München ein Bündnis aus über 50 Organisationen gegen das Vorhaben der CSU-Regierung konstituiert.

Ein müdes Lächeln, ein Kopfschütteln und ein verächtliches: „Ja mei!“ So dürften im Großteil der Republik die Reaktionen ausfallen, wenn sie das Wort „Bayern“ hören. Und damit meine ich nicht den unsäglichen Fußballverein, der für eine Generation an Erstklässler*innen gesorgt hat, die nur noch einen einzigen deutschen Fußballmeister kennt.

Nein. Es geht um das politische Bayern. Das schwarze Loch. Das Bundesland, dessen Hauptstadt im Volksmund immer noch als die „Hauptstadt der Bewegung“ gilt. Das Bundesland der Maut, der Braunbärentöter und der „bis zur letzten Patrone“-Rhetorik. Die Liste der bayerischen Verfehlungen kann man beliebig fortsetzen. Selbst ein tausendjähriges Reich würde untergehen, wenn man aufzählen wollen würde, was aus revolutionärer Sicht in Bayern alles schiefgelaufen ist und immer noch schief läuft.

In der neuesten Zeile dieser Liste: die Novellierungen des bayerischen Polizeiaufgabengesetzes. Nicht nur in linken Kreisen fällt im Zusammenhang mit den Gesetzesverschärfungen der Begriff Polizeistaat. Letzte Woche legte die CSU-Fraktion im Landtag gleich noch einen drauf. Mit drei Änderungsanträgen wollen sie der Polizei ermöglichen, sowohl Online-Durchsuchungen als auch Telekommunikationsüberwachung, Postbeschlagnahme und Videoüberwachung auf Journalist*innen, Ärzt*innen und Mitarbeiter*innen von Beratungsstellen ausweiten zu können. Das ist ein Angriff auf Quellenschutz und Schweigepflicht. Darüber hinaus sollen Sicherheitsfirmen verpflichtet werden können, den Zugang zu ihrer Sicherheitssoftware und -hardware zu garantieren. Ein Auto oder eine Wohnung sollen so müheloser durchsucht werden können – natürlich mit der eingebauten Möglichkeit, die Spuren eines solchen Eingriffes in die Privatsphäre im Nachhinein wieder zu verwischen.

Dass der Wind dabei scharf von rechts weht, dürfte vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen in Bayern die wenigsten verwundern. Die CSU, als Partei des bayrischen Kleinbürgertums, fürchtet um ihre Vormachtstellung. Die AfD ist bei allen vorangegangenen Landtagswahlen in die Parlamente eingezogen. Auch in Bayern werden wohl bald wieder Faschist*innen in Ausschüssen sitzen und den Landesetat mitbestimmen. Nicht, dass die CSU ein Problem mit Rassist*innen hätte: von der Obergrenzendebatte bis zur Zusammenarbeit mit Viktor Orbán in der Frage der europäischen Grenzsicherung, die Beispiele sind zahlreich. Aber eine Etablierung der AfD in Bayern könnte die CSU auf Dauer schwächen.

Nun sind solche Wasserstandsmeldungen aus Bayern für die meisten Menschen wohl kaum mehr wert, als das eingangs erwähnte: „Ja mei!“ In Deutschland sollte man jedoch genauer nach Bayern schauen. Die zur Verabschiedung eingereichten Gesetzesänderungen sollen vordergründig den Kampf gegen den internationalen Terrorismus erleichtern. Der Form nach ähneln sie wohl auch deshalb stark dem amerikanischen „Patriot Act“. Mit dem Unterschied, dass sie nicht in einem Aufwasch, sondern eher scheibchenweise den Landtag verlassen haben. Zuerst als Integrationsgesetz, dann als Gefährdergesetz, jetzt als Polizeiaufgabengesetz.

Natürlich werden die Gesetze nicht allein auf „Terrorist*innen“ angewendet werden. Zumal, wer definiert denn den Terrorismus in einem Land, in dem der NSU nicht als faschistischer Terror gewertet wird? Nein, diese Gesetze sind zu allererst als rassistisch zu bewerten. Des Weiteren sind sie antidemokratisch, da sie die offizielle Staatspolitik restriktiver gestalten. Sie heben das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdienst auf. Damit wird auch eine Möglichkeit geschaffen, jegliches gewerkschaftliche oder soziale Engagement zu überwachen und im Sinne der Regierung zu kriminalisieren.

Man sollte allerdings noch aus einem weiteren Grund nach Bayern schauen. Denn in Bayern beginnt sich die breite Unzufriedenheit in Protesten zu formen. In einigen Städten gab es schon erste Demonstrationen, mehrere Klagen gegen das geplante Gesetz sind bereits eingereicht.

Zahlreiche Gruppen versuchen sich bei Veranstaltungen und Kundgebungen mit dem Thema auseinanderzusetzen. Auch auf den Rängen der bayerischen Fußballstadien wächst die Wut: Szeneübergreifend positionierten sich die einheimischen Ultras gegen das Gesetz.

Diese Woche einigte sich zudem ein breites Bündnis aus Gewerkschaften, Parteien und Jugendorganisationen in München auf gemeinsame Grundsätze, um gegen das geplante Gesetz vorzugehen. Für den 10. Mai wird zu einer bayernweiten Großdemonstration aufgerufen. Ob das reicht, um das Gesetzesvorhaben der CSU zu verhindern, bleibt abzuwarten. Die CSU könnte beim Warmmachen für den Wahlkampf allerdings in ein wahres Wespennest gestochen haben.

Mit Horst Seehofer als neuem Innen- und Heimatminister im Bund besteht zudem die Gefahr, dass Bayern zum Testfeld für ein bundesdeutsches Gesetz ähnlicher Art wird. In jedem Falle ist daher die bundesweite Solidarisierung mit den bayerischen Protesten gegen das Polizeiaufgabengesetz von großer Bedeutung. Die Fußballfans von Borussia Dortmund und Wehen-Wiesbaden machten es bereits vor: Auch sie positionierten sich bei den Auswärtsspielen ihrer Mannschaften in Bayern gegen das Polizeiaufgabengesetz.

Mehr zum Thema