Brauchen wir eine Verstaatlichung des Einzelhandels?

04.05.2016, Lesezeit 4 Min.
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Menschen, die im Einzelhandel arbeiten, spüren eine tiefe Krise: Real will aus der Tarifbindung raus, um die Löhne zu senken; Amazon will gar nicht erst über Tarifverträge reden. Aber auch kleine Milchbauer*bäuerinnen leiden unter der Krise. Aktuell wird der Einzelhandel von wenigen Großkonzernen dominiert. Wie wäre es, diese Großkonzerne zu verstaatlichen? Wir veröffentlichen einen Gastbeitrag von Robert Müller.

Der Einzelhandel befindet sich im Aufruhr – das beweisen die Proteste der Arbeiter*innen bei Real und Amazon, die sich für Tarifverträge einsetzen. Über viele Jahre hinweg entwickelte sich der Einzelhandel zu einem Oligopol, wo wenige große Konzerne den Markt bestimmen. Viele von ihnen haben sich bereits aus der Tarifbindung geschlichen. Metro (Mutterkonzern von Real) möchte nun nachziehen, weil sie sich gegenüber der Konkurrenz benachteiligt sieht.

Eine weitere Frechheit ist die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka. Dadurch tendiert das Oligopol dazu sich zum Monopol zu entwickeln. Aufgrund dieser Tendenz hat die Monopolkommission und das Bundeskartellamt davon abgeraten, Edeka die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann zu gestatten.

Doch trotz der eindrücklichen Warnungen der staatlichen Bürokratie hat sich Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel entschieden, Edeka die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann zu gewähren. Hier lässt sich erkennen, dass der Staat in erster Linie ein Instrument der herrschenden Klasse zur Durchsetzung ihrer Interessen darstellt.

Auch Bauern*bäuerinnen betroffen

Unter dieser Entwicklung haben vor allem die Lohnabhängigen zu leiden – aber auch Landwirt*innen. Denn die großen Einzelhandelsketten mit ihrer Marktmacht drücken die Preise für Lebensmittel immer stärker, um ihre Gewinne zu maximieren. Diese Sektoren sind kleinbürgerlich, aber könnten zu Verbündeten des Proletariats werden.

In ländlichen Regionen sorgt die sogenannte „Milchkrise“ für eine zunehmende Prekarisierung der kleinen Milchbauer*bäuerinnen. Grund für die Krise sind die zu niedrigen Preise, die von den Molkereien und dem Einzelhandel für Milch gezahlt werden. Diese zwingen die kleinen Milchbauer*bäuerinnen dazu, immer mehr Milch zu produzieren, um profitabel zu bleiben. Die Endkonsument*innen und Arbeiter*innen profitieren nicht davon, denn sie dienen vor allem den Großkapitalist*innen zur Maximierung ihrer Profite.

Unter marktwirtschaftlichen Bedingungen kann diese Überproduktionskrise nur durch den Bankrott einzelner Milchviehbetriebe gelöst werden. Das werden in erster Linie kleinere Betriebe sein, da in industriellen Maßstäben produzierende Betriebe aufgrund geringerer Lohnkosten besser im Wettbewerb dastehen.

Eine gemeinsame Perspektive?

Aufgrund dieser Erkenntnis stellen die kleineren Landwirtschaftsbetriebe für die kämpfenden Sektoren im Einzelhandel Verbündete dar. Beide Gruppen erwirtschaften die Gewinne der Großkapitalist*innen im Einzelhandel.

Ihr gemeinsamer Kampf könnte sich an einer Verstaatlichung der Großkonzerne des Einzelhandels orientieren. Diese Handelsketten könnten unter demokratische Kontrolle der Arbeiter*innen und Kund*innen gestellt werden. Dies macht Sinn, da der Einzelhandel vor allem der Daseinsvorsorge dient und deswegen nicht den Profitinteressen von wenigen Personen dienen sollte.

Auch die Kommunalpolitik sollte darüber nachdenken, welchen Vorteil die Verstaatlichung des Einzelhandels mit sich brächte. Denn die Probleme der Profitlogik machen sich hier bemerkbar: Einzelhandelsfilialen stehen nicht unbedingt dort, wo sie benötigt werden, sondern dort wo sie besonders gewinnbringend sind. Gebaut wird vor allem für den motorisierten Individualverkehr, nicht aber für die direkte Anwohner*innenschaft.

Ziel dieses Textes ist es, mit den empörten Arbeiter*innen im Einzelhandel darüber zu diskutieren, mit welchen Sektoren sie gemeinsam kämpfen können. Auch wenn die Forderung nach der Verstaatlichung des Einzelhandels utopisch erscheint, so könnte auch eine starke Bewegung dafür die Kapitalist*innen von Amazon, Metro, Edeka, Kaiser’s Tengelmann etc. an den Verhandlungstisch zwingen.

Falls sie dies dennoch verweigern, ist ihre Enteignung und die demokratische Kontrolle des Einzelhandels nur gerechtfertigt.

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