Brasilien: Streik an der Universität von São Paulo
Als der Personalmangel an der geisteswissenschaftlichen Fakultät zum Ende der Fächer Koreanisch und Japanisch an der Universität von São Paulo führte, wehrten die Student:innen sich mit einem Unistreik. Jetzt schließen sich die Arbeiter:innen der Betriebsgewerkschaft an.
In der ganzen Welt sieht sich die öffentliche Bildung ständigen Angriffen ausgesetzt. Brasiliens Bildung leidet unter einer Oberschulreform des Putsch-Präsidenten Temer, deren verheerenden Auswirkungen die Lula-Regierung nur teilweise zurücknimmt. Im Staat São Paulo, in der die gleichnamige 25 Millionenstadt liegt, herrscht der bolsonaristische Gouverneur und Reservehauptmann Tarcísio de Freitas, der eine Privatisierunginitiative im Nahverkehr und der Wasserversorgung durchführt. An der Universität São Paulo (USP) fehlen an der Fakultät für Philosophie, Sprach- und Humanwissenschaften so viele Dozierende, dass Japanisch und Koreanisch nicht mehr als Studienfächer angeboten werden können. Die USP ist mit knapp 90 Tausend Studierenden eine der größten Universitäten des Landes und eine der wichtigsten Universitäten Lateinamerikas. Zum Vergleich: Die größte Präsenzuniversität Deutschlands, die Universität zu Köln, zählt 52 Tausend Studierende.
Doch die Studierenden – unter ihnen Mitglieder von Faísca Revolucionaria, der brasilianischen Schwesterorganisation von Waffen der Kritik – nahmen diese Entwicklung nicht einfach hin. Auf einer Versammlung von 500 Studierenden der Sprachwissenschaften beschlossen sie letzten Donnerstag, dem 14. September, in einenn unbefristeten Unistreik zum 19. September für die Einstellung von Dozierenden – in den Sprachwissenschaften allein fehlen 114 – die Vereinigung der Kämpfe gegen Tarcísio de Freitas, den Abbau an der USP und für die vollständige Abschaffung der Oberschulreform einzutreten. Auch die Geschichtsstudierende schlossen sich mit diesen Forderungen dem Streik an. Am Montagabend, dem 18. September, versammelten sie sich noch einmal für die Organisation der Streikposten und die demokratische Wahl einer Streikführung.
Den Streik der Studierenden fürchtend beschloss die Universitätsleitung, die Kurse in den Sprachwissenschaften abzusagen, die Gebäude der Fakultät abzuschließen und vom Sicherheitsdienst der Universität bewachen zu lassen und – im Geiste mit Professor Huber der LMU auf der anderen Seite der Welt vereint – die Militärpolizei an die Uni zu holen. Die Antwort der Studierenden war eine außerordentliche Generalversammlung aller Studierenden der USP, zu der die Zentrale Studierendendirektion (DCE) mobilisierte. Sie war ein Protest gegen diese Repression, bei der über tausend Studierende anwesend waren, denn ihre Sparpolitik erregt das öffentliche Ärgernis. Sie beschlossen als ganze Uni in den Streik zu treten. Sie fordern von der Universitätsleitung den Raum der Universitäten zu respektieren, der den Studierenden gehört – also die Räume zu öffnen und Polizei und Sicherheitsdienste draußen zu halten – und sofort in Verhandlungen mit den Studierenden zu treten. Auch in anderen Studienfächern fehlt Lehrpersonal, unter anderem in der Geburtshilfe und der Physiotherapie. Dementsprechend wurden die Forderungen der Sprachwissenschaften von allen Studierenden übernommen.
Aber nicht nur die Studierenden begaben sich in den Streik . Vorgestern am Dienstag, dem 19. September, beschloss auch die Betriebsgewerkschaft der USP (SINTUSP) am 21. in den Streik zu treten. Sie befinden sich gerade in Tarifverhandlungen mit der Universitätsleitung und sind genauso von den Abbau-Plänen der Staatsregierung betroffen. Sie bereiten sich darauf vor, im Oktober gemeinsam mit ihren Kolleg:innen im Nahverkehr und der Wasserversorgung zu streiken.
Der Direktor der SINTUSP überbringt den Studierenden ein Grußwort und die Nachricht, dass sie in den Streik treten werden.
Die brasilianischen Genoss:innen von Faísca Revolucionaria und ihre Kommiliton:innen zeigen uns ein Beispiel, wie wir die Universitäten zu unseren Räumen machen und uns in Zeiten von Kürzungspolitik und Aufstieg der Rechten wehren können. Wir können als Studierende und Jugend im allgemeinen voranschreiten und den Rest unserer Klasse mit uns ziehen. Das ist die Politik, die wir hierzulande mit Waffen der Kritik an den Universitäten machen wollen.