Brasilien: Eine revolutionäre Alternative gegen den Putsch und die Kürzungen

02.05.2016, Lesezeit 6 Min.
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Editorial von Esquerda Diário Brasilien zum 1. Mai.

In Brasilien ist ein institutioneller Putsch im Gange, der von der Rechten geleitet wird. Ihnen sind die Kürzungen der Regierungen von Dilma Rousseff noch nicht genug.

Die Untersuchung der Korruptionsfälle bei Petrobras bildet die Basis für den Prozess der Amtsenthebung. Damit soll allerdings das Korruptionsgeflecht der regierenden „Arbeiterpartei“ PT mit den multinationalen brasilianischen Firmen lediglich durch ein neues Geflecht ersetzt werden – eines, von dem die internationalen Ölkartelle noch deutlicher profitieren.

Angriffe auf grundlegende Rechte, wie sie mit Präventivhaft, auf Indizien beruhenden Abhörungen und dergleichen geschehen, werden aktuell zu Medienspektakeln, die im Grunde politische Vorverurteilungen sind. Diese Methoden sind in den brasilianischen favelas [Armenvierteln, A.d.Ü.] übliche Methoden, die nun dafür verwandt werden, um einen kapitalistischen Sektor zu Gunsten anderer kapitalistischer Sektoren anzugreifen. Diese Methoden stärken den bonapartistischen Charakter der Justiz, die sich als Schiedsrichterin geriert, um die nationalen Krisen zu lösen.

Die Komplizenschaft zwischen der Justiz, den großen Medienkonzernen und der rechten parlamentarischen Opposition für die Amtsenthebung gegen Dilma Rousseff hat das Ziel, eine Regierung zu etablieren, die noch härtere Angriffe auf die Arbeiter*innenklasse durchführt, als schon jetzt von der PT durchgeführt werden. Diese Akteur*innen nutzen die Untersuchungen im Korruptionsskandal der PT, um eine Regierung durchzusetzen, die ihren Interessen näher steht.

Deshalb ist der Kampf gegen den institutionellen Putsch ein Kampf grundlegender Prinzipien. Denn es handelt sich darum, den Fortschritt der Rechten in der Region und die Legitimation antidemokratischer Angriffe zurückzuschlagen, die früher oder später gegen die Gewerkschaften und die linken Organisationen eingesetzt werden.

Wir stellen uns aus anderen Gründen gegen den Putsch als die PT. Sie verteidigen diese Schmiergeld-Demokratie und haben sich mit ihrer Strategie der Klassenkollaboration an dieses Regime angepasst, welches auf Korruption und Privilegien für eine reaktionäre politische Kaste im Dienste der Unternehmer*innen beruht.

Auf diese Weise hat die PT erst den Weg für die Offensive der Rechten eröffnet: Sie hat die korrupten Methoden selbst verinnerlicht, die dem Kapitalismus eigen sind. Sie hat harte Kürzungen durchgesetzt und verhindert, dass die Gewerkschaften gegen die Angriffe der Bosse und die Straflosigkeit des gesamten politischen Systems kämpfen.

Lula, Dilma, die PT und die ihr nahestehenden sozialen Bewegungen haben Kundgebungen und Straßenblockaden im ganzen Land gegen die Amtsenthebung durchgeführt. Aber was die der PT zugehörigen Führungen der Massenbewegung nicht akzeptieren, ist die Mobilisierung der schweren Bataillone der Arbeiter*innenklasse durch Streiks und Massendemonstrationen der Arbeiter*innen in den Straßen, um den Putsch und die kapitalistischen Angriffe zu stoppen. Sie wollen lieber durch die Rechten von den Machtpositionen beseitigt werden, als die Kraft der Arbeiter*innenklasse zu aktivieren. Denn sie haben Angst, sie nicht kontrollieren zu können.

Es existiert ein breiter Massensektor, der die rechte Putschoffensive ablehnt und gleichzeitig sehr kritisch zur PT steht. Während die putschende Rechte voranschreitet, leiden die Arbeiter*innen und die Jugend an Arbeitslosigkeit, Inflation, Preiserhöhungen und Budgetkürzungen im Gesundheits- und Bildungsbereich. Das treibt die diversen Teilkämpfe an, die wir aktuell sehen, wie im Falle der Schüler*innen von Rio de Janeiro.

Von Seiten der Movimento Revolucionario de Trabalhadores (Bewegung revolutionärer Arbeiter*innen, MRT), der Schwesterorganisation von RIO in Brasilien, fordern wir, dass die Gewerkschaftsführungen ihre Unterordnung unter die Dilma-Lula-Regierung und die PT beenden und die unabhängige Mobilisierung der Arbeiter*innen und der Jugend vorantreiben.

Wir fordern Basisversammlungen, um über einen Kampfplan gegen den Putsch und gegen die Kürzungen, die die Bevölkerung schon erleidet, abzustimmen. Und wir haben diesen Plan schon in Versammlungen der wichtigsten Universitäten des Landes und in der Gewerkschaft der nicht-akademischen Beschäftigten der Universität von Sao Paulo verabschiedet. Hunderttausende Menschen wurden mit diesem Plan schon durch Esquerda Diário erreicht. Als Teil dieses Prozesses haben wir mit mehr als 400 Jugendlichen Faísca („Funke“) – Revolutionäre und Antikapitalistische Jugend gegründet.

Die unabhängige Mobilisierung der Massen gegen den Putsch muss eine Perspektive der Freien und Souveränen Verfassungsgebenden Versammlung beinhalten. Diese muss die Gesamtheit dieses verfaulten politischen Systems angreifen. Sie muss die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit die Kapitalist*innen die Krise bezahlen und nicht die Arbeiter*innen. Und sie muss alle großen strukturellen Probleme des Landes diskutieren. In diesem Kampf versuchen wir, mit breiten Massensektoren zusammenzufließen und für eine Regierung der Arbeiter*innen zu kämpfen, die auf Organismen direkter Demokratie beruht.

Der institutionelle Putsch der Rechten in Brasilien und der Kampf gegen die Kürzungen der Regierung spaltet die brasilianische Linke. Ein Sektor, der von der PSTU und der „Sozialistischen Arbeiter*innenströmung“ (interne Strömung in der linksreformistischen PSOL) vertreten wird, erkennt nicht an, dass ein institutioneller Putsch im Gang ist und verteidigt den Slogan „Sie sollen alle gehen“ und ruft zu Neuwahlen auf. Aber weil es keine linke Massenbewegung gibt, die Dilma stürzt, spielen sie am Ende das Spiel der Rechten. Denn sie haben heute die Kraft, um die Regierung zu stürzen. So sind diese Strömungen das fünfte Rad am Wagen des Putschismus.

Die PSOL selbst hat fünf Abgeordnete im brasilianischen Parlament und lehnt den institutionellen Putsch ab. Aber sie kapituliert vollständig vor der PT, weil sie nicht gegen die Politik der PT-Führungen in den Gewerkschaften kämpft: Jene wollen die Kämpfe isoliert lassen oder sie direkt verraten, wenn sie außer Kontrolle geraten, um zu verhindern, dass die Arbeiter*innenklasse sich dem Putsch und den Kürzungen der eigenen Regierung entgegenstellt.

Sowohl die Sektoren der Linken, die das Spiel der Putschist*innen spielen, wie auch diejenigen, die sich der PT anpassen, legitimieren die Stärkung der bonapartistischen Macht der Justiz – entweder, weil sie sie nicht bekämpfen, oder weil sie Illusionen schüren, dass die Justiz „neutral“ sein könnte und sich gegen die Rechten wenden würde.

Der Kampf gegen den institutionellen Putsch in Brasilien und gegen die Kürzungen ist eine große Möglichkeit für den Aufbau einer wirklich revolutionären Linken, die die Lektionen der Erfahrung mit der PT zieht. Das ist der Kampf, den wir von Seiten der MRT aus führen.

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