Brandenburger Polizei tasert 20 mal im Monat

01.01.2025, Lesezeit 5 Min.
1
Foto: Henning Schlottmann (User:H-stt), CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Auf eine Anfrage der DPA teilte das Innenministerium in Potsdam 253 Einsätze von Distanzelektroimpulsgeräten in Brandenburg mit. Bisher sind bereits 10 Todesfälle nach Tasereinsätzen in Deutschland bekannt.

Die Polizei spricht bei der Verwendung oder Androhung von Tasern von einer abschreckenden und deeskalierenden Wirkung. Taser gelten als „nicht tödliche Waffe“ und sollen bei schwierigen Festnahmen oder bei Angriffen auf Polizeikräfte eingesetzt werden. Beim Einsatz werden kleine Pfeile einige Meter weit geschossen, die den Getroffenen einige Sekunden lang handlungsunfähig machen. Unter die 252 registrierten Fälle in den ersten neuen Monaten des Jahres zählt sowohl der konkrete Einsatz als auch die Androhung des Einsatzes. In 187 Fällen kam es zum Einsatz der Waffe, das sind etwa 20 mal pro Monat. 

Nach eigenen Angaben der Polizei gab es mit dem Einsatz nur „gute Erfahrungen“. Bislang wurden in Deutschland aber bereits 10 Menschen durch Tasereinsätzen getötet. Die Opfer starben dabei an Kreislaufstillstand, Organversagen oder erstickten an Erbrochenem. Anders als bei der Verwendung von Pistolenkugeln ist die Todesursache durch Elektroschocks bei einer Obduktion schwer nachweisbar. 

Besonders betroffen von dem Einsatz des Tasers sind Menschen mit psychischen Erkrankungen sowie Menschen unter erheblichem Drogeneinfluss. Dies belegen Untersuchungen aus England und Wales, die laut einer Auswertung aus Rheinland- Pfalz auch in Deutschland in eine ähnliche Richtung deuten.

Laut einer Studie von Amnesty International aus den USA starben seit 2001 bereits 331 Menschen durch den Einsatz eines Tasers oder an den Folgen. In etwa 40 Fällen konnten gerichtsmedizinische Gutachten den Einsatz der Waffe als Teil der Ursache oder als Ursache des Todes nachweisen. 

Auch der UN-Ausschuss gegen Folter, bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass der Einsatz des Tasers eine Form von Folter sei, welche dem Missbrauch Tür und Tor öffne. Der Polizei-Soziologe Rafael Behr wies 2019 darauf hin, dass die Schwelle, ihn einzusetzen, sinkt, wenn der Taser im Arsenal vorhanden ist: „Wenn ich Mittel habe, um gegen Menschen vorzugehen, werde ich diese auch einsetzen. Das Fingerspitzengefühl, soziale Situationen, auch Gewaltsituationen möglicherweise kommunikativ zu deeskalieren“, würde schwinden, wenn ein Arsenal von Einsatzmöglichkeiten vorhanden sei, mit denen es „schneller“ gehe.

Polizei entwaffnen statt ausbauen

Wie wir im Mord von Mouhamed Dramé in 2022 sehen, dienen die Taser nicht als Alternative zu Pistolen, sondern stellen eine Ergänzung dar. Der 16-Jährige, der sich in einem suizidalen psychischen Ausnahmezustand befand, war damals von fünf Polizist:innen zuerst getasert und danach erschossen worden. Der Prozess gegen die angeklagten Polizist:innen ging bis Dezember 2024, bei dem alle fünf Beamte vollständig freigesprochen worden sind. 

Die Aufrüstung der Polizei sowie die steigende Polizeigewalt müssen wir im Kontext des aktuellen Rechtsrucks in Deutschland sehen. 100 Milliarden werden für die Bundeswehr investiert, während die Landesregierungen mehrere tausende neue Polizeistellen schaffen und Millionen in deren Aufrüstung investieren, während es wohl kein Geld für die Sanierung von Schulen und für die Erhöhung der Gehälter des Gesundheitspersonals gibt. 

Auch Markus Söder fordert angesichts des abscheulichen rechten Terroranschlages in Magdeburg eine „Zeitenwende“ für innere Sicherheit. Die staatlichen Institutionen instrumentalisieren solche Terroranschläge für den Ausbau eines autoritären Polizeiapparates, der unsere Grundrechte immer weiter einschränkt und unter Umständen nicht davor scheut, unschuldige Menschen wie Mouhamed Dramé umzubringen. Es bleibt ohnehin eine große Frage, ob Polizei und Verfassungsschutz in der Vergangenheit nicht eher den rechten Terror, wie im Falle des NSU, förderten, anstatt ihn zu stoppen. 

Daher fordern wir, dass es keine weiteren Investitionen in die Aufrüstung dieser Polizei geben darf. Stattdessen sollte in Soziales, Gesundheit und Klima investiert werden. Verwendung von Taser und Body-Cams, sowie wahllose Polizeikontrollen sollen verboten werden. 

Polizei-Einheiten sollen komplett entwaffnet werden, während wir für eine Abschaffung der Polizei als Institution sind, deren Hauptfunktion darin besteht, die Interessen der herrschenden Klasse mit Gewalt durchzusetzen. Wenn Menschen ihre Miete nicht zahlen können, werden sie von der Polizei zwangsgeräumt. Wer rassistisch kriminalisiert wird, wird auf der Straße von der Polizei geschlagen und festgenommen. Wenn Arbeiter:innen deren Entlassungen nicht akzeptieren und ablehnen, ihren Betrieb zu verlassen, rufen die Bosse die Polizei, um Arbeiter:innen mit Gewalt aus deren eigenen Betrieb herauszuprügeln. Auch in Deutschland sahen wir, wie die Hamburger Polizei einen Demonstrationszug der Hafen-Arbeiter:innen angriff, um sie einzuschüchtern.

Arbeiter:innen und alle Betroffenen haben ein Recht darauf, sich gegen diese Gewalt der Reichen und Herrschenden zu verteidigen – sei es am Streikposten, in der Nachbarschaft oder auf der Straße. Es braucht gewählte und ausgebildete Sicherheitsstrukturen und Ordnungseinheiten aus Betrieben und Nachbarschaften. Diese können auch mit entsprechender Ausbildung und Ausrüstung intervenieren und somit bestimmte „Alltags“-Funktionen der Polizei nach ihrer Abschaffung übernehmen.

Für die Aufklärung von Fällen von Polizeigewalt dürfen wir nicht auf dieselbe Institution vertrauen, die diese Gewalt verursacht. Wir brauchen gewählte Komitees von Betroffenen, migrantischen Organisationen und Gewerkschaften, die alle Akten und Informationen der Sicherheitsbehörden bekommen sollen, um so gegen Polizeigewalt vorgehen zu können.

Mehr zum Thema