Brandanschlag in Solingen: Vertuschte die Polizei das Motiv?

Nach dem Brandanschlag vor einem Jahr wollte die Polizei von einem rassistischen Motiv des Täters nichts wissen. Jetzt stellte sich heraus: Die Polizei hat höchstwahrscheinlich Beweise für dessen rechte Gesinnung unterschlagen.
Im März 2024 wurde in Solingen ein Wohnhaus, welches von Migrant:innen bewohnt wurde, angezündet. Eine junge Familie aus Bulgarien wurde dabei getötet, weitere Bewohner:innen des Hauses wurden teils schwer verletzt. Ein fremdenfeindliches Motiv schloss die Polizei rasch aus, auch aufgrund der Aussagen des Täters. Dieser habe lediglich ein Problem mit der Vermieterin des Hauses gehabt.
Nun liegt eine Anzeige gegen den Polizeipräsidenten der Wuppertaler Polizei und weitere Beamt:innen vor. Ihnen wird Vertuschung, beziehungsweise das Vorenthalten von wichtigen Beweisen vorgeworfen.
In der Wohnung des Täters wurden Materialien gefunden, die ein rechtsextremes und fremdenfeindliches Motiv beweisen könnten. So wurden „Mein Kampf“ und viele weitere hetzerische Materialien und Bilder gefunden. Diese Beweise wurden der Nebenklage jedoch vorenthalten und nicht in die Ermittlungsakten aufgenommen. Die Polizei negiert nach wie vor ein rechtsextremes Motiv, da es unklar sei, ob die gefundenen Beweise dem Täter gehören und es wurde seitens des Staatsschutzes die Behauptung aufgestellt, dies alleine deute nicht auf eine rechte Gesinnung hin, da hetzerische Bilder mittlerweile viel im Netz verkehren würden.
Es ist offensichtlich, dass die Polizei kein Interesse hat, eine sorgfältige Aufarbeitung des Anschlages durchzuführen und Interesse daran hat, das rechtsextreme Motiv zu vertuschen.
Solingen ist kein Einzelfall und die Polizei nicht unser Freund und Helfer
Solingen ist kein Einzelfall. Immer wieder erschüttern uns rechtsextreme und von Fremdenhass getriebene Angriffe.
Dabei werden Erinnerungen an die Hassverbrechen der 90er Jahre wach, so wie in Solingen 1993, als Rechtsextreme ebenfalls das Haus einer migrantischen Familie anzündeten. Dabei wurden fünf Frauen und Mädchen getötetet und weitere Menschen verletzt. Dieser Anschlag, der einer Reihe von Anschlägen und Attentaten gegenüber migrantisierte Menschen folgte, fand exakt drei Tage nach der Änderung des Asylgrundrechts im Bundestag statt. Durch dessen Verschärfung sollte den Rechtsextremisten „das Wasser abgegraben“ werden um so augenscheinlich die Gewalt gegenüber migrantischen Personen einzudämmen. Das unmittelbare Resultat zeigte exemplarisch, dass auch der derzeitige politische Kurs der Abschottung nach außen, damals wie heute, dem von rechts außen angetriebenen Diskurs folgt und keinerlei Schutz oder Verbesserung der Lebensumstände bereithält, sondern gegenteilig Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen und das gesellschaftliche Klima kippt.
Etwas, das die schrecklichen Anschläge der 90er Jahre und die derzeitigen gemein haben: Die Sichtbarkeit des gravierenden polizeilichen wie behördlichen Versagens, ob durch fehlerhafte Ermittlungen, durch Vertuschung von Beweisen oder direkte Verstrickungen. Das zeigte sich auch bei den Anschlägen des NSU, denen neun Menschen zum Opfer gefallen sind, und zu denen erst vor Kurzem neue Hinweise auf Verbindungen des Verfassungsschutz mit dem NSU Komplex aufgedeckt wurden. Polizeiliches wie behördliches Fehlverhalten zeigen sich aber auch in aktuelleren Beispielen wie in Halle, als 2019 zwei Menschen von einem Rechtsextremen getötet wurden, dem Attentat von Hanau 2020, als wieder ein Mann mit rechtsextremen Motiven neun Menschen tötete und zuletzt auch bei dem Fall in Solingen, welcher starke Parallelen zum Anschlag vor 30 Jahren aufweist.
Eines liegt auf der Hand, die Polizei ist nicht unser Freund und Helfer. Ganz im Gegenteil, sie ist nicht nur ein Instrument der Herrschenden, sie ist auch durchsetzt von Nazis, Rechtsextremen und Rassisten. Sie sorgen nicht nur durch schlechte Ermittlungen und das Vorenthalten von Informationen für Misstrauen, sondern befeuern regelmäßig selbst durch Chatgruppen, in welchen Polizeibeamt:innen rechtsextreme Materialien verbreiten, kurzfristige Skandale. Doch dabei bleibt es nicht, denn auch vor gezielter Gewalt, häufig gegen migrantische und nicht weiße Personen, schrecken sie nicht zurück, wie anhand der Palästina-Proteste deutlich wurde. Aber selbst da hört es nicht auf: Immer wieder machen Schlagzeilen die Runde, in denen Menschen von Polizist:innen ermordet werden. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Fall Oury Jalloh, dessen Ermordung nach wie vor nicht aufgeklärt ist. Aber auch weitere Beispiele, wie der Fall des 16 Jährige Mouhamed Lamine Dramé, der von Polizisten erschossen wurde, beweisen, dass auf die Polizei kein Verlass ist. All diese „Einzelfälle“ sind Teil eines größeren Systems, welches auf Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und rechter Hetze basiert.
Angriffe von Rechts werden zunehmen
Auf rechte Hetze und zunehmenden Rassismus, sowie Frauen- und Queerfeindlichkeit, müssen wir uns in Zukunft jedoch immer mehr gefasst machen.
Mit der neuen Regierung und März als Kanzler werden wir wohl die rechteste Regierung unserer bisherigen Lebenszeit miterleben. Rechtsextreme fühlen sich immer wohler und die AfD ist beliebter denn je.
Die ersten Bewegungen in Richtung des Rechtsruck wurden bereits gemacht. Die anstehende Aufrüstung, die Genehmigung der Kriegskredite und die damit einhergehenden Kürzungen geben uns schonmal einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird.
Zunehmende Polizeigewalt wird ein weiterer Ausdruck des Rechtsruck und des Militarismus werden. Die Polizei wird im Zuge der Aufrüstung deutlich härter bei Protesten vorgehen, versuchen so die Massen ruhig zu halten und so gewaltsam Konformität mit dem Vorgehen des Staates fordern. Repressionen gegenüber uns Linken werden im Zuge der Aufrüstung ebenfalls zunehmen.
Aber anders als die Aufrüstung und die zunehmende Polizeigewalt uns vielleicht vorgaukeln mögen, steht der Hauptfeind im eigenen Land. Und es sind nicht die Migrant:innen oder Queers. Es sind der Staat und das Kapital, die einzig ihre Interessen und ihren eigenen Profit im Sinn haben und diesen durch Schutz der Polizei durchsetzen möchten.
Nur gemeinsam sind wir stark
Wir können und dürfen uns also nicht auf die Polizei verlassen. Durch ihr Vorgehen in Solingen haben sie dies wieder einmal bewiesen.
Wir müssen in Zeiten des Rechtsruck und der Aufrüstung umso mehr auf Selbstschutz und Selbstorganisation setzen. Nur gemeinsam als Klasse, als Zusammenschluss von Arbeiter:innen, Studierenden und der Jugend, können wir gegen den aufsteigenden Rechtsextremismus und Faschismus kämpfen.
Wir müssen gegen Aufrüstung, Krieg und Rechtsruck auf der Straße und damit einhergehend gemeinsam gegen die Polizei kämpfen!