Brandanschlag auf Jüdische Gemeinde in Berlin: Schützt die Polizei?

19.10.2023, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Shutterstock.com / Werner Spremberg

In Berlin wurde ein Brandanschlag auf eine jüdische Gemeinde verübt. Tage zuvor wurden in Dortmund bereits Häuser mit Davidsternen gekennzeichnet. Von wem die Angriffe ausgehen, ist derzeit unklar. Ungeachtet dessen sind antisemitische Angriffe zu verurteilen.

Während die Stimmung um den Krieg in Nahost hierzulande hochkocht, gibt es auch eine Häufung antisemitischer Angriffe. Gestern haben Unbekannte Molotowcocktails auf eine jüdische Gemeinde in Berlin geworfen. Das Haus geriet glücklicherweise nicht in Brand, verletzt wurde nach Polizeiangaben niemand. Tage zuvor sind antisemitische Schmierereien in Berlin entdeckt worden. In Deutschland erschreckenderweise nichts Ungewöhnliches. Diese Angriffe sind Fortführungen der Bombendrohungen in Flensburg und des Anschlag von Halle.

Der Antisemitismus ist kein Verbündeter im Kampf für ein befreites Palästina

Dass reaktionäre Kräfte jetzt jüdisches Leben, jüdische Einrichtungen und Symbole angreifen, ist kein Zufall. Sie sind auch keine Verbündeten im Befreiungskampf für Palästina – sie sind Antisemit:innen. Sie begehen den Fehler, Jüd:innen mit der Politik Israels gleichzusetzen. Doch der Staat Israel und der Zionismus müssen getrennt von Jüd:innen betrachtet werden.

Die Auffassung, Nationalstaaten als Repräsentanten der Völker zu betrachten, ist banal. Der Denkfehler besteht darin, dass die Bevölkerung nicht “eins” ist, sondern aus sich gegenüberstehenden Klassen besteht. Jeglicher kapitalistische Staat geht als Produkt dieser Gegensätzlichkeit hervor, als eine besondere Formation zur Unterdrückung der einen Klasse. Regierungen drücken also nicht die wachsende “Zivilisation” der Bevölkerungen aus, sondern den Grad ihres Klassenkampfes. Es ist falsch, an der Regierung Netanyahus die “Reife” der jüdischen Bevölkerung zu messen. Ebenso ist es falsch, die palästinensische Bevölkerung auf den Islamismus zu reduzieren.

Wenn jetzt aus Protest gegen den zionistischen Staat, Synagogen und jüdische Gemeinden, die keine Einrichtungen des zionistischen Staates sind, angegriffen werden, muss geschlossen dagegen gekämpft werden. Denn sie sind Teil des jüdischen Lebens in Deutschland. Solche Aktionen schüren nur Hass auf die jüdische Bevölkerung.

So fundamental es ist, sich gegen den zionistischen Siedlungskolonialismus und für die Befreiung des palästinensischen Volkes einzusetzen, genauso zentral ist es, dem Antisemitismus nicht mal den kleinen Finger zu geben. Der konsequente Kampf gegen den Antisemitismus steht in untrennbarer Beziehung zum Kampf für ein freies Palästina.

Der Antisemitismus kommt von Rechts

Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass Faschist:innen und Rechtsradikale die aktuelle Situation ausnutzen und die Stimmung weiter anheizen. Selbst das Bundesministerium für Inneres und Heimat und das Bundeskriminalamt ordnet für das Jahr 2022 über 80 % der antisemitischen Straftaten Rechten zu. Stattdessen werden die Bilder dieses Anschlags genutzt, um die rassistische Repression weiter zu verschärfen. Die Sonnenallee in Berlin wird rund um die Uhr überwacht, Demonstrationen und Versammlungen in Solidarität mit Palästina werden verboten und das racial profiling nimmt neue Ausmaße an.

Der Schock über den erstarkenden Antisemitismus in der Politik ist unbegreiflich. Statt nach den Ursachen im starken Ruck nach rechts, in der Asyldebatte oder in den Erfolgen der AfD in Landtagswahlen zu suchen, wird er zu einem internationalen, „importierten“ Problem des islamistischen Terrors gemacht. Die antisemitische Position der Hamas ist unbestreitbar, dagegen helfen jedoch schärferer Rassismus, Demoverbote und die Polizei im Allgemeinen nicht. Die Polizei schützt keine Minderheiten wie Jüd:innen, auch wenn sie das vorgibt. Das zeigen die kürzlich veröffentlichten Chats der Frankfurter Polizeigruppe “Itiotentreff”, die nur eines von unzähligen solcher Netzwerke in den Sicherheitsbehörden darstellen. Stattdessen konzentriert der Staat seine Kraft auf die Verschärfung des Asylregimes, die innerere Militarisierung, auf das Ignorieren rechter Chatgruppen in der Polizei und bereitet so weiteren Angriffen den Weg.

Der Schock über die rassistische Hetze gegen palästinasolidarische Migrant:innen bleibt hingegen aus. Die Polizei steht seit fast zwei Wochen an allen Ecken migrantischer Viertel in Berlin und kontrolliert willkürlich Menschen, die Kufiyas tragen oder auch nur “migrantisch aussehen”. Teilweise werden sie festgenommen. Gestern Nacht explodierte die angestaute Wut der Anwohner:innen und es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Die Polizei schützt weder Migrant:innen noch Jüd:innen vor rechten Angriffen. Sie sind selbst ein rechter Staatsapparat, der rassistische Macht ausübt.

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