#BoycottGorillas – Vereint kämpfen gegen Union Busting und Ausbeutung

16.11.2021, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Simon Zamora Martín

Flyer von Klasse Gegen Klasse zur Demonstration der Gorillas-Beschäftigten am heutigen 16.11. um 17 Uhr. Organisiert euch mit uns und kommt zum Offenen Treffen von Klasse Gegen Klasse am 24.11. um 18 Uhr!

Die Gorillas-Beschäftigten kämpfen seit Monaten gegen ihre elenden Arbeitsbedingungen: systematischer Lohnraub, ungenügende Ausrüstung, viele Unfälle und nur befristete Verträge. Das Management verstößt systematisch gegen das Arbeitsrecht und nutzt die prekäre Situation der meist migrantischen Beschäftigten aus. Um bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen und Gorillas zu zwingen, traten die Beschäftigten immer wieder in wilde und auch politische Streiks. Das Unternehmen antwortet skrupellos: von massenhaften Kündigungen der am Streik Beteiligten, bis hin zum Versuch, die Betriebsratswahlen verbieten zu lassen.

Diese schlechten Bedingungen und die Gegenwehr des Unternehmens existieren jedoch nicht nur bei Gorillas. Viele Menschen müssen unter prekären, unsicheren Bedingungen arbeiten, zu miesen Löhnen, mit Kettenbefristung, in Teilzeitstellen oder gleich in mehreren Minijobs nebeneinander. Die Grundlage dafür: Vor 20 Jahren leitete eine rot-grüne Bundesregierung mit der „Agenda 2010“ den größten Angriff auf Arbeiter:innenrechte seit dem Zweiten Weltkrieg ein. Die „Flexibilisierung“ der Arbeit ist jedoch nur eine Flexibilisierung im Interesse der Unternehmen.

Wir Arbeiter:innen halten die Gesellschaft am Laufen. Wir versorgen sie mit Lebensmitteln, halten die Krankenhäuser sauber, versorgen die Alten, und produzieren alle Güter, die die Menschheit braucht. Zum Beginn der Pandemie wurden wir beklatscht, gleichzeitig müssen wir zu immer prekären Bedingungen arbeiten. Aber die Unternehmen und der Staat wollen uns spalten, in Festangestellte und Leiharbeiter:innen, prekäre und Bessergestellte, Migrant:innen und Deutsche, Männer und Frauen und so weiter. Wenn wir uns auf diese Spaltung einlassen, schwächen sie unsere Kampfkraft. Unsere Antwort darauf muss sein: Gemeinsam kämpfen, gemeinsam siegen! La clase obrera es una y sin fronteras! An injury to one is an injury to all! İşçilerin birliği sermayeyi yenecek!

Die Geschichte der Arbeiter:innenbewegung in Deutschland kennt nicht nur Niederlagen, sondern auch großartige Siege, die gegen den Widerstand der Gewerkschaftsbürokratie errungen worden sind. Zwischen den Jahren 1969 und 1973 haben sich insgesamt 300.000 Arbeiter:innen und DGB-Mitglieder an Wilden Streiks teilgenommen, die sich gegen die sozialpartnerschaftlichen Lösungen der Gewerkschaftsführung richteten.

Ein wichtiges Beispiel aus dieser Zeit ist der Streik beim Autozulieferer Pierburg in Neuss, bei dem 3.000 Beschäftigte arbeiteten – 70 Prozent waren die sogenannten “Gastarbeiter:innen”, unter ihnen vor allem migrantische Frauen, die in der niedrigsten Lohngruppe beschäftigt waren. Sie waren es auch, die zuerst anfingen zu streiken. Sie forderten gleichen Lohn für gleiche Bedingungen und eine Mark für alle. Innerhalb einer Woche hatten sie gewonnen. Der Grund war, dass sie es geschafft hatten, auch ihre bessergestellten Facharbeiter:innen im Betrieb, die in der IG Metall organisiert waren, für den Streik zu gewinnen und an die IG-Metall-Führung die Forderung aufgestellt hatten, sich hinter ihrer Streiks zu stellen. Nicht nur konnten sie dadurch den gesamten Betrieb lahmlegen, sondern auch gegen die rassistische Spaltung und Unterdrückung innerhalb des Betriebes kämpfen, die die migrantischen Arbeiter:innen benachteiligt. Da lag eben der Schlüssel des Kampfes: die gesamte Arbeiter:innenklasse anhand gemeinsamer Forderungen gegen die Bosse zu mobilisieren.

Auch heute brauchen wir gegen das rassistische Arbeits- und Migrationsregime eine Antwort der gesamten Klasse. Wir müssen dafür kämpfen, die gesamte Arbeiter:innenschaft und die Gewerkschaften für den Stopp aller Abschiebungen, ein Ende des staatlichen Rassismus, gegen die Polizeigewalt und für sichere Aufenthaltsbedingungen für alle Menschen zu gewinnen!

Die neue Ampel-Regierung kündigt an, dass sie die Arbeitszeit verlängern und das System der Minijobs und Prekarisierung noch weiter ausbauen wollen. Ebenfalls wollen sie die Deutsche Bahn und weitere Betriebe privatisieren, neue Kürzungen in Bildung und Gesundheit durchführen, um die Schulden der Krise zu zahlen. Ebenfalls wollen sie weiter aufrüsten, Militärinterventionen im Ausland durchführen und unsere migrantischen Kolleg:innen abschieben.

Um diese massiven Angriffe zu stoppen, brauchen wir mehr als einzelne Streiks in kleinen Betrieben. Wenn Arbeiter:innen bei Gorillas streiken, müssen die Kund:innen eben in den Supermarkt laufen. Doch wenn die Bahn streikt, steht das ganze Land still. Wenn die Krankenhäuser streiken, wird das gesamte Gesundheitswesen gelähmt. Um in prekären Bereichen wie bei Gorillas Kämpfe wirklich zu gewinnen, und vor allem um politische Forderungen wie die Verkürzung der Arbeitszeit oder die Abschaffung der Befristungen durchzusetzen, brauchen wir deshalb den Schulterschluss mit den Arbeiter:innen strategischer Sektoren: der Logistik, der Daseinsvorsorge, der zentralen Bereiche der Wertschöpfung wie Metall- und Elektroindustrie. Wir brauchen die Mehrheit der arbeitenden Massen, die sich in Deutschland zu großen Teilen in den DGB-Gewerkschaften befinden und alle Sektoren in diesem Land ansprechen können, die Vorhaben der Kapitalist:innen und Herrschenden zurückzuschlagen!

Vor einer solchen Einheit gibt es auch Hürden, nämlich die Führung unserer DGB-Gewerkschaften, die Gewerkschaftsbürokratie. Nicht nur weigern sie sich, den Kampf in prekären Sektoren wie bei Gorillas bis zum Ende zu unterstützen, sondern sie verhindern auch, dass wir als gesamte Klasse Angriffe abwehren können, wie zum Beispiel bei den Hartz IV Reformen. Es ist strategisch notwendig, Millionen von Arbeiter:innen, die in DGB-Gewerkschaften organisiert sind, für diesen Kampf gegen die Regierung und die Angriffe der Konzerne zu gewinnen. Unsere Organisierung muss jedoch über die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter:innen hinausgehen: Nicht-Gewerkschaftsmitglieder, Arbeitslose und Menschen ohne Papiere müssen ebenfalls für den Kampf gewonnen werden!

Um die Kampfkraft der Gewerkschaften zu nutzen, müssen wir selbst demokratisch über unsere Kämpfe bestimmen. Wir brauchen Streikversammlungen in den Betrieben, übersektorale Koordinationskomitees in der Basis, um einen gemeinsamen Kampfplan gegen diese Angriffe zu erstellen, um Versuche der Gewerkschaftsführung, unsere Kämpfe zu sabotieren, abzuwehren und gemeinsam zu streiken.

Wir sagen:

Für eine große Kampagne zur Wiedereinstellung aller gefeuerten Rider und zur Durchsetzung von allgemeinverbindlichen Tarifverträgen bei Plattformunternehmen wie Gorillas – aber auch bei Lieferando, Flink, Amazon und wie sie alle heißen, wo sich ebenfalls Beschäftigte seit Jahren organisieren. Ein Erfolg bei Gorillas gegen Kündigungen, Union Busting und Prekarisierung hätte enorme Ausstrahlung für andere Kämpfe unserer Klasse.

Wir fordern die großen DGB-Gewerkschaften dazu auf, ihre Streiks mit dem Kampf bei Gorillas zu verbinden. Wir kämpfen dafür, dass die Gorillas-Kolleg:innen den Schulterschluss mit den hunderttausenden Beschäftigten des öffentlichen Dienstes suchen, die gerade im Streik sind. Für eine Kampfeinheit der gesamten multiethnischen Arbeiter:innenklasse gegen die kommenden Angriffe der Regierung und Kapitalist:innen auf Arbeiter:innen und Migrant:innen!

In den kommenden Kämpfen wird entschieden, ob wir die Krise bezahlen oder die Kapitalist:innen. Wir brauchen eine unabhängige revolutionäre Partei der gesamten Arbeiter:innenklasse, der Migrant:innen, der Frauen und Queers und aller Unterdrückten, die sich gegen die Sabotage der reformistischen Führungen und Bürokratien organisiert und  in unterschiedlichen sozialen Bewegungen für eine sozialistische Perspektive der Arbeiter:innen kämpft.

Genauso, wie Gorillas und andere Lieferdienste sollten auch Krankenhäuser oder jeder andere Betrieb unter der Kontrolle ihrer Beschäftigten sein. Sie sollten für die Bedürfnisse der Menschen produzieren, nicht für Profite. Wir wollen weltweit die gesamte gesellschaftliche Produktion und Reproduktion unter der Kontrolle der Arbeiter:innen! Für eine sozialistische Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung!

Offenes KGK Berlin Treffen

Diese Perspektive möchten wir als Klasse gegen Klasse Berlin gemeinsam mit euch am 24.11. um 18 Uhr bei einem Offenen Treffen im Versammlungsraum des Mehringhofs (Gneisenaustraße 2a, 2. Hinterhof, U6/U7 Mehringdamm) diskutieren. Das Treffen wird hybrid stattfinden, also man kann sich auch online hinzuschalten (hier gehts’s zum Zoom-Link).

Das nächste offene Treffen der Boykott-Gorillas Kampagne findet am 28.11. um 14 Uhr im Haus der Demokratie (Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin) statt.

Klasse Gegen Klasse wird herausgegeben von der Revolutionären Internationalistischen Organisation und ist Teil des Internationalen Linken Zeitungsnetzwerks La Izquierda Diario, das von den Organisationen der Trotzkistischen Fraktion für den Wiederaufbau der Vierten Internationale herausgegeben wird.

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