Botanischer Garten: Alle Techniker bleiben!
Die Uni-Leitung hat zwei Techniker des Botanischen Gartens Berlin in andere Bereiche versetzt. Die Beschäftigte werfen der Uni-Leitung den Bruch der Arbeitsvereinbarung vor.
An einem normalen Freitag würde Herbert Molke, Techniker am Botanischen Garten in Steglitz, vielleicht die Heizungsanlage im großen Tropenhaus kontrollieren. Doch am vergangenen Freitag saß er, zusammen mit einem Dutzend weiterer Kollegen, im Clubhaus der Freien Universität. Molke, der in Wirklichkeit anders heißt und seinen richtigen Namen aus Angst vor Nachteilen nicht in der Zeitung lesen möchte, verfolgte die Debatte beim Kuratorium, einer Art Aufsichtsrat für die Universität. Wissenschaftler und Politiker diskutierten über Haushaltspläne und Posten – und auch über Molkes Arbeitsplatz.
„Überwiegend“ – um diesen einen Begriff dreht sich ein Streit. Zu Beginn des Jahres wurde eine Tochterfirma am Botanischen Garten in die FU eingegliedert. Dabei sollten die acht Techniker des Gartens „überwiegend“ weiter im Garten tätig sein. So hatte es das Kuratorium vor einem Jahr beschlossen. Aber zum 1. November wurden zwei von ihnen gegen ihren Willen aus dem Garten abgezogen und in anderen Bereichen der Hochschule eingesetzt. Die Beschäftigten des Botanischen Gartens hatten jahrelang für die Wiedereingliederung gekämpft. Früher verdienten sie bis zu 40 Prozent weniger als Kolleg*innen, die direkt bei der Uni angestellt werden. Nach zwei Jahren Arbeitskampf wurde die Tochterfirma aufgelöst. Alle werden nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt. Über die Jahre waren die aktiven Beschäftigten immer wieder beim Kuratorium zu Gast.
Am Freitag mussten sie erst mal warten. Die Sitzung lief über zwei Stunden, bevor man zum letzten, zehnten Punkt auf der Tagesordnung kam. Keine fünf Minuten dauerte die Diskussion. „Wir dürfen uns nicht mit dem operativen Geschäft auseinandersetzen“, so Jörgen Zöllner (SPD), ehemaliger Berliner Bildungssenator und Vorsitzender des Gremiums.
Die Universität, vertreten durch die Kanzlerin Andrea Bör, argumentiert dass die acht Techniker weiterhin „überwiegend“ am Garten seien, da nur zwei versetzt wurden. Doch Jana Seppelt von der Gewerkschaft ver.di hatte vorher in einer Erklärung deutlich gemacht, dass vereinbart worden war, „dass jeder einzelne Beschäftigte des Technikservices überwiegend mit Tätigkeiten für den Botanischen Garten zu betrauen ist“. Auf der Sitzung sagte Zöllner: „Das kann niemand gemeint haben.“ Die Vertreter des Personalrats und der Studierenden meinten, dass sie das sehr wohl gemeint hätten.
So viel Streit um die Frage, ob ein Techniker im Botanischen Garten seinen Dienst hat, oder ein paar Kilometer weiter bei der FU in Dahlem?
Dieser Konflikt hat eine Symbolkraft weit über die Hochschule hinaus. Viele Berliner Landesunternehmen haben Tochterunternehmen, die außerhalb der Flächentarifverträge arbeiten und Niedriglöhne zahlen. „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ war die Losung zahlreicher Arbeitskämpfe an Berliner Krankenhäusern und Museen – doch bisher haben nur die Arbeiter*innen vom Botanischen Garten eine komplette Wiedereingliederung erkämpft. Soll diese kompakte und kampferfahrene Belegschaft auseinandergejagt werden? Die Beschäftigten vermuten: Das soll ein Dämpfer auch für andere Belegschaften sein. Zur Zeit kämpfen die Physio- und Ergotherapeuten an der Charité – ebenfalls in einer Tochterfirma mit Niedriglöhnen – für die Einführung des Flächentarifvertrages.
Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach, der den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) im FU-Kuratorium vertritt, hatte sich vor einem Jahr sehr stark für diesen Beschluss eingesetzt. Im Abgeordnetenhaus versicherte er, der Senat werde „darauf achten“, dass er eingehalten wird. In der Sitzung am Freitag meinte er jedoch: „Das ist nicht Aufgabe des Kuratoriums.“ Gegenüber dem Neuen Deutschland ergänzte er: „Ich gehe davon aus, dass der Beschluss von beiden Partnern umgesetzt und es eine einvernehmliche Lösung geben wird.“ Sobald es in der Sache zu einer Einigung von Hochschulleitung und Personalrat gekommen ist, kündigte Krach außerdem eine Rechtsprüfung durch den Senat an.
Die Kolleg*innen hatten mehr als zwei Stunden gewartet. Molke zeigte sich enttäuscht, er hatte sich mehr Unterstützung von der SPD im Senat erhofft. Daher schießt er draußen vor der Treppe ein Protestfoto. „Kuratoriumsbeschluss einhalten!“ steht auf dem Bild auf gelben Schildern.