Bosse vor Pflegekräften: Impfskandale in Deutschland
In Deutschland nutzen Politiker:innen und Bosse ihre Macht und finanziellen Mittel, um sich vorzeitig Impfungen zu sichern. Währenddessen hat Südafrika keinen Zugang zu dem Impfstoff, der am wirksamsten gegen die dort verbreitete Virusmutation wäre.
Kurze Zeit nach Beginn der Impfkampagne in Deutschland werden immer mehr Fälle bekannt, bei denen sich Personen durch ihre Position oder durch finanzielle Mittel Impfungen sichern und somit die festgelegte Impfreihenfolge unterwandern. So gab es schon in Niedersachsen, Hamburg, Sachsen Anhalt und Nordrhein Westfalen viele Negativbeispiele:
So verschafften sich beispielsweise die Manager des Klinikums Hannover in hausinternen Impfaktionen Zugang zu den knappen Impfstoffen, ohne überhaupt Kontakt zu Patient:innen zu haben. Der Geschäftsführer des Klinikverbundes Aurich-Emden-Norden, ließ sich noch vor Pflegekräften und Ärzt:innen impfen und kann trotz dieses offensichtlichen Missbrauchs seiner Macht seine Position behalten. In Sachsen Anhalt, wurden neben Kommunalpolitiker:innen, wie dem Oberbürgermeister von Halle und andere Stadtratsmitgliedern, auch 320 Polizist:innen geimpft – obwohl sie laut der Prioritätenliste erst später zur Impfung berechtigt gewesen wären. Auch ein Politiker der Partei Die Linke, Jürgen Dannenberg der Landrat von Wittenberg, zählt zu denen, die sich dem Impfplan widersetzen – ein weiteres Beispiel, dass die Partei, ihre Politik und Vertreter:innen nicht links, sondern Mitwirkende der kapitalistischen Machterhaltung und Ausbeutung sind und als Teil der herrschenden Klasse ihre Macht zum eigenen Zweck ausnutzen.
Obwohl die Prioritätenverteilung für die Impfstoffe durchaus kritisiert werden kann – zum Beispiel sind viele Menschen, die in Krankenhäusern tätig sind, Kontakt mit Infizierten haben aber keine Pflegekräfte oder Ärzt:innen sind nicht in der Prioritätengruppe 1 – zeigt die Missachtung dieser Reihenfolge durch die Reichen und Mächtigen der herrschenden Klasse erneut die bittere Realität des Kapitalismus in der Coronakrise: Schutz für die, die Geld haben. Anstatt nach Bedarf orientiert sich dieses System nunmal vorrangig nachden Prinzipien von finanziellen Mitteln und Macht. Das zeigt sich auch international.
In der Woche, in der Deutschland über Lockerungen des Lockdowns diskutiert, will Südafrika die Impfungen mit dem Impfstoff von AstraZeneca wegen mangelnder Wirksamkeit gegen die Südafrikanische Coronamutation einstellen. 90% der Coronaansteckungen werden dort durch die Mutation verursacht. Doch der Impfstoff von Biontech, der zum jetzigen Stand am ehesten sowohl gegen die südafrikanische als auch die britische Mutation wirkt, wird dort vorerst nicht ankommen. Laut einer Laborstudie (die noch einer Klinikstudie bedarf) scheint es so, als würde der Impfstoff des deutschen Herstellers nicht nur gegen die ursprüngliche Form des Virus, sondern auch gegen die sich rasant verbreitenden Mutationen wirken. Doch zugänglich für die, die ihn brauchen, ist er bei weitem nicht. Am 29. Januar hat die EU die Ausfuhr von in der Europäischen Union produzierten Impfstoffen in andere Gemeinschaftsgebiete als den 27 Mitgliedsstaaten verboten.
Es ist absolut wichtig, dass genug Impfdosen für Menschen aus hohen Prioritätengruppen und Risikogruppen vorhanden sind, um diese vor einem Tod durch das Virus zu schützen. Doch sich weitaus mehr Impfdosen zu sichern, als es für die gesamte Bevölkerung bräuchte und damit willentlich Menschen aus Risikogruppen in anderen Ländern dem Tod auszuliefern, ist ein Ausdruck des zutiefst imperialistischen Gesichts der EU. Vor allem passiert dies, ohne die Patentrechte und Produktionsweise von Pharmakonzernen in Frage zu stellen. Der Grund für die Überakkumulation von Impfstoffen ist nämlich Spekulation über die fehlende Wirksamkeit einiger Vakzine, die der Auflösung von Patentrechten und der Bereitstellung der wirksamsten Mittel für Alle vorgezogen wird. Konzerne handeln mit zukünftigen Impfstoffen bevor die Produktion überhaupt begonnen hat. Sie sind darauf bedacht, stetig ihr Kapital zu vermehren und konkurrieren um Märkte mit anderen Konzernen – mit dem Impfstoff als einer Ware, die täglich über Leben und Tod entscheidet. Das bittere Resultat dieser Kommodifizierung ist, dass die ärmsten Teile der Weltbevölkerung noch weit über 2021 hinaus auf eine Impfung warten müssen.
Um die Verteilung des Impfstoffes nach Bedarf und nicht nach Reichtum zu gewährleisten, muss die Impfstoffvergabe durch unabhängigen Komitees mit Beteiligungen von Gewerkschaften und gewählten Delegierten überprüft werden. Wenn sie weiterhin in den Händen der Bürokratien des kapitalistischen Staats bleibt, wird die Profitgier der herrschenden Klasse jeden Tag weitere tausende Menschenleben kosten.
Im Statement der Trotzkistischen Fraktion- Vierte Internationale (FT-CI) zeigten wir zudem, wie die Aufrechterhaltung von Patenten die Impfstrategie global gefährden könnte:
Der monopolistische Besitz von Impfstoffpatenten durch wenige kapitalistische multinationale Konzerne trägt zu extrem grausamen Ungleichheiten in der Verteilung bei und bedeutet zusätzlich, dass die Pandemie schwerer auszurotten sein wird. Denn durch ein Scheitern der Impfpläne, oder beim Ausbleiben der Impfung für Großteile der Weltbevölkerung könnten weitere Virusmutationen auftreten, die eventuell gegen die eingesetzten Impfstoffe resistent sind – dies könnte ein Scheitern der Bekämpfung der Pandemie auf globaler Ebene verursachen.
Die Patente für den Impfstoff sind private Aneignung eines Gemeinguts und obwohl die Entwicklung einiger Impfstoffe durch öffentliche Gelder finanziert wurde, bleiben die Patente (und Profite) in privaten Händen. Die Patente müssen abgeschafft und die Unternehmen im Gesundheitssystem unter Arbeiter:innenkontrolle verstaatlicht werden – Um ein System aufzubauen, welches die Gesundheit von allen vor die Profite von wenigen stellt.