Bolsonaro, Hoffnungsträger der deutschen Wirtschaft
In Brasilien greift ein neuer Präsident die Errungenschaften der Arbeiter*innen an. Dabei wird er von deutschen Wirtschaftsinteressen und der Untätigkeit einer verräterischen Gewerkschaftsführung gestützt.
Am vergangenen Dienstag, den 1. Januar, wurde Jair Bolsonaro offiziell zum 38. Präsident Brasiliens gekürt, nachdem er in einer vollständig manipulierten Wahl im Rahmen des institutionellen Putsches gewählt wurde. Zuvor war die Kandidatur von Lula – der einzige Kandidat, der in der ersten Runde hätte gewinnen können – verboten und Lula selbst ins Gefängnis gesteckt worden. Der institutionelle Putsch in Brasilien konsolidierte sich so mit der Übergabe der Präsidentenschärpe an Bolsonaro durch Putschisten Temer.
Teil dieser Operette wurde auch die deutsche Bundesregierung als Stellvertreterin der Interessen der deutschen Konzerne und Unternehmen. „Sehr geehrter Herr Bolsonaro, zu Ihrer Wahl zum Präsidenten der Föderativen Republik Brasilien sende ich Ihnen meine Glückwünsche. (…) Für die Bewältigung Ihrer Aufgaben wünsche ich Ihnen eine sichere Hand, viel Kraft und Erfolg“, gratulierte Merkel Jair Bolsonaro zu seiner Wahl zum Präsidenten. Donald Trump seinerseits beglückwünschte ihn via Twitter, die Deutsche Bank bejubelte ihn als den „Wuschkandidaten der Märkte“, die Finanzmärkte schossen nach oben, der Bovespa-Index, Brasiliens führender Aktienindex, erreichte Rekordhöhen, und der brasilianische Real legte gegenüber dem Dollar zu.
Bolsonaro würdigt das Schulterklopfen mit an die Unternehmer*innen und imperialistischen Freund*innen gerichteten Versprechen. So verspricht er die Gewinne der Unternehmen zu maximieren und die Last der Krise auf die Schultern der Lohnabhängigen abzuwälzen. Zudem versichert er der USA einen dauerhaften Militärstützpunkt auf brasilianischem Boden, sowie die Verlegung der brasilianischen Botschaft in Israel nach Jerusalem.
Eine „sichere Hand“ wünscht sich die Bundesregierung, denn Brasilien ist das einzige Land in Lateinamerika, mit dem die Bundesregierung eine strategische Partnerschaft unterhält und seit 2015 auch bilaterale Regierungskonsultationen durchführt. Deutsche Konzerne und Unternehmen exportieren Waren im Wert von knapp zehn Milliarden Euro nach Brasilien, insbesondere chemische Produkte, Maschinen, Fahrzeuge und Autoteile. „Heute sind in Brasilien über 1.400 deutsche Unternehmen aktiv. Sie erwirtschaften ca. zehn Prozent der industriellen Wertschöpfung. Allein in São Paulo befinden sich über 800 deutsche Unternehmen, die mehr als 250.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. São Paulo ist damit der größte deutsche Industriestandort außerhalb Deutschlands.“
Wichtige Gründe also, um sich eine sichere Hand und Kraft seitens Bolsonaro zu wünschen. Die Vertreter*innen des deutschen Kapitals wissen, dass die Gegenreformen von Bolsonaro auf eine tiefgreifende Umstrukturierung der Klassenverhältnisse in Brasilien abzielen. Dies soll, laut Carlos Vegh, Chefökonom der Weltbank in Lateinamerika „den Weg für ein nachhaltiges und integratives Wachstum ebnen“. Deutsche Konzerne versprechen sich Milliardengeschäfte auf Kosten der Lohnabhängigen in Brasilien, und vor dem Hintergrund der wachsenden globalen Ambitionen des deutschen Kapitals sehen deutsche Konzerne die Wahl von Bolsonaro und seine unternehmensfreundliche Politik als ein Sprungbrett, um im lateinamerikanischen Markt wichtige Positionen zu erobern.
Mit der – von der Bundesregierung so gewünschten – sicheren Hand verkündete Bolsonaro mit seinem ersten Dekret die Senkung des Mindestlohns. Dies ist eine wahre Katastrophe für die Lohnabhängigen in Brasilien, denn der Mindestlohn fungiert als Boden für alle angemeldeten ArbeiterInnen und für die Renten.
Eine „sichere Hand“ wird er auch haben müssen, um erfolgreich seine Agenda durchzusetzen. Diese sieht die Senkung der Renten, die Verscherbelung der natürlichen Ressourcen des Landes, die Privatisierung mehrerer großer Staatsunternehmen und den Angriff auf die einzelnen Arbeits- und Sozialrechte vor, sowie die bereits genannte Verringerung des Mindestlohns, der bereits zuvor nur eine elende Existenz zuließ.
Bolsonaros Glück besteht einerseits in seinen neuen Freund*innen vom neuen und alten Kontinent, aber auch aus den Reihen der Arbeiter*innenbewegung. Die Gewerkschaftsbürokratie des Gewerkschaftsverbandes CUT, von der PT dominiert, hat bisher alles unternommen, um untätig zu bleiben. Sie wurden nicht aktiv, als Lula widerrechtlich ins Gefängnis gesteckt wurde, und bleiben inaktiv angesichts dieser und weiterer angekündigter Maßnahmen. Mehr noch, ihre Politik bringt sie dazu, Bolsonaros Wahl zu legitimieren, und somit den parlamentarischen Putsch von Temer zu bestätigen. „ArbeiterInnen stimmten für Bolsonaro. Die CUT wird die Regierung für Verhandlungen aufsuchen. (…) Das, was wir machen wollen, ist es zweckmäßige Lösungen anzubieten. Wir wollen Oppositionskraft sein, mit Lösungsansätzen“.
Bolsonaro nutzt diese nicht unerwartete, aber hoch kriminelle Politik der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführungen dazu, die Rechte der brasilianischen Arbeiter*innen so schnell wie möglich zu beschneiden. Unterdessen flirtet er weiterhin mit Hassreden, Korruptionsbekämpfung und der Militarisierung von Regionen wie Ceará, um seine soziale Basis zu stärken. Bolsonaros Stärke liegt also im von den Gewerkschaftsführungen gewährten „sozialen Frieden“. Es liegt nun in den Händen der kämpferischen Sektoren, mit den verräterischen Arbeiter*innenführungen abzurechnen, um die Weichen für eine klassenkämpferische Politik zu stellen.
Der Zyklus der linken oder linksliberalen Regierungen, die zum Anfang der Jahrtausendwende die Geschäfte des kapitalistischen Staates verwalteten, mit den Einnahmen aus den Rohstoffverkäufen Sozialprojekte auflegten und die Armut relativierten, ist unwiederbringlich vorbei. Die verfaulende kapitalistische Gesellschaft bringt zunehmend neue Phänomen wie die von Bolsonaro, Salvini, Le Pen oder die AfD hervor.
Angesichts dieser Entwicklung kann der strategische Horizont nichts anders sein, als der Kampf der Arbeiter*innen, um die Staatsmacht, auf den Ruinen der kapitalistischen Gesellschaft.