Besetzung für den Frieden? Dem deutschen Staat ein Dorn im Auge
An der Humboldt-Universität zu Berlin findet in diesem Moment eine Besetzung gegen den anhaltenden Genozid in Gaza statt. Die Repression der Polizei ist enorm. Am Abend gab das Präsidium bekannt, die Besetzung vorerst zu dulden.
Am Mittwoch besetzten propalästinensische Studierende das Institut für Sozialwissenschaften an der Humboldt-Universtität (HU) in Berlin. Dazu nahmen circa 50 Studierende das Gebäude ein, errichteten Infotische und ließen ein Banner aus dem Fenster hängen. Darauf verkündeten sie die Umbenennung des Institutes nach dem Geflüchtetenlager Jabalia in Nordgaza in „Jabalia-Institut“. Sie fordern ein Ende des Völkermordes in Palästina, einen vollständigen akademischen und kulturellen Boykott Israels, den Schutz der akademischen Freiheit sowie einen Stopp der Repression gegen Studierende, die insbesondere pro-palästinensischen Protest betrifft. Zudem soll das koloniale Erbe Deutschlands als Wurzel der gegenwärtigen Zusammenarbeit mit dem anhaltenden Genozid anerkannt werden.
Schon vor etwa zwei Wochen besetzten Studierende mit ähnlichen Forderungen den Innenhof der FU Berlin. Weil seitdem keine der Forderungen erfüllt worden sind, besetzen nun seit dem heutigen Nachmittag hunderte propalästinensische Studierende das Institut für Sozialwissenschaften an der HU in Berlin.
Bereits kurz nach dem Beginn der Besetzung rückte die Polizei mit einer Hundertschaft an und räumte den Platz vor dem Institut mit brutaler Polizeigewalt, wo sich hunderte Studierende zur Unterstützung versammelt hatten. Schon wenige Minuten nach ihrem Eintreffen wurden Studierende aggressiv festgenommen, ein Aktivist wurde sogar bewusstlos geprügelt.
Das Gebäude wurde durch die Polizei und Security schnell abgeriegelt, um die solidarischen Studierenden und Arbeiter:innen von draußen vom Zutritt abzuhalten. Gleichzeitig verbarrikadierten Aktivist:innen die Eingänge von Innen mit Möbeln, um sich vor der Repression der Polizei zu schützen.
Dass die Unileitungen immer schneller bereit sind, brutale Polizist:innen auf ihre Studierende zu hetzen, hat nicht zuletzt die HU-Präsidentin Julia von Blumenthal selbst bei einem Sit-In vor dem Hauptgebäude der HU vor drei Wochen gezeigt. Damals wurde der Protest gewaltsam geräumt. Diesmal wurde die Besetzung von der Polizei brutal abgeschirmt, während die Unileitung hinter verschlossenen Türen mit einigen Besetzer:innen verhandelte. Vorerst darf die Besetzung nun bestehen bleiben, was ein großer Erfolg der Proteste ist. Nun muss öffentlich und demokratisch diskutiert werden, wie es weitergehen kann. Die Entscheidungen über Angebote und Taktiken sollten von allen Beteiligten gemeinsam getroffen werden.
Das sozialwissenschaftliche Institut der HU war schon vor einigen Jahren Schauplatz einer mehrwöchigen Besetzung, damals gegen die Kündigung eines Professors. Auch wenn sich die Gründe für die Besetzungen unterscheiden mögen, gilt es auch heute, über die Bedeutung und den Umgang mit Besetzungen zu diskutieren. Dabei muss das Ziel sein, eine schlagkräftige Studierendenbewegung für Palästina aufzubauen, die gestärkt durch solidarische Dozierende und Beschäftigte in die Offensive geht.
Die Universitäten sind Hochburgen bürgerlicher Ideologie. Anstatt die Forschung in den Dienste des gesellschaftlichen Fortschritts zu stellen, wie von den Studierenden der Besetzung und vergangener Proteste gefordert, produzieren sie Forschung im Dienste des deutschen Imperialismus und geben sie an die nächste Generation wissenschaftlichen Personals weiter. Diese Ideologie lässt sich in allen zentralen Bereichen des öffentlichen Lebens wiederfinden – umso mehr ist die kleine Flamme der studentischen und professoralen Selbstorganisation ein Dorn im Auge des Staates.
Zeugnis dafür ist die gewaltige Polizeirepression an den Campus an den die Komplizenschaft am Genozid angefochten wird, seien es die University of California (UCLA), Columbia, Universiteit van Amsterdam, die FU oder die HU. Jetzt gilt es für uns, diese zarte Flamme in ein loderndes Feuer zu verwandeln, dass das Netzwerk der genozidalen Terrors in Flammen aufgehen lässt.
Was wir jetzt brauchen ist eine Einheit der Studierenden mit den Beschäftigten und eine Ausweitung der Bewegung. Schon jetzt, nach dem offenen Brief der Lehrenden und der Kundgebung letzte Woche gegen die Repression an Universitäten, die von Dozierenden und Hochschulbeschäftigten unterstützt wurde, können wir sehen, wie wichtig die Solidarität von Lehrenden und Beschäftigten der Unis ist.
Genauso kommt es jetzt darauf an, dass der Refrat der HU eine Vollversammlungen einberuft, die als demokratische Institution aller Studierenden über die nächsten Schritte entscheidet. Die Forderungen der Besetzung und die Reaktion des Präsidiums betreffen alle Angehörigen der HU, besonders ihre Studierenden. Deshalb ist es nötig, dass sie in einer Versammlung, die allen HU-Angehörigen offen steht, frei diskutiert werden können. Auf diesem Weg kann die Palästinasolidarität außerdem mit Studierenden und Beschäftigten in Austausch kommen, die den Besetzungen bisher fernbleiben. Nur eine möglichst breite Solidaritätsbewegung kann den Genozid stoppen. Genau diese Kraft müssen wir jetzt aufbauen!