Beschäftigte in der Nahrungsmittelbranche fordern Angleichung von Ost und West

14.06.2016, Lesezeit 3 Min.
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Am 9. Juni folgten 450 Beschäftigte der Nahrungsmittelbranche in Mecklenburg-Vorpommern einem Aufruf der Gewerkschaft Nahrungsmittel-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie fordern mehr als die üblichen 7% Lohnsteigerung auf 2 Jahre verteilt. Ihnen geht es um nichts weniger als die längst überfällige Lohnanpassung an ihre Kolleg*innen in Westdeutschland. Ein Gastbeitrag von Robert Müller.

Ursprünglich sollten es 1.500 Beschäftigte werden. Laut Presseberichten folgten aber nur weniger als ein Drittel dem Aufruf. Dafür waren die Forderungen umso knackiger. Auch der Warnstreik beeindruckte: Ganze acht Stunden blieben die Arbeiter*innen von ihren Arbeitsplätzen fern. Üblich sind zwei Stunden.

In den Obst- und Gemüseverarbeitenden Firmen in Mecklenburg-Vorpommern arbeiten 1.900 Beschäftigte. Jede*r von ihnen erwirtschaftete durchschnittlich 286.690 Euro, gut 30.000 Euro mehr als im Bundesschnitt. In den letzten Jahren haben sich im Nordosten namenhafte Unternehmen der Lebensmittel-Branche angesiedelt. Neben Nestlé und Dr. Oetker haben sich auch der Essig- und Feinkosthersteller Carl Kühne, sowie die Emsland-Stärke-Gruppe in Mecklenburg-Vorpommern niedergelassen. Diese produzieren Tiefkühlpizza, Kaffeekapseln und Kartoffelpürree. Laut NGG-Geschäftsführer Jörg Dahms habe in Mecklenburg-Vorpommern die „Crème de la Crème der Ernährungswirtschaft“ neue Produktionsstandorte eröffnet.

Grund dafür ist das niedrige Lohnniveau. Bis zu 350 Euro weniger erhalten die Beschäftigen in Mecklenburg-Vorpommern gegenüber ihren Kolleg*innen in Hamburg und Schleswig-Holstein. Grund genug für die NGG, eine Lohnerhöhung von 27 Prozent in vier Jahren zu fordern. Ein Angebot des Arbeitgeberverbandes Nordernährung hatte die NGG bereits abgelehnt. Dieses beinhaltete eine Lohnerhöhung von sieben Prozent für knapp zwei Jahre. Ähnliche Angebote hatten Frank Bsirske im Öffentlichen Dienst und die IG Metall bereitwillig angenommen und als Erfolg gefeiert. Nun droht der Arbeitergeberverband, die Forderungen der NGG würden die bestehenden Arbeitsplätze gefährden. Das ist natürlich Unsinn. Nicht die Gewerkschaft entlässt Beschäftigte trotz guter Gewinne für die Unternehmen, sondern die Unternehmer*innen.

Doch offenbar zieht die Angst-Kampagne der Kapitalist*innen. Dass mehr als 1.000 Beschäftigte dem Warnstreik unerwartet fernblieben, kann nicht einfach unbeantwortet bleiben. Mecklenburg-Vorpommern gehört seit Langem zu den Bundesländern, deren Bevölkerung häufiger von Armut bedroht und betroffen ist. Arbeitslosigkeit ist ebenfalls weiter verbreitet als im westlichen Teil der Bundesrepublik. Die Angst vor Arbeitsplatzverlust zu schüren, findet hier deswegen besonders fruchtbaren Boden. Für einen Job im Call-Center sind Menschen bereit, täglich 200km mit der Bahn zurückzulegen. Je nach Schichtbeginn und Abfahrtszeiten werden bis zu fünf Stunden zusätzlicher Zeitaufwand in Kauf genommen.

Umso wichtiger ist es, die Forderung nach Lohnerhöhungen zu verbinden mit einer Arbeitszeitverkürzung. Leider macht die Gewerkschaftsbürokratie um das Thema Arbeitszeitverkürzung seit den 1990er Jahren häufig einen weiten Bogen. Möchte die NGG-Bürokratie die geringe Teilnahme zukünftig vermeiden, muss sie den Angst-Kampagnen der Kapitalist*innen etwas entgegensetzen und dem Thema Arbeitszeitverkürzung wieder mehr Beachtung schenken.

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