Berliner Polizei: Schoßhund der Staatsräson und rechter Schlägertrupp

24.09.2024, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Baki Devrimkaya

Ein Zehnjähriger festgenommen, mehrere sexuelle Übergriffe und Demo-Teilnehmer:innen bis zur Bewusstlosigkeit zusammengeschlagen: So sähe aktuell eine passende Tätigkeitsbeschreibung der Berliner Polizei aus. Was ist in den letzten elf Monaten noch so passiert?

In den vergangenen Wochen kam es in Berlin wiederholt zu massiver Polizeigewalt. Vor knapp zwei Wochen wurde ein Teilnehmer einer Palästinademo von der Polizei so schwer zusammengeschlagen, dass er bewusstlos wurde. Die Rettungskräfte durften erst knapp 40 Minuten später zu ihm. Einige Polizist:innen ließen auch auf dem Weg in die Notaufnahme nicht von dem Mann ab und fuhren ins Krankenhaus hinterher. Was dort und danach passiert ist, wissen wir nicht genau. Laut Zeugenberichten ist sein Zustand wieder stabil.

Am Samstag vergangener Woche ging es jedoch genauso weiter. Erst wurde eine Palästinademonstration am Breitscheidplatz aufgelöst, dann wurden Teilnehmer:innen von der Polizei hin und her geschubst.. Schließlich rannten ca. zehn Polizist:innen auf einmal los und jagten einen elfjährigen Jungen mit einer Palästinafahne über den ganzen Platz. In einem Beweisvideo stehen dem Jungen die Panik und Angst ins Gesicht geschrieben. Zehn Cops, bewaffnet von Kopf bis Fuß mit Pfeffergas, Schlagstöcken, Pistolen und eventuell Tasern, auf den Fersen eines Elfjährigen, der nichts als eine Palästinafahne in den Händen hielt.

Am selben Samstag wurden etliche Teilnehmer:innen einer anderen Demonstration willkürlich am U-Bahnhof Yorckstraße – etliche Stationen vom ursprünglichen Demonstrationsort entfernt – festgehalten, eingekesselt und bedrängt. Mindestens eine Teilnehmerin drückte ein Polizist mit seinem ganzen Körper gegen die Wand. Auf einem Bild von der Situation sah der Anblick einem sexuellen Übergriff mindestens ähnlich. Hinzu kommt ein Erfahrungsbericht in den sozialen Medien, dass ein weiterer Polizist einer Teilnehmerin bei einer Festnahme ins Ohr gesagt habe: „Du bist ja eine richtige Löwin. Ich frage mich, ob du auch im Bett so eine Löwin bist.“

Der 7. Oktober als gefundene Ausrede

Die Brutalität der Polizei in Deutschland, vor allem aber der Berliner Polizei, nimmt seit dem 7. Oktober 2023 massiv zu. Nicht nur die kaum noch existente Hemmschwelle für körperliche Gewalt, sondern auch das Ausmaß an Restriktionen, Verboten, Dauerüberwachung und so weiter, hat stark zugenommen. Von Oktober bis Februar war die Sonnenallee – die mitunter migrantisierteste Straße Berlins, an der viele Palästinenser:innen leben – einer Dauerbelagerung durch die Polizei ausgesetzt. An nahezu jeder Straßenecke standen vier bis fünf Mannschaftswagen, Dutzende Polizist:innen waren rund um die Uhr vor Ort.

Am 7. Oktober selbst begann die Repression schon direkt mit der rassistischen Kontrolle von migrantischen Personen. Männer, Frauen, sogar Jugendliche und Kinder. Kaum zwei Tage später wurde bereits ein Kuffiyahverbot verhängt – am selben Tag begannen Israels Bomben, Gaza in Schutt und Asche zu legen. Diese Bomben kosteten bis heute, fast ein Jahr später, weit über 40.000 Menschen das Leben. Jeden Tag wurden Hunderte getötet, ein ganzes Viertel davon Kinder und Minderjährige, viele Frauen und Männer, etliche Alte und Kranke. Alle Universitäten wurden zerstört, nahezu alle Krankenhäuser sind nicht mehr funktionstüchtig – wenn sie denn überhaupt noch existieren.

Ein Massaker überschattete das Nächste. Vom Massaker im Al-Shifa-Krankenhaus, wo erst israelische Soldat:innen als Gesundheitspersonal verkleidet eindringen konnten und Dutzende erschossen, bevor das Krankenhaus dann mit Hunderten Bomben auseinandergerissen wurde. Über das Mehl-Massaker am 29. Februar, bei dem Tausende am Strand Gazas sehnlichst auf die gerade ankommende Hilfslieferungen warteten und israelische Soldat:innen das Feuer eröffneten und Hunderte töteten. Bis hin zum Rafah-Massaker – im südlichen Teil Gazas, der zur Sicherheitszone deklariert wurde, aber trotzdem vom israelischen Militär bombardiert wurde, wodurch dutzende Palästinenser:innen in ihrem Zeltlager getötet wurden.

Blut schmeckt besser als Wasser für deutsche Polizist:innen

Während in Deutschland gegen all diese Geschehnisse, diese Bombardements und diesen Genozid protestiert wurde, tat die Polizei, wozu sie im Prinzip auch existiert: Sie beschützte die deutsche Staatsräson. Jene Staatsräson, die jegliche Palästinasolidarität mit Antisemitismus gleichstellt. Jene Staatsräson, die pro-palästinensische Organisationen wie Samidoun oder Palästina Solidarität Duisburg wegen angeblicher Nähe zur Hamas kriminalisiert. Jene Staatsräson, die die Waffenlieferungen an Israel in den ersten drei Monaten des Genozids verzehnfachte, weil „Israel das Recht hat, sich selbst zu verteidigen“. Jene Staatsräson, die sich entgegen etlicher Beschlüsse und Resolutionen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) und der Vereinten Nationen (UN) weiterhin bedingungslos solidarisch zeigt mit Israel, dem bestausgerüsteten Terrorstaat im Nahen Osten.

Der 7. Oktober ist nur ein Vorwand für die Polizei – den Schoßhund des deutschen Staates. Sie hat auch schon zuvor immer wieder bewiesen, dass sie für Vater Staat alles und jeden angreifen würde. Ob bei den G20- oder G7-Protesten, ob in Lützerath, ob damals gegen die 68er-Antikriegsbewegung, ob gegen einzelne Migrant:innen, Obdachlose, Inhaftierte, etc. Die Liste der extremen Polizeigewalt und Polizeimorde ist endlos lang. Und wir müssen sie noch lange weiterführen. Solange die Polizei als Apparat, als strukturelle Institution des Staates existiert, werden Polizeigewalt und Polizeimorde nicht aufhören.

Die Polizei hat nach dem 19. Februar 2020 in Hanau bewiesen, dass sie lieber den faschistischen Vater eines extrem rechten Attentäters beschützt, als neun migrantische Leben. Die Polizei hat nach den Brandanschlägen in Rostock-Lichtenhagen 1992 bewiesen, dass sie eher unterstützend in den Reihen faschistischer Lynchmobs stehen, als schützend vor den Häusern von Geflüchteten. Die Polizei beweist heute jedes Wochenende aufs Neue, dass sie zionistische, genozidleugnende Rechte mit Vernichtungsfantasien beschützen, während sie für Freiheit und Frieden kämpfende Demonstrant:innen bis zur Bewusstlosigkeit prügeln.

Solidarität mit allen Opfern von Polizeigewalt – Nieder mit dem Polizeiapparat!

Uns muss spätestens nach fast einem Jahr extremer Polizeirepression gegen die Palästinabewegung klar sein: Nicht nur der Apartheidstaat Israel ist unser Feind, sondern auch der deutsche, genozidliebende Staat, der seine Polizist:innen zur Einschüchterung auf uns hetzt, wo er nur kann – ob auf pro-palästinensische Demonstrant:innen, auf Obdachlose, auf Migrant:innen oder auf Queers.

Von dieser Polizeigewalt und selbst den Fällen von Polizeimorden dürfen wir uns jedoch nicht einschüchtern lassen – ganz im Gegenteil, wir müssen dagegen ankämpfen. Wir müssen uns in Aktionskomitees organisieren und Strukturen aufbauen, mit denen wir Polizeigewalt auf Demos als Masse zurückdrängen und unterbinden können. Es gibt viele internationale Beispiele wie in Argentinien oder in Frankreich, wo bei großen Protesten Demonstrant:innen und Aktionskomitees dafür gesorgt haben, dass Polizeihorden zurückgedrängt und die Proteste verteidigt wurden.

Wir müssen aber auch anhand etlicher Beweise das allgemeine Verständnis schaffen, dass die Polizei uns in keiner Lebenssituation wirklich hilft. Die Gewalt, die von der Polizei ausgeht, ist die direkteste staatliche Gewalt, die uns widerfahren kann. Sie führen Abschiebungen durch, sie werfen Leute aus ihren Wohnungen, sie jagen auch Kinder auf den Straßen, wenn sie als Opposition zur Staatsräson wahrgenommen werden. In keinem dieser Fälle können wir auf Gerechtigkeit vor Gericht hoffen, denn ihre Gerechtigkeit beschränkt sich auf ihre rassistischen, sexistischen, queerfeindlichen Gesetze und nicht auf die Freiheit aller Unterdrückten. Stattdessen müssen wir uns gegenseitig vor Polizeigewalt schützen – sowohl in der Palästina-Bewegung als auch darüber hinaus.

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